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Rock am Ring: Die Vorab-Reportage

Reportage: Rock am Ring

Im Inneren des Rings
Mitte April deutet am Nürburgring noch nichts darauf hin, dass dort in anderthalb Monaten bis zu 90.000 Fans Rock am Ring feiern werden. Jonathan Schütz hat die Ruhe vor dem Sturm genutzt, sich das noch verwaiste Festivalgelände angeschaut und Cathi Krämer und Basti Walz vom Veranstalter Dreamhaus zum Interview getroffen. Im Gespräch mit der Festivalleitung geht es um die Herausforderungen des Nürburgrings als Festivalgelände, was sechs Wochen vor Beginn hinter den Kulissen passiert, wie man das größte deutsche Festival sicher über die Bühne bringt und was der neue Veranstalter nach der Übernahme im vergangenen Jahr 2023 verbessern möchte.
Noch auf der Tribüne, bald wieder hinter den Rock-am-Ring-Kulissen (v.l.): Head Of Production Basti Walz und Head Of Festival Experience Cathi Krämer (Foto: Nick Harwart)

An Sommer ist an diesem 18. April in der Eifel noch nicht zu denken und selbst der Frühling erscheint noch in weiter Ferne. 45 Tage vor dem ersten Festivaltag von Rock am Ring greift man bei Temperaturen im einstelligen Bereich noch zu Winterjacke und Mütze statt Ravioli und Dosenbier, denn auf dem bis zu 620 Meter über Null gelegenen Nürburgring pfeift der Wind aus allen Löchern. Allzu lange möchte man sich draußen nicht aufhalten, und bis auf einige Trainingsfahrten absolvierende Fahrzeuge eines Autoherstellers scheinen alle sich heute am Nürburgring aufhaltenden Menschen darauf zu einigen. Viel los ist ohnehin nicht. Ein paar Menschen stärken sich im oberhalb des Info Centers gelegenen Sandwich-Laden oder flanieren durch den links daneben liegenden Ring Boulevard. Darin befinden sich mehrere kleine Geschäfte bekannter Automarken, bis auf ein paar Wurstbuden und aufgestellte Bierbänke ist die 4.135 Quadratmeter große Halle aber vor allem: leer. Würde man die Zeit sechs Wochen nach vorne drehen, würde man hier auf Dave Grohl, Jack Black und Fat Mike treffen, denn aus der Eventfläche wird während Rock am Ring der weitläufige Backstagebereich.

Gegenüber vom Ring Boulevard befindet sich das Ring Werk, Museum des vor 96 Jahren eröffneten Nürburgrings und der knapp 21 Kilometer langen und umgangssprachlich oft „Der Ring“ oder „Die grüne Hölle“ genannten Nordschleife. Die Fensterfront wird von Schlagworten wie „Mythos“‚ „1927“ und „20.832“ geschmückt. Mit einer Streckenlänge von 26 Kilometern ist der Nürburgring nicht nur die längste permanente Rennstrecke der Welt, sondern eine geschichtsträchtige dazu. Während die Formel 1 hier von 1951 bis 1976 – damals noch auf der Nordschleife –, 1984 und 1985 – fortan mit deutlich mehr Runden auf dem kürzeren Grand-Prix-Kurs – sowie von 1995 bis 2013 und pandemiebedingt noch einmal 2020 gastiert, findet seit 1970 das 24-Stunden-Rennen der Gran-Turismo-Klassen am Nürburgring statt. Der Aufwand ist dabei mit dem für Rock am Ring vergleichbar: Während das Rennen selbst von Samstag- bis Sonntagnachmittag stattfindet, öffnen die Campingplätze bereits montags und schließen auch erst eine Woche später.

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Die Start-/Zielgerade des Nürburgrings. Am hinteren Ende, bei der Kurve, wird während Rock am Ring die Mandora Stage stehen. (Foto: Nick Harwart)

Gemeinsam mit Kollegen der Öffentlich-Rechtlichen und unter Reiseleitung von Ann-Kathrin Schürmann, PR und Media Managerin Communications am Nürburgring, bahnen wir uns links neben dem Ring Werk über den Festivalzugang für Presse und VIP den Weg auf das Dach der Boxengasse, das während Rock am Ring als VIP-Tribüne fungiert und von den Festivalbesuchern gerne als „scheiß Tribüne“ besungen wird. Die Boxengasse markiert zudem den Eingangsbereich zur „Utopia Stage“ getauften Hauptbühne. Während sich von dort zur Linken auf die Start- und Zielgerade blicken lässt, befindet sich auf der Rechten das Grand-Prix-Fahrerlager, an dessen rechtem Ende während des ersten Juni-Wochenendes die Utopia Stage steht, während sich davor zehntausende Menschen tummeln. Heute dreht dort zwischen einigen geparkten Sportwagen und aufgestellten Absperrgittern eine einsame Kehrmaschine ihre Runden.

