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Lauter lesen: Adam Langer - Crossing California & Die windige Stadt

Lauter lesen

Adam Langer – Crossing California & Die windige Stadt
Die besten Bücher mit und über Rockmusik. Diesmal mit Adam Langers zweiteiliger Geschichte vom Erwachsenwerden und -sein, Songschreiben und Scheitern, Ausziehen und Heimkehren.
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Zumindest in Deutschland ist Adam Langers schriftstellerische Karriere eher Missverständnis als Erfolgsgeschichte. Vermutlich wusste der Verlag Rowohlt einfach nichts mit den beiden Tweenern anzufangen, die man ihnen mit vielen Vorschlusslorbeeren dargereicht hatte. Als „Tweener“, oder auch „In-Betweener“ bezeichnet man in der Branche Romane, bei denen eine genaue Zuordnung in ein Genre schwierig sein kann – und die entsprechend schwierig zu vermarkten sind. So ist es auch zu erklären, dass auf dem Cover von „Crossing California“ ratlos eine nichtssagende Fotografie verwendet wurde, und auch beim originalbelassenen Titel sind falsche Erwartungen vorprogrammiert: Das Buch spielt weder in Kalifornien, noch geht es darin um einen Roadtrip. Der in Chicago geborene und aufgewachsene Langer hat sich als Schauplatz den Vorort West Rogers Park ausgesucht, den wiederum die California Avenue in reich (westlich) und arm (östlich) trennt. Den formellen Rahmen bilden die 444 Tage der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran: Zwischen November 1979 und Januar 1981 begleitet Langer mehrere Familien einer jüdischen Gemeinde bei den Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens und -seins: Der schüchterne Künstlertyp Muley Wills (östlich der California Ave.) liebt die reservierte Jill Wasserstrom (westlich), der blauäugige Larry Rovner will unbedingt Rockstar werden, bringt es in seinem Songwriting aber kaum weiter als zu den Lyrics „I wanna soar/ But I feel so sore“ – wenn schon der sonst so gelassene Studiobassist nicht in den Credits genannt werden will, muss etwas verkehrt laufen. Und die Eltern haben ganz andere Probleme.

In fast 600 Seiten und aus stetig wechselnden Perspektiven fabuliert sich Langer in überwiegend indirekter Rede durch Familienroman, Entwicklungsroman und ein ganzes Stück zeitgeschichtlichen Lokalkolorit, inklusive Glossar für jiddische Begriffe – ein Brocken, der einige Einarbeitungszeit voraussetzt und trotzdem unheimliches Vergnügen bietet, weil es Langer versteht, so nahe am Leben zu schreiben, dass man selbst für die große Unsympathin Lana Rovner irgendwann Mitgefühl entwickelt. In der direkten Fortführung „Die windige Stadt“ schickt er dann seine Protagonisten nicht weniger virtuos über viele Jahre in die Welt hinaus, nur um sie zum Schluss wieder aufeinandertreffen zu lassen. Für die Schreibarbeit zu jedem Buch stellte sich Langer zudem besondere Playlists mit Musik der 70er und 80er zusammen: Wenn etwa die städtischen Rowdies zu Nazareths „Hair Of The Dog“ vorfahren, steht man förmlich mit im Geschehen. Jetzt entdecken.