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    Gewalt
    Doppeldenk

    VÖ: 04.10.2024 | Label: Clouds Hill/ADA
    Text: Ulf Imwiehe / Juliane Kehr
    Vier-Ohren-Test
    Gewalt - Doppeldenk

    Pogo-Operation am offenen Herzen oder überhebliche Propheten? Das neue Album von Gewalt spaltet die Redaktion.

    Sie sind alles und mindestens noch mehr. Gewalt schärfen ihre Zungen und Herzen, bis es wehtut.

    „Egal, wohin der Wind dich weht/ Halt dich an deiner Lüge fest“, singt Patrick Wagner im desolat-dramatischen Refrain von “Egal, wohin der Wind dich weht”, dieser Hymne ans Scheitern. Und der Kopf macht aus dieser Referenz an Rio Reiser jedes verdammte Mal „Halt dich an deiner Liebe fest“. Und hier ist sie auch schon, die Essenz dieser erstaunlichen Band, die aus einem Minimal-Instrumentarium das grundsätzlich doppelbödige Maximum an Intensität und Gänsehaut herausprügelt.

    Gewalt sind Liebe und Verdruss gleichermaßen. Vor allem aber sind Gewalt eine Art Pogo-Operation am offenen Herzen. Gefühle und Kritik, sie gehen hier um- und auseinander. “Doppeldenk” ist nicht nur Pathos und arschwackelnde Getriebenheit gen Untergang. Es ist auch reine Freude mit kaputtgefeierten Augen, panisch flackernd vor lauter Leben.

    Denn nie zuvor klangen Gewalt so rund und direkt und, gerade wegen des genussvollen Einsatzes der Roland TB-303, so organisch. Majestätischer und irrwitziger lässt sich Desillusion musikalisch kaum abbilden. Tanz den Hermes Phettberg! Tanz den Donald Trump! Tanz die Reichhaltigkeit des Lebens selbst noch knietief im Dispo, aber tanz zu diesem Album, einem der großen des Jahres.

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    Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der überheblichste Prophet im ganzen Land?

    Er sieht die Welt “Schwarz, schwarz” und bezichtigt sein Gegenüber der Lüge und Verblendung (“Egal, wohin der Wind dich weht”). Er wäre gern Nick Cave, ist aber eher Marius Müller-Westernhagen: Gewalt-Sänger Patrick Wagner bläst seine Band-Persona auf “Doppeldenk” mit dermaßen viel heißer Luft auf, dass er vom klugen, dystopischen Ansatz Richtung brabbelndem Größenwahn entschwebt – und das in Rekordtempo.

    Schon ab dem vierten Song, dem verqueren HipHop-Versuch “Das kann ich nicht”, mag man den Kopf nicht länger in den Nacken legen, um zu hören, was Wagner da von seinem hohen Ross herunterkeift: „Berater, Analysten, Rassisten, Zollbeamten, Zwangsvollstrecker, Sexisten, Influencer, Soldaten, Faschisten, Narzissten, Karrieristen – das lyrische Ich zeigt sich angewidert ob der Vorstellung im selben Haus wie ebenjene Schurken zu darben.“, erklärt der Pressetext die ekelhaft überhebliche Intention des Songs, der ungefiltert Berufsgruppen mit zweifelhaften Weltanschauungen in einen Topf wirft.

    Wenn die Welt so am Arsch ist, wie Wagner meint, dann verbringt man die restliche Zeit vielleicht lieber damit, gute Musik zu hören, statt sich von einem monotonen Drumcomputer vollplärren zu lassen.

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    Das steckt drin: Big Black, Gang Of Four, Surrogat

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