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    Spidergawd
    VI

    VÖ: 10.12.2021 | Label: Crispin Glover/Soulfood
    Text:
    Platte des Monats
    Spidergawd - VI

    Oftmals wünschen sich Fans von ihrer Lieblingsband zwei Sachen, deren Verknüpfung eigentlich nicht geht: Sie möge sich weiterentwickeln, in neue Galaxien vordringen und kontinuierlich überraschen – dabei aber möglichst genauso klingen wie immer. Spidergawd gelingt dieses Kunststück erneut.

    Ganze zehn Sekunden dauert es bis zu Per Bortens erstem „Alright“, und man weiß umgehend, dass hier alles genau das sein wird: Alright nämlich. Kurz vorher hat Schlagzeuger Kenneth Kapstad schon mal einen Großteil seiner traditionell etwas pappig klingenden Toms abgeklopft, Brynjar Takle Ohr sich zusammen mit Borten bis zu den Ellenbogen im Thin Lizzy-Fundus vertieft, Rolf Martin Snustadt das Saxofon nur gefühlt drunter gelegt, schon ist man mittendrin im Opener „Prototype Design“. Der britzelt erst mit synkopierten Riffs, öffnet fast dem Crossover ein Türchen, um anschließend eine Bridge zu bauen, die Dutzende andere Bands bereits mit Kusshand zum Chorus küren würden. Nicht so Spidergawd. Die wissen, dass es sich immer weiter steigern muss, und packen umgehend noch ein Pfund drauf. Dass sich hier „fire“ auf „desire“ reimt? Egal. In der Welt von Spidergawd, einem lyrischen Kosmos, in dem Regenbögen flimmern, Wirbelwinde wehen und man gern mit „Loucille“ (von „IV“) davonreiten würde, sind die Ecken zumeist rund. Auch das ist ein Teil ihres unvergleichlichen Sounds, der – und das ist die Essenz dieses selbstverständlich schlicht „VI“ betitelten Albums – über ein schier unerschöpfliches Reservoir an Melodien verfügt, in denen sich ein weiteres Mal Eingängigkeit und Überwältigung spektakulär koppeln. So wie für den guten Dorian Gray ein Bild auf dem Dachboden hängt, das an seiner statt altert, muss es für Spidergawd irgendwo eine Band geben, die im Keller sitzt und seit vielen Wintern nicht eine einzige Songidee hat.

    Schon auf den Alben „III“, spätestens auf „IV“ ertappte man sich beim Gedanken, dass dieses Drama doch irgendwann auserzählt sein muss, der letzte Breakdown mit dem letzten Faust-in-den-Himmel-Refrain verdrahtet wurde. Aber nichts da. Spidergawd machen das halbe Dutzend voll und legen sogar noch einen drauf. „Running Man“ ist die reine Lehre der NWOBHM und schlägt binnen weniger Takte den Bogen von „Killers“ zu „Number Of The Beast“. „At Rainbows End“ lässt Tränen auf das Grab von Phil Lynott tropfen, „Narcissus Eye“ bietet Judas Priest-iges Midtempo, „Morning Star“ schlägt den Bogen von klassischem Metal, der sich in der vorderen Songhälfte nur scheinbar mit Solidität zufriedengibt, zu einem Prog-Brett, auf dem Twin-Gitarren Schicht um Schicht türmen – so schwerelos, immer wieder neu ansetzend, dass man sich darin nur allzu gern verliert. Dabei erzählen die klassischen Querverweise, siehe Dna, nur die halbe Wahrheit. Dem Metal zu Beginn der 80er mögen die Norweger zugeneigt sein, dennoch blitzt hier keine einzige Pyramidenniete, fährt kein Motorrad auf die Bühne, explodieren keine Pyros. Es scheint, als entreißen Spidergawd diese Musik dem Zeitkontinuum, entschlacken sie einerseits, verdichten sie gleichzeitig und erfinden sich nebenbei immer wieder neu. Und so frisch, euphorisierend und ungewöhnlich das auch klingt, bleiben Spidergawd doch immer bei sich selbst – als eine der großartigsten Rockbands unserer Zeit.

    weitere Platten

    VII

    VÖ: 10.11.2023

    V

    VÖ: 11.01.2019

    IV

    VÖ: 24.02.2017

    III

    VÖ: 22.01.2016

    II

    VÖ: 16.01.2015

    Spidergawd

    VÖ: 25.03.2014