Bildlich vorstellen muss man sich zudem, dass am Ende der Start-/Zielgeraden, direkt vor der ersten Rechtskurve, während des Festivalwochenendes die „Mandora Stage“ benannte zweite Bühne und rechts dahinter das mittlerweile obligatorische Riesenrad sowie die seitlich zu den anderen Bühnen ausgerichtete Orbit Stage aufgebaut sind. Ebenso wie die Fressmeile, die am hinteren, von Reifenspuren gekennzeichneten Ende des Fahrerlagers entsteht, während neben der am Ende der Start-/Zielgeraden thronenden Mercedes-Tribüne die Pforten zum Festivalgelände errichtet werden.

Unsere Tour führt uns anschließend durch das Media Center, das Platz für bis zu 450 Pressevertreter*innen bietet, auf den heiligen Boden des Fahrerlagers – und damit dorthin, wo in anderthalb Monaten die Foo Fighters zum Abschluss des ersten Festivaltags auftreten werden. Von dort kann man – links neben der zumindest theoretisch aufgebauten Utopia Stage – die Nürburg erblicken, während ein paar hundert Meter weit weg ein Reifenstapel den Beginn der verschlossenen Nordschleife markiert. Umgeben ist das Infield von jeder Menge Wald, der sich für Rock am Ring in zahlreiche Campingplätze verwandelt. Bis in 45 Tagen zum ersten Mal bis zu 90.000 Festivalbesucher*innen auf das Gelände strömen, ist also noch einiges zu tun.

Herausforderung Nürburgring

Bis auf dem Infield mit dem Aufbau begonnen werden kann, vergehen jedoch noch 40 weitere Tage. Mitte Mai findet auf dem Nürburgring nicht nur das 24-Stunden-Rennen statt, am letzten Mai-Wochenende wird dort zudem das historische Motorsport-Event Nürburgring Classic ausgetragen. Während ab dem 22. Mai im Außenbereich erste infrastrukturelle Arbeiten beginnen und auch der Aufbau des festivaleigenen Supermarkts bereits mehrere Wochen vor dem Festival startet, erfolgt die Geländeübernahme für das Infield erst sonntags vor dem Festival um 18 Uhr, sodass für dessen Konstruktion gerade einmal vier Tage und fünf Nächte bleiben. Noch schneller ist nur der Abbau, denn bereits am Mittwochabend nach dem Festival erfolgt die Geländerückgabe, da der Nürburgring auch das anschließende Wochenende für Rennen genutzt wird. „Wir vergessen manchmal selbst, dass das hier in erster Linie immer noch eine Rennstrecke ist“, sagt Cathi Krämer, Head Of Festival Experience. „Wenn wir hier mal eine Begehung machen wollen, um uns Sachen anzugucken, stellen wir immer wieder fest, dass wir nur einen 45-minütigen Slot in der Mittagspause haben, weil sonst Rennbetrieb stattfindet.“

Mit Krämer und Basti Walz, dem Head Of Production, sind wir im Anschluss an unsere anderthalbstündige Geländebegehung zum Interview verabredet. Während Krämer bereits mit 16, vor über 20 Jahren also, begonnen hat, Konzerte zu veranstalten und seit 15 Jahren professionell in der Branche tätig ist, hat Walz vor rund 40 Jahren als Stagehand in den Industriezweig Livemusik hereingeschnuppert und ist seit 31 Jahren professionell und für Rock am Ring und Rock im Park seit 28 Jahren am Ball. Beim Rock-am-Ring-Veranstalter Dreamhaus ist er seit März 2021 als Head Of Production tätig und somit auch für das Festival zuständig, während Krämer seit Oktober 2021 bei der Berliner Konzertagentur arbeitet und Rock am Ring als Head Of Festival Experience betreut.

