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Die Verbrauchzentrale über Rechte bei abgesagten Konzerte

Verbraucherzentrale

„Diese Rechte haben Fans rund um abgesagte Konzerte“
Geschlossene Clubs, abgesagte Tourneen, verlegte Konzerte – die Corona-Pandemie hat die Livemusik-Branche komplett auf den Kopf gestellt. Welche Rechte haben jetzt Fans, die Tickets für ausgefallene Shows haben? Dr. Mechthild Winkelmann, Pressereferentin der Verbraucherzentrale NRW, klärt auf.

Frau Winkelmann, wegen der Corona-Pandemie wurden zahlreiche Konzerte und Festivals abgesagt. Bekommen Verbraucher ihr Geld zurück und wenn ja, wo und wie?
Dr. Mechthild Winkelmann: Grundsätzlich besteht in solchen Fällen ein Erstattungsanspruch auf den Ticketpreis, denn im Falle einer Absage kommt der Veranstalter seiner Leistungspflicht nicht nach. Dabei ist egal, ob er den Ausfall zu verantworten hat oder nicht. Grundlage dafür ist bei deutschen Verträgen der Paragraph 275 BGB (Unmöglichkeit). Häufig geben Konzertveranstalter die Rückabwicklung an die Vorverkaufsstellen ab. Betroffene sollten es also zunächst dort probieren, wo sie das Ticket gekauft haben. Wird die Rückerstattung dort verweigert, sollte man sich direkt an den Veranstalter wenden.

Viele Veranstaltungen wurden lediglich auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Bleiben Tickets auf jeden Fall gültig? Hat man trotzdem ein Anrecht auf eine Ticketrückgabe?
Wenn die Veranstaltung nachgeholt wird, bleiben die Tickets gültig. Verbraucher müssen die Verschiebung einer Veranstaltung aber nicht grundsätzlich hinnehmen. Insbesondere, wenn sie an dem neuen Termin keine Zeit haben, können sie die Karte zurückgegeben. Etwaige Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Rückgabe des Tickets nur bei genereller Absage gestatten, sind nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW unwirksam.

Angenommen ein Konzert oder Festival findet oder fand trotzdem statt, aber mit geändertem Line-up – können Ticketbesitzer ihre Karten zurückgeben oder einen Teil des Eintrittspreises erstattet bekommen?
In diesem Fall können Verbraucher insbesondere bei Einzelkonzerten den Ticketpreis in der Regel nachträglich mindern oder auf das Konzert verzichten und den Eintrittspreis zurückverlangen. Dabei kommt es auch darauf an, wie entscheidend und austauschbar die Rolle des ausgefallenen Künstlers ist. Der Ausfall eines Solokünstlers wird hier eher zu Erstattungsansprüchen berechtigen als das Ausbleiben eines Backgroundsängers. Im Rahmen von mehrtägigen Festivals wird der Austausch einzelner Bands, vor allem wenn es keine Headliner sind, eher hinzunehmen sein.

Innerhalb welcher Frist müssen Verbraucher ihr Geld zurückfordern?
Der Rückzahlungsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren. Bei Veranstaltungen, die jetzt wegen des Coronavirus abgesagt werden, können Ansprüche also bis zum 31. Dezember 2023 geltend gemacht werden.

Muss ich mein Geld per Brief mit Unterschrift zurückfordern oder genügt eine Email?
Die Schriftform ist grundsätzlich nicht erforderlich. Im Streitfall sollte man allerdings beweisen können, dass man seinen Anspruch geltend gemacht hat. Bei der Verbraucherzentrale gibt es einen Musterbrief, um den Ticketpreis zurückzufordern.

Habe ich auch dann eine Chance, mein Geld zurückzubekommen, wenn ein Veranstalter oder Club insolvent ist und die Veranstaltung nicht mehr stattfindet?
Bereits geleistete Zahlungen fließen im Falle der Insolvenz in die Insolvenzmasse. Rückzahlungsforderungen sollten innerhalb der vom Insolvenzgericht bestimmten Frist (zwischen 2 Wochen und 3 Monaten) beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Auskünfte über die Eröffnung, das Verfahren, den Insolvenzverwalter und die Fristen gibt es beim zuständigen Insolvenzgericht. Das ist in der Regel das Amtsgericht am Geschäftssitz des Veranstalters. Der Insolvenzverwalter klärt dann, ob und inwiefern die Gläubiger aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Gläubiger werden hierbei grundsätzlich quotenmäßig zu gleichen Teilen Geld erhalten. Dies kann je nach Insolvenzmaße bedeuten, dass Sie nicht mehr den gesamten oder im schlimmsten Falle gar keinen Ticketpreis erstattet bekommen.

Mit Blick auf die in der Veranstaltungsbranche üblichen Verträge: Wie kann ich Künstler und Musikarbeiter aus dem Veranstaltungsbereich in der Corona-Krise am besten unterstützen, welche Handlungen helfen ihnen – und welche vermutlich eher nicht?
Lassen Sie bei abgesagten Veranstaltungen stets Augenmaß walten. Überlegen Sie etwa, ob Sie Terminverschiebungen von Veranstaltungen akzeptieren können, anstatt Ihr Geld zurückzufordern. Gerade kleine Firmen und Kulturschaffende kann die Corona-Krise sonst in wirtschaftliche Not bringen.

Dr. Mechthild Winkelmann, Verbraucherzentrale NRW
Dr. Mechthild Winkelmann, Pressereferentin Verbraucherzentrale NRW