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    Minus
    Halldór Laxness

    VÖ: 19.04.2004 | Label: Epic/Sony
    Text:
    Platte des Monats
    Minus - Halldór Laxness

    Die Noise-Terroristen Minus wagen den Befreiungsschlag und präsentieren „Halldór Laxness“: ein isländisches Wüstenrock-Album.

    Waren die mal härter? Hoffnung keimt auf bei dieser Frage. Denn wenn wilde Jungs anfangen zu experimentieren, passieren manchmal tolle Sachen. Dredg, Cave In, Converge, The Dillinger Escape Plan und einige andere lehrten uns: Schattensprünge bringen neue Impulse, sowohl für das zurückgelassene als auch für das neue Genre. Nun haben Minus mit ihrem dritten Album „Halldór Laxness“ sicher kein Manifest geschaffen wie einst Refused mit „The Shape Of Punk To Come“ – obwohl der Albumtitel als Tribut an den gleichnamigen isländischen Autor und Nobelpreis-Gewinner zumindest davon zeugt, dass sie lesen können. Dennoch setzt sich das Quintett aus Reykjavik zumindest über seine eigenen Grenzen hinweg und schafft dabei etwas äußerst reizvolles: ein isländisches Wüstenrock-Album.

    War ihr letztes Werk „Jesus Christ Bobby“ noch ein Sammelsurium aus beeindruckenden Noise-Industrial-Hardcore-Ausbrüchen im Stile der Blood Brothers, so treibt die Band nun ihr Unwesen in Gefilden, die man als Rockmusik bezeichnet: schwere aber tanzbare Grooves, bei denen die Queens Of The Stone Age grüßen („Flophouse Nightmares“, „The Long Face“) gepaart mit melodiösem Gesang, der nur noch selten, dann aber heftig, in Schreien eskaliert. Das Quintett nun aufgrund dieser naheliegenden Vergleiche in Schubladen zu pressen, wäre allerdings so unsinnig wie Sandwüsten in Island zu suchen. Denn Minus sind nicht von heute auf morgen eine normale Rockband geworden. Ihre Angewohnheit, bis zur Schmerzgrenze Druck zu machen, haben sie klar aus Punk und Hardcore mitgenommen. Und noch mehr ist anders geblieben: der warme, fast matschige, charakterstarke Sound etwa. Oder die kleinen Soundspielereien, Stimmeffekte und abrupten Rhythmuswechsel. Unkonventionelle Arrangements sorgen zudem hier und da für Verwirrung. Und das extravagante Albumende „Last Leaf Upon The Tree“ nimmt mit dem Gesang von Queen Adreenas Katie-Jane Garside gar triphoppige Züge an.

    Das alles zählt, würde aber dennoch ins Leere laufen ohne etwas Essenzielles: die eigene Aura, die eine Band so nötig braucht wie ein Kind einen Namen. Und diese Aura funktioniert bei Minus letztlich wie bei einem Eisberg: Man erfährt mit herrlich druckvollen Nummern wie „My Name Is Cocaine“ und „Who’s Hobo“ bereits etwas gewaltiges, ahnt aber sofort, dass noch mehr dahinter steckt – was auch immer das ist. Esoterisches Geschwafel? Wer weiß: Vielleicht kocht diese Band auch nur mit Wasser. Das aber stammt immerhin aus einer nahezu unversehrten, isländischen Quelle. Minus biedern sich mit diesem Album ganz sicher nicht an. Die Parallelen zu den Queens etwa scheinen eher zufällig bei der Suche nach Ausdruck entstanden. Noch ein Beispiel: Auf dem Cover des Albums befinden sich Fotos von fünf Musikern mit Rockinstrumenten – so etwas gibt es, seit es Platten gibt. Die Anordnung der Bilder aber nicht, geschweige denn die Hintergrundfarbe aus Lackgelb und der damit entstehende Kontext der Musik. Man kann nur wiederholen: Irgendwas ist anders an Minus. Und wenn es nur ihre exotische Herkunft ist. Island jedenfalls hat jetzt eine Rockband.

    weitere Platten

    Jesus Christ Bobby

    VÖ: 01.01.1900