Gelernte Strukturen sind die Ausnahme zu der Regel, der Stig Rennestraum und Arve Paulsen alias Misty Range folgen. Der eine bedient Drums und Percussions mit seltenem Spielwitz, Härte und einem jazzigen Händchen, der andere kümmert sich um alles Übrige. Und davon bietet Misty Range eine Menge. Die Songs 19:23, 19:25 oder 19:07 sind fragmentarische Kapitel eines psychedelischen Märchens, die beim Erstkontakt nicht nur mit numerischen Namen verwirren. Misty Range schnüren aus entrückten Einfällen, maßvoller Distortion, floydiger Psychedelic und repetitiven Riffs, die im Dutzend grooviger sind, ein pralles Paket. Was darin steckt, lässt sich erst im dritten oder vierten Anlauf in seiner Gänze fassen. Über allem schwebt Paulsen mit einer Stimme zwischen Murmeln, Flüstern und federgewichtigen Melodien ähnlich wie Johan Edlund zu besten Tiamat-Tagen. Die Stimmung ist hier der Star, Intuition verdrängt klare Linien und vorhersehbare Verläufe. Vieles auf der Platte scheppert, dröhnt und schleicht wie unfertig daher. Als hätten Paulsen und Rennestraum den perfekten Pfad durch ihr Debüt noch nicht gefunden. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie nie begonnen haben zu suchen. Dass die beiden Norweger in jedem Augenblick wissen, was der kongeniale Partner tut, reicht aus, um die bestmögliche Antwort zu geben. Wer sich die Zeit nimmt, hört dieses Album zu einem Koloss heranwachsen, der lange Schatten wirft. Dann passt auch der Name, den Misty Range sich mit einem Gebirgszug der kanadischen Rocky Mountains teilt.