„Cathi ist für alles von der Bühnenvorderkante nach vorne und was das Publikum betrifft, verantwortlich, während ich zuständig bin für den Bereich von der Bühnenvorderkante nach hinten sowie alles an Infrastruktur und was hinter den Kulissen geschieht“, erklärt Walz. Heute am Nürburgring eingefunden haben sich die beiden für ein Produktionsmeeting mit knapp 80 Personen aus unterschiedlichsten Gewerken wie Bühnenproduktion, Sanitärbereich, Gastronomie, Feuerwehr oder Ordnungsdienst. „Dieses Meeting dient dazu, dass wir sechs Wochen vor der Veranstaltung alle Akteure zusammenführen, die an den signifikanten Stellen sehr wichtige partnerschaftliche Dienste leisten“, sagt Krämer. „Wir informieren sie über den letzten Planungsstand, sodass wir mit Sicherheit in die nächsten Planungsschritte gehen können und dann, wenn wir uns in sechs Wochen zum Aufbau hier treffen, hoffentlich keine Fehlerquellen auftauchen und wir keine Lücken haben, über die noch nicht gesprochen wurde.“

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Foto: Nick Harwart

»Die Verantwortung, die wir gegenüber Zehntausenden von Besuchern*innen und Tausenden von Mitarbeiter*innen haben, ist viel zu groß, um mit der Einstellung heranzugehen, dass das schon alles klappen wird.«
Basti Walz, Head Of Production

Erhöhten Planungsaufwand erfordert zudem die Lage des Nürburgrings. „Die Anbindung über öffentliche Verkehrsmittel existiert hier faktisch nicht“, erläutert Krämer. „Der nächste Bahnhof ist weit entfernt, und Busverkehr gibt es auch nicht. Durch den Einsatz von Busshuttlelinien nach Köln, Koblenz und Bonn versuchen wir, den Besucher*innen die Möglichkeit zu geben, nicht mit dem Individualverkehr anreisen zu müssen.“ Eine Herausforderung stellt zudem das weitläufige Festivalgelände dar, das mehr Sicherheitskräfte und Ordnungsdienstmitarbeiter*innen erfordert als ein kompakteres Gelände mit ähnlichen Besucherzahlen. „Wir haben nicht einen oder zwei, sondern zehn verschiedene Campingplätze, die über mehrere Kilometer verteilt sind“, führt Krämer aus. „Unser Herzstück ist natürlich das Infield, aber den Weg dorthin muss man auch erstmal finden.“

Nicht nur für die zahlreichen Festivalbesucher*innen, sondern auch für den Großteil der dort auftretenden Bands sind Rock am Ring und Rock im Park der Start in den Festivalsommer. „Die Infos, was die Künstler*innen alles brauchen, bekommen wir deswegen oft auf den letzten Drücker“, sagt Walz. „Wenn wir am Ende des Sommers wären, wäre es deutlich entspannter, weil dann schon mehrfach erprobt worden wäre, was an Strom benötigt wird, was die Bands an Gewichten ins Dach einbringen wollen und welche Pyroeffekte sie gerne hätten. Ein Drittel bis die Hälfte aller Bands senden ihre Anforderungen in den letzten zehn Tagen vor dem Festival – dann müssen wir noch mal ganz vieles neu organisieren. Gestern habe ich zum Beispiel die Mail bekommen, dass einem unserer Co-Headliner das Bühnendesign noch nicht gefällt, wir die nötigen Angaben aber erst in zwei bis drei Wochen bekommen. Dann ist es schon Mitte Mai.“

Alles neu?

Verantwortlich für die Durchführung von Rock am Ring ist Dreamhaus unter der Leitung des Geschäftsführers Matt Schwarz in diesem Jahr erst zum zweiten Mal. Gegründet wurde die Konzertagentur 2020, zusammengesetzt hat sie sich aus Personal, das zuvor bei Live Nation und der Marek Lieberberg Konzertagentur tätig war. 2021 hat Eventim Mehrheitsanteile von Dreamhaus übernommen. Eine klassische Übergabe gab es Basti Walz zufolge nicht, da weiterhin Leute für Rock am Ring verantwortlich sind, die bereits zuvor in anderen Funktionen für das Festival tätig waren. Cathi Krämer sieht darin zugleich eine Chance: „Wir haben in Gesprächen immer wieder gehört, dass gewisse Dinge früher immer so und so gemacht wurden. Als teils neues Team wissen wir häufig nicht, was das bedeutet, weswegen wir die Möglichkeit haben, es so zu machen, wie wir es uns konzeptuell ausgedacht haben. Das sehe ich eher positiv.“

