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    Jets To Brazil
    Four Cornered Night

    VÖ: 28.08.2000 | Label: Jade Tree/Cargo
    Text: Ingo Neumayer
    Platte des Monats

    Große Platten erfordern große Worte:

    Wenn man die US-Indierock-Geschichte parallel zur Beatles-Karriere Revue passieren ließe, wenn Hüsker Dü’s „Zen Arcade“ also „Meet The Beatles“ entspräche, man Pixies’ „Surfer Rosa“ dem „Rubber Soul“-Album gleichsetzte, wenn „You’re Living All Over Me“ die Analogie zu „Revolver“ und „Crooked Rain, Crooked Rain“ mit einem schneeweißen Cover gesegnet wäre, dann, ja dann wäre „Four Cornered Nights“ für mich eine Art Zwitter aus „Sgt. Pepper“ und „Abbey Road“. Auch den Jets To Brazil ist wohl klar, dass ihnen hier etwas ganz großes geglückt ist, eröffnen sie die Platte doch gleich mit einem Pink Floyd-Zitat, das im beschwingten Opener „You’re Having The Time Of My Life“ galant verarbeitet wird. Hall Of Fame, wir kommen. Dass Blake Schwarzenbach ein begnadeter Songwriter ist, hat er schon mit Jawbreaker mehr als angedeutet (wenn auch dort im relativ engen Emo-Rock-Rahmen), doch ein solch famoses Album war nun wirklich nicht zu erwarten – zumal der Jets To Brazil-Erstling zwar mehr als solide, aber keineswegs herausragend war. Mit Schranken, Vorgaben und Erwartungshaltungen haben die Jets To Brazil jedenfalls definitiv keine Verträge mehr, die damals schicke pop-driven Twenage Angst der Vergangenheit ist einem universalen Musikverständnis gewichen, das durch Vielfalt besticht und sich letztendlich als einziger regulierender Variabel dem Song an sich unterordnet. Zum Teil bis auf die Akustikgitarre skelettiert, dann wieder mit perlenden Pianoakkorden, Streichern, Hammond-Orgel und kristallklarem Glockenspiel ornamental geschmückt, schwelgt und badet die Band in herbstlicher Melancholie, zeichnet mal mit der gesamten Farbpalette, dann wieder nur mit der zarten Tuschefeder 13 Songs für Ewigkeit und Insel, die in dramatische und mit großer Geste entworfene Arrangements voller Kraft und in sich ruhender Schönheit gegossen werden, ohne auch nur eine Sekunde lang schwülstig oder mariniert rüberzukommen. Man spürt mit jeder Note die Herzensangelegenheit, die Tiefe und die Echtheit, mit der hier gelitten, gehofft und gedankt wird. Das Ergebnis ist oftmals ruhig und (zumindest mit Blick auf die Vergangenheit der Beteiligten) überraschend unverzerrt, aber niemals auch nur ansatzweise weinerlich oder betroffenheitsselig. Wer es schafft, in einem Song auf einer Rockplatte („All Things Good And Nice“) einen absolut Coolness-Fauxpas, nämlich eine Dankadresse an die Eltern(!), unterzubringen, ohne sich bis auf die Knochen zu blamieren, muss schon einiges auf dem Kasten haben. „Four Cornered Night“ ist einerseits eine sehr amerikanische Platte. „A record“, so Schwarzenbach, „that could only be made in America by dissatisfied Americans“, womit man schnell die Bezüge zu Ikonen wie Cracker, Built to Spill oder Giant Sand herstellen kann, die sich vor allem in Country-Anleihen und besinnlicher Monumentanz äußern. Andererseits soll, darf und muss aber auch neben den Emo-Rockern die Fraktion der Travis-, Manic Street Preachers-, Radiohead-, Ashcroft- oder Caputo-Hörer dieser Platte ein begeistertes Ohr leihen. Gefühle sind schließlich global, und der Shareholder Value des Mitfühlens und der Rührung steigt hier in schwindelerregende und zum Heulen schöne Höhen. Wobei das letzte Bild durchaus wörtlich zu nehmen ist: Ich rede hier nicht von medialen Second-Hand-Emotionen, sondern von echten Tränen, die man sich bei Zeilen wie „if I cried a river just for you / would you swim in it some sunny afternoon?“ verstohlen aus dem Augenwinkel streicht, während man sich innerlich fragt, was zur Hölle eigentlich los mit einem ist. Man hört doch ‘nur’ Musik…

    record“, so Schwarzenbach, „that could only be made in America by dissatisfied Americans“, womit man schnell die Bezüge zu Ikonen wie Cracker, Built to Spill oder Giant Sand herstellen kann, die sich vor allem in Country-Anleihen und besinnlicher Monumentanz äußern. Andererseits soll, darf und muss aber auch neben den Emo-Rockern die Fraktion der Travis-, Radiohead-, Ashcroft- oder Caputo-Hörer dieser Platte ein begeistertes Ohr leihen. Gefühle sind schließlich global, und der Shareholder Value des Mitfühlens und der Rührung steigt hier in schwindelerregende und zum Heulen schöne Höhen. Wobei das letzte Bild durchaus wörtlich zu nehmen ist: Ich rede hier nicht von medialen Second-Hand-Emotionen, sondern von echten Tränen, die man sich bei Zeilen wie „if I cried a river just for you / would you swim in it some sunny afternoon?“ verstohlen aus dem Augenwinkel streicht, während man sich innerlich fragt, was zur Hölle eigentlich los mit einem ist. Man hört doch ‘nur` Musik…

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