Blackmail
Science Fiction

Endlich, endlich die Platte, bei der ich ‘Indie’ denke, ohne dabei sofort scheißsentimental zu werden. Blackmail, die poppigste und melodischste Band der ‘bluNoise’-Familie, stellt definitiv eine der intelligentesten Lebensformen des Gitarrenrock-Universums dar, und zwar nicht nur auf nationaler Ebene. Natürlich sind auch in ihren Sound die labeleigenen Trademarks unüberhörbar eingepflanzt: die geilen Wall-of-Schrammel-Gitarren, das wuchtige Schlagzeug und dieses gewisse Maß an bewußt gestreuten Querschlägern; grundsätzlich jedoch folgen ihre Songs sehr ausgeklügelten und sinnvollen Strukturen. Kontrapunktiert wird das Ganze durch den tollen, klaren Gesang von Aydo Abay, der ihnen mit etwas Glück zu Punktgewinnen in der musikinteressierten Damenwelt verhelfen könnte. Spannungsaufbau wird bei Blackmail nicht nur gekonnt betrieben, sondern zelebriert, und im Gegensatz zu den meisten ihrer Labelmates verzichten sie auf einen allzu klaustrophobischen Sound, sondern lassen zwischendurch immer genug Luft – draufhauen gerne, totschlagen nein. Und alle Songs weisen, trotz grundsätzlich poppigem Appeal, Tausende von Ideen auf – hier eine schief reingequengelte Trompete, dort eine Melodica oder eine einsame Flöte aus dem Off. Ich wollte das Adjektiv ‘tight’ eigentlich nicht mehr benutzen, hier aber muß ich, denn es hat selten so gut getroffen wie bei Blackmail. Zu viele Bands ihrer Art haben in letzter Zeit den Rückzug in besonnene oder experimentelle Gefilde angetreten und dabei meistens an Druck verloren. Blackmail nicht – wenn man mit Musik machen Energie erzeugen könnte, würde sich der Stromverbrauch in ihrer Heimatstadt Koblenz wahrscheinlich rapide reduzieren. Klug, ohne dabei zu verkopfen oder zu verkrampfen: So hätte ich mir die letzte Notwist gewünscht. Blackmail sind an jeder Stelle dieser Platte gut, manchmal sogar sehr gut. Bleibt nur die Frage offen, ob Sascha Krüger sich jetzt endlich ein ‘bluNoise’-Tattoo stechen läßt…