Anja, gab es einen Auslöser für dieses Comeback, wenn wir es der Einfachheit halber mal so nennen wollen?
Über die Jahre gab es ja immer wieder Anfragen aus der ganzen Welt, aber ich habe mich dem lange verweigert. Bis mich Yishai Sweartz, der Sänger von Tomorrow’s Rain aus Tel Aviv, angeschrieben hat. Die Band wiederum hatte Kontakt zu einer norwegischen Doom-Combo, da ging es um den Song “Skuggornas”, auf Deutsch “Schatten”. Yishai fragte, ob ich nicht Lust hätte, den zu singen. Auch da habe ich erst ‚Nein‘ gesagt, aber dann kam Corona und man hatte plötzlich viel Zeit. Ich bin zu meiner Freundin Mona Mur nach Berlin gefahren, und wir haben die Gesangsaufnahmen gemacht. Das fühlte sich wirklich schön an, alles war ganz frei. Daraus hat sich alles Weitere entwickelt. Wichtig war mir, dass Manuela Rickers mit dabei ist, ihr Gitarrensound ist essenziell, niemand spielt wie sie. Im letzten Jahr ist also “Codes” erschienen, jetzt sind Xmal Deutschland wieder ein großes Thema. Das hat dermaßen Fahrt aufgenommen, plötzlich ist man wieder mittendrin. (lacht)
Ich bin davon selbst immer noch überrascht.
Warum hast du dich so lange dagegen gewehrt?
Ich wollte nichts mehr damit zu tun haben. Klar, Musik war immer Teil meines Lebens, aber nach Xmal Deutschland eben auf der anderen Seite. Viele Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, wussten das nicht einmal. ‚Ach, du hast ja auch mal Musik gemacht‘, hieß es. Das war’s. Keiner kannte uns. Die Tatsache, dass wir damals diesen radikalen Schnitt gemacht haben – zack, und weg waren wir – hat für diesen geheimnisvollen Status gesorgt. Jetzt kommt das Ganze zurück und man sieht, was für Kreise es plötzlich zieht. Meine Geschichte, die Historie von Xmal Deutschland, all das ist jetzt wieder ein Thema. Das ist wirklich krass.
Welche Bands haben euch Anfang der 80er Jahre beeinflusst?
Wir gingen regelmäßig auf Konzerte, das war alles total faszinierend. Ich erinnere mich an The Cure in der Hamburger Markthalle, “Three Imaginary Boys” war ein ganz wichtiges Album für mich. Psychedelic Furs liebe ich bis heute. Das Melancholische hat mich angesprochen, nicht nur in der Musik, auch in der Literatur, Capote, Williams, Faulkner, Sachen von Emily Dickinson. In meiner Malerei sieht das anders aus, meine Bilder sind ja sehr fröhlich, aber das, was mich wirklich berührt, das, worauf ich mich einlasse, ist etwas anderes.

Wie erinnerst du dich an die prägenden Jahre mit der Band? Vier junge Frauen im Auge des Orkans, war das auch schwierig?
Wir haben das nie so wahrgenommen. Wir waren ja immer untereinander und miteinander, in unserer eigenen Bubble. Die Leute dachten wegen unseres Looks, wir gehen ständig ins Batcave.
…den Londoner Gothic-Club.
Aber da waren wir nie! (lacht) Wir hatten Spaß in unseren Hotelzimmern, haben unser Ding gemacht, sind in Ausstellungen gegangen. Das war immer sehr lustig.
Hierzulande wart ihr eher ein Insider-Thema, in Großbritannien nahm euch 4AD unter Vertrag, ihr seid mit Bands wie Cocteau Twins und den Stranglers getourt und habt in der Wembley-Arena gespielt.
Das waren fette Gigs, klar. In Wembley auf dieser riesigen Bühne, das war verrückt. In Deutschland waren wir ja nur einmal im Jahr wirklich auf Tour, das war auch immer toll, in England wurde es dann viel größer und um einiges mehr. Anfangs habe ich mich nie als Sängerin gesehen, ich wollte Teil einer Band sein, aber irgendwann nahm ich diesen Part an. Ich sah mich als Performerin wie auf einer Theaterbühne. Heute ist es wiederum anders, bei den Konzerten geht es ums Singen auf hohem Niveau. Da musst du richtig abliefern, das ist echt herausfordernd.
Post-Punk hat in den letzten Jahren wieder unglaublich an Popularität gewonnen. Hört man die Klassiker von Xmal Deutschland in diesem Kontext, klingt es, als wären sie gerade erst entstanden.
Meine Perspektive ist da natürlich eine etwas andere, weil mir der Bezug fehlt, aber ich habe ja an den Songs mit Olaf Boqvist von Mutter gearbeitet, der wiederum auch mit Manuela. Wir sind jetzt zweimal aufgetreten, in Den Haag und Paris. Im Vorfeld haben wir die Songs von “Codes” und die Stücke von Xmal Deutschland, Sachen wie “Young Man”, “Geheimnis” oder “Boomerang” klangtechnisch etwas angepasst. Da ist mir zum ersten Mal richtig aufgegangen, wie die funktionieren, diese Gradlinigkeit, die Beats. Das Lustige ist, dass wir ja noch gar nicht so wirklich Songs schreiben konnten, aber im Zusammenspiel entsteht eine solche Energie, die damals wie heute unverändert funktioniert. Wenn ich mit jungen Leuten spreche, gerade jetzt in vielen Interviews, merke ich, wie groß das Interesse ist. Sie wollen Geschichten hören. Damit meine ich jetzt nicht irgendwelchen Gossip, sondern Erinnerungen aus dieser Ära, die so prägend war. So etwas fehlt heute vielleicht im aktuellen Kontext, aber eine Band wie Xmal Deutschland hat da immer noch eine Menge zu sagen. Und die Musik ist eben wirklich zeitlos. Hier und jetzt, zurück im Fokus – das ist doch einfach großartig.