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    Shame
    Food For Worms

    VÖ: 24.02.2023 | Label: Dead Oceans/Cargo
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 360
    Schönheit
    Shame - Food For Worms

    Shame erfinden sich zum zweiten Mal neu und reifen von jugendlichen Misanthropen zu fragilen Poeten heran. Auch wenn es einem die Band nicht unbedingt leichter macht, lohnt es sich mitzugehen.

    Dieses Mal lag es aber nicht an Shame selbst, wieder alles einzureißen, was sie sich nach ihrer erfolgsbedingten Identitätskrise mühsam erkämpften: 2018 werden die Londoner mit ihren bohrend kritischen sozialen Beobachtungen und nicht zuletzt ihren grandiosen Auftritten als neue Post-Punk-Sensation gefeiert. Doch nach über einem Jahr des Vollgas-Tourens bekommt Sänger Charlie Steen Panikattacken, alles wird abgesagt, und die Band zieht sich zurück. 2020 folgt das introspektive und deutlich experimentellere „Drunk Tank Pink„. Für ihr drittes Album kommt der Druck jedoch von außen: Ihr Management drängt Shame, in drei Wochen zwei Konzerte komplett mit neuen Songs zu bestücken, die noch während ihrer Festivalauftritte in „Food For Worms“ resultieren sollten: ein widerspenstiges Biest aus Zärtlichkeit und Wir-Gefühl, das mit zugänglichen Momenten und Refrