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    Empire State Bastard
    Rivers Of Heresy

    VÖ: 01.09.2023 | Label: Roadrunner/Warner
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 366
    Platte des Monats
    Empire State Bastard - Rivers Of Heresy

    Was aus einer Idee im Tourbus so alles werden kann. Empire State Bastard klingt wie sein Name, und das ganz bewusst. Von zwei Metal-Fanboys erdacht, in mehreren manischen Phasen geschrieben und in einem Anflug von Größenwahn mit Dave Lombardo geadelt, zermalmt „Rivers Of Heresy“ alles in seinem Weg.

    Alles hatte vor Äonen begonnen. Mike Vennarts Band Oceansize lag in den letzten Zügen, als er sich von der damals noch überschaubar erfolgreichen Alternative-Prog-Band Biffy Clyro als Live-Gitarrist engagieren ließ. Auf langen Fahrten von Club zu Club, später von Stadion zu Stadion, tauschte er mit deren Frontmann Simon Neil musikalische Tipps zu Metal, Grindcore und Thrash aus. Wenn er irgendwann einmal so eine Band aufziehen würde, müsse sie Empire State Bastard heißen, meinte Neil eines Tages und pflanzte damit eine Idee in Vennarts Kopf ein. Basierend auf dem Namen purzelten die Ideen nur so aus ihm heraus. „Ich machte mich daran, die verdammt giftigste, abscheulichste Musik zu machen, die ich nur machen konnte, einfach ungefilterten Hass in musikalischer Form.“ Im nach rechts rückenden politischen Klima seines Heimatlandes fiel das Vennart recht leicht, und auch Neil, der sich als Schotte vom Brexit-England als Geisel genommen wiederfand, widmete Empire State Bastard seine Stimme und Lyrik, wann immer es der Zeitplan zuließ. Als es daran ging, Vennarts Demos mit einer Band einzuspielen, suchten die beiden Metalheads nach einem Drummer, „der so spielen konnte wie Dave Lombardo„. Ganz Pragmatist fragte Neil genau den. Lombardo sagte ja – und zwei Wochen später waren die Songs eingespielt.

    In einem triumphalen Wiederaufleben von Spät-90er Thrash, Echos von Testament, Pantera, Converge und Anthrax animieren Dreiminüter wie „Harvest“, „Blusher“, „Stutter“ und „Palms Of Hands“ die Synapsen. Empire State Bastard, mit einem entfesselt kreischenden Neil am Mikrofon, klingen in diesen Momenten kontrolliert apokalyptisch, nicht jedoch wie eine Hommage, eher aufrichtig angepisst und expansiv, mit dem Willen, aus gelernten Ritualen auszubrechen. Dieses Gefühl wird von den atmosphärischen Momenten in „Dusty“, dem kantigen und doch melodiösen „Moi“ oder der vehementen Anti-Brexit-Tirade „Sons And Daughters“ nur verstärkt: „You’re losing your sons and your daughters/ You’re losing your war and your soldiers/ Your vanity won is not glorious/ This isn’t the life that you sold us“ Das vielleicht eindringlichste Statement ist hingegen „Tired, Aye?“, bei dem Neil kurzerhand alle Gitarrenspuren löschte und den Song so zum Schlagzeug-Gesang-Duett machte. Die so auf Rhythmik und stimmliche Strapaze reduzierte Szene rammt den brutalen Grundgedanken des Projektes ungebremst in die Magengrube.

    Zugegeben: Fans des Breitwand-Rocks von Biffy Clyro werden mit Empire State Bastard so wenig anfangen können wie Coldplay-Hörer mit Pupil Slicer. Zwar treten Vennarts und Neils Persönlichkeiten in den Songs hervor, angefangen bei Neils lyrischen Bildern und gelegentlichem, von schottischem Akzent eingefärbten Singsang bis zu Vennarts durchgedrehtem Riffing, dem er sowohl in der Spätphase von Oceansize wie auch auf seinen Soloalben freien Lauf ließ. Dennoch ist der Empire State Bastard ein neuer Typ in der Stadt, gekommen, um zu bleiben – das zweite Album ist in Arbeit – und uns ordentlich die Fresse zu polieren.

    Das steckt drin:

    The Dillinger Escape Plan „One Of Us Is The Killer“ (2013, BMG)

    Auch wenn der mathematische Aspekt der Metalcore-Band für Empire State Bastard keine vordergründige Rolle spielt, ist es die Lust am Affront, der offensichtliche Drang zu maximaler musikalischer Desorientierung, der als Steilvorlage für Vennarts Songs gedient haben mag. Mit ihrer Auflösung 2017 blieb ein Lücke, in die Empire State Bastard durchaus passen könnten.

    Converge „Jane Doe“ (2001, Equal Vision)

    Wenn Neil bei Empire State Bastard ans Mikrofon tritt, channelt er mitunter offensiv Converge-Frontmann Jacob Bannon. Auf ihrem viertem Album hatte die Band ihre unerbittliche Kombination aus komplexem Metal und Grindcore auf die Spitze getrieben. Was heute für Converge als Durchbruch gilt, ist als Matrize für Empire State Bastard gerade gut genug.

    Slayer „South Of Heaven“ (1988, Def Jam)

    Der Nachfolger von „Reign In Blood“ bekam vor allem wegen seiner gewalttätigen Texte Kritik, stellt aber gerade aufgrund seiner Unangepasstheit eines der Alben dar, auf die sich Lombardo, Vennart und Neil einigen können. Nicht zuletzt wird Vennart die Riffs von „South Of Heaven“ als Gitarrenschüler fleißig geübt haben. Auch wenn es nach Sakrileg klingt: Auf „Rivers Of Heresy“ spielt Lombardo besser.