Gleichzeitig lasse es sich mit der Sicherheit, die Eventim der Agentur gebe, sehr gut arbeiten. „Eventim ist ein großer Konzern mit mehreren verschiedenen Firmen, die alle im Event- oder Veranstaltungsbereich tätig sind und über große Kenntnisse verfügen“, sagt Walz. „Dadurch lassen sich konzernintern auf kurzem Dienstweg wichtige Infos abrufen.“ Bislang ist Dreamhaus als Festivalveranstalter ausschließlich für Rock am Ring verantwortlich, in Zukunft sollen jedoch weitere Festivals folgen. „Wir wollen erst mal das erste und zweite Jahr erfolgreich umsetzen und dann mit der aktuellen personellen Aufstellung Freiräume schaffen und uns neuen Projekten widmen“, so Krämer.

Nachdem der neue Betreiber des Nürburgrings 2014 den Vertrag gekündigt hatte, um gemeinsam mit der Deag ein neues Festival unter dem Namen Grüne Hölle am Nürburgring auszurichten, zog Rock am Ring 2015 und 2016 an den ehemaligen Militärflugplatz in der ebenfalls in der Eifel liegenden Kleinstadt Mendig. Nach heftigen Gewittern und dem vorzeitigen Abbruch des Festivals 2016 folgte 2017 die Rückkehr zum Nürburgring. Als neuer Veranstalter möchte Dreamhaus nun offen und transparent mit den Behörden und der Politik vor Ort kommunizieren und das Festival langfristig am Nürburgring weiterführen.

„Rock am Ring ist Rock am Ring wegen des Nürburgrings“, sagt Walz. „Wenn man in dieser Größenordnung bleiben möchte, findet man nicht so einfach andere Gelände, wo man mit 70.000 bis 90.000 Besuchern ohne Weiteres hinziehen kann. Wenn wir zum ersten Mal hierherkommen würden und das nicht über Jahrzehnte gewachsen wäre, wäre es nicht so einfach zu sagen, dass wir das hier machen. Ich erinnere mich auch noch an Mendig, da ging es mit Umweltämtern und dem Tierschutz darum, irgendwelche Vögel umzusiedeln, die dort speziell gebrütet haben, weil es nur dort eine spezielle Art Würmer gab. Das ist nicht wie bei einer Sporthalle in Köln, zu der man geht, wenn man nicht in Düsseldorf spielen kann.“ Laut Krämer arbeite man mit den Betreiber*innen der Rennstrecke in einem partnerschaftlichen bis freundschaftlichen Verhältnis. „Wir merken immer wieder, was für ein Highlight Rock am Ring für die Mitarbeitenden ist. Die freuen sich alle total auf Rock am Ring, und die gesamte Region profitiert davon. Das ist den Betreibern*innen natürlich bewusst.“

Die Sache mit den Preisen

2022 ist nicht nur die erste Ausgabe von Rock am Ring mit Dreamhaus als neuem Veranstalter, der muss auch gleich den Neustart nach der Pandemie bewerkstelligen. Die hat zu Personalwechseln an Kernpositionen und der Einstellung von Gewerkschaften geführt, einige Mitarbeiter*innen haben die Livemusikbranche sogar ganz verlassen. Die Folge ist ein großer Personalwechsel von 2019 auf 2022. „Das war wirklich heftig“, erinnert sich Basti Walz. „Gleichzeitig hat sich die Branche erstaunlich schnell erholt. Im zweiten Jahr sieht man wieder viele ähnliche Gesichter wie im vergangenen Jahr.“

Im Juli 2021 kommt es zudem zur Hochwasserkatastrophe, die insbesondere im Landkreis Ahrweiler starke Zerstörungen hinterlässt. Während auf dem Nürburgring die Fahrerlager, das Event-Center sowie die umliegenden Parkflächen als Bereitstellungsraum und Logistik- und Verpflegungszentrum für die Hochwasserhilfe genutzt werden, bleiben manche Wasserzufuhren, die sonst für Rock am Ring genutzt werden, nachhaltig beschädigt. Damit die gesamte Region nicht ohne Wasser dasteht und um das Trinkwassernetz für den jeweils nächsten Tag zu schonen, entscheidet man sich, die Duschen bei der Ausgabe im vergangenen Jahr nachts für ein paar Stunden herunterzufahren.

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Foto: Nick Harwart

»Wenn wir die größten internationalen Acts auf die Bühne stellen wollen, haben wir keine andere Möglichkeit, als die Preissteigerung nicht auch auf die Tickets umzulegen.«
Cathi Krämer, Head Of Festival Experience

Kritik gibt es im Anschluss an das Festival zudem am bereitgestellten Sanitärangebot. „Wenn so viele Menschen zusammenkommen, sehen die Toiletten irgendwann nicht mehr hübsch aus“, so Walz. „Wir versuchen, sie so gut wie möglich instand zu halten, zu reinigen, aufzufrischen und aufzuhübschen.“ Gleichzeitig habe man das Toilettenangebot sogar aufgestockt. „Wir haben nicht mehr nur Vakuumtoiletten, sondern auch mehr Mobiltoiletten an Positionen gestellt, die etwas weiter weg von den Sanitärcamps sind“, sagt Cathi Krämer. „Man muss aber auch an die Besucher*innen appellieren, die Toiletten so zu verlassen, wie sie sie vorfinden möchten. Wenn sich jeder daran halten würde, könnten wir das Erlebnis auch für viele Besucher*innen verbessern.“

Nachdem Rock am Ring 2020 und 2021 der Pandemie zum Opfer gefallen war und für 2022 der Großteil der Besucher*innen seine ursprünglich für 2020 geltenden Tickets hat überschreiben lassen, mussten für 2023 alle nun wieder eine neue Eintrittskarte erwerben. Die kostet dieses Mal 229 Euro, zuzüglich 69 Euro fürs Camping – macht knapp 300€. „Durch die Inflation haben wir Preissteigerungen an verschiedenen Punkten“, erklärt Krämer den deutlich gestiegenen Preis im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten. „Das geht über Infrastruktur-, Dienstleister-, Material-, Transport- und Personalkosten bis zu den Künstlergagen. Wenn wir die größten internationalen Acts auf die Bühne stellen wollen, haben wir keine andere Möglichkeit, als die Preissteigerung nicht auch auf die Tickets umzulegen. Wenn wir das Konzept komplett umwerfen und nur deutsche Künstler*innen buchen würden, die sonst in 5.000er-Hallen spielen, dann könnten wir das Ticket für wesentlich weniger Geld anbieten. Dadurch, dass wir uns hier im internationalen Gagen-Gefüge befinden, müssen wir uns mit anderen Preisen auseinandersetzen als es andere vergleichbare deutsche Festivals tun müssen, die einen stärkeren nationalen Fokus haben.“

Nachhaltig in die Zukunft

Als neuer Veranstalter möchte Dreamhaus den Fokus zudem verstärkt auf Nachhaltigkeit legen. So bezieht der Nürburgring an Feststrom ausschließlich Ökostrom, sodass der Bedarf auf dem Rock-am-Ring-Infield von grünem Strom gedeckt werden kann. Durch konzeptuelle Umstellungen konnte seit der Übernahme von Dreamhaus der Bedarf an Aggregaten auf dem Infield deutlich gesenkt werden. Verbessert werden soll außerdem das Mobilitätsangebot, um den Emissionsabdruck bei der Anreise der Festivalbesucher*innen weiter zu senken. Außerdem hat Dreamhaus nahezu die komplette Produktion des Merchandise umgestellt. „Da sind ein bis zwei Stücke dabei, die wir nicht nachhaltig beziehen können, aber die restlichen 95 Prozent werden ausschließlich mit nachhaltig zertifizierten Materialien hergestellt“, so Krämer. Walz ergänzt: „Wir versuchen, auch hinter den Kulissen regionaler zu sein, indem wir vor allem die von amerikanischen Künstlern*innen angeforderten Produkte durch Lokales ersetzen. Anstelle von ‚Fiji‘-Wasser gibt es Gerolsteiner.“

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Menschenmengen-Vergleich: Mitte April sind beim Fahrerlager nur VISIONS-Autor Jonathan Schütz und Nürburgring-Mitarbeiterin Ann-Kathrin Schürmann unterwegs… (Foto: Nick Harwart)

Nachholbedarf für die zweite von Dreamhaus veranstaltete Ausgabe von Rock am Ring sehen Krämer und Walz – neben dem verbesserten sanitären Angebot – in der internen Kommunikation, im Briefing der Mitarbeiter*innen sowie bei der Wegeführung. „Die Wegeführung ist auf diesem Gelände aufgrund der Weitläufigkeit eine unserer Hauptaugenmerke“, sagt Krämer. „Auf diesen weiten Flächen immer alles im Auge zu behalten und zu verfolgen, was gerade auf dem zehn Kilometer entfernten Zeltplatz passiert, während man gleichzeitig die Einlasssituation auf dem Infield beobachten muss, bedarf sehr viel Organisation.“ Walz ergänzt: „Unsere Mitarbeiter*innen müssen für das Publikum ansprechbar und erkennbar sein und einfach wissen, wo sich die nächste Toilette befindet oder wo sie zum Ausgang kommen. Sichere Auskunft gibt den Besucher*innen Sicherheit.“

Damit ein Großevent wie Rock am Ring reibungslos und vor allem sicher über die Bühne gehen kann, bedarf es viel Kommunikation. „Das beginnt bei der Ansprache der Besucher*innen“, sagt Walz. „Dinge wie die Zuwege zum Gelände, das Parken, die Campingbereiche, wo man sich anstellen muss oder die Bändchenausgabe müssen richtig geplant sein, sodass man über sie richtig informieren und sie richtig kommunizieren kann. Die Informationsweitergabe muss einfach funktionieren. Anders geht es auch gar nicht, weil die Verantwortung, die wir gegenüber Zehntausenden von Besucher*innen und Tausenden von Mitarbeiter*innen haben, viel zu groß ist, um mit der Einstellung heranzugehen, dass das schon alles klappen wird.“

Lange Tage

Anfang April erscheint auf dem Youtube-Kanal von Rock am Ring die „Call It A Comeback“ betitelte Dokumentation über die Rückkehr der Zwillingsfestivals nach der zweijährigen Zwangspause im vergangenen Jahr. Darin kommen die Donots und Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß zu Wort, aber auch Festivalbesucher*innen und Mitarbeiter*innen. Die Kommentarspalte wird mit Nachrichten geflutet: über steigende Vorfreude auf 2023, als besonders empfundene Momente im Jahr 2022 und Tränen angesichts der Erinnerungen an die lange herbeigesehnte Rückkehr von Rock am Ring und Rock im Park. Was zur Frage führt, wie für die Verantwortlichen hinter den Kulissen so ein Festivalwochenende aussieht.

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…während es Anfang Juni ungefähr so aussehen wird. (Foto: Demian Pleuler)

Kommt man überhaupt dazu, etwas von der Festivalatmosphäre aufzusaugen? Während der Großteil des Rock-am-Ring-Teams in einem Schichtsystem arbeitet, sind Cathi Krämer und Basti Walz als Veranstaltungsleitung an jedem der drei Festivaltage vom Beginn des Aufbaus bis zum Ende des Abbaus anwesend. „In der Regel stehe ich um 7 Uhr auf“, sagt Walz, „und wenn ich um 7:30 Uhr im Hotel zum Frühstück gehe, erhalte ich schon von allen Seiten Nachrichten. Zwischen 2:30 und 4 Uhr morgens ist erst Feierabend, je nachdem, wie die Wettersituation ist, ob Künstler*in X alles so vorfindet, wie er oder sie es sich vorgestellt hat oder ob bei Rock im Park ein Problem aufgetreten ist, das wir hier lösen müssen. Dann gibt es ein schnelles Bier, dass ich schlafen kann, drei Stunden Schlaf – und dann geht es wieder von vorn los.“

Allerdings könne man trotz der langjährigen Erfahrung immer noch die Atmosphäre auf dem gefüllten Festivalgelände aufsaugen, so das Duo. „Wenn die Bands auf der Bühne stehen, die Sonne untergeht, man über die Menschenmenge schaut und allein vor der Hauptbühne über 50.000 Menschen stehen, ist das schon magisch“, sagt Cathi Krämer. „Mein persönliches Highlight ist, wenn man sich noch allein auf dem Gelände befindet, die ersten Töne aus den Lautsprechern kommen und man weiß, dass alles angerichtet ist“, sagt Basti Walz. „Die Doku habe ich mir an einem Abend angeschaut, an dem ich die Schnauze voll hatte und mich über meinen Job aufgeregt habe. Sie hat mich sehr berührt und ich war wieder versöhnt mit der Welt und habe wieder den Sinn in meiner Tätigkeit gesehen. Ich bin schon mit viel Stress und teilweise unverhältnismäßigen Arbeitszeiten konfrontiert. Da braucht es viel Liebe, dass man das Jahr für Jahr über sich ergehen lässt.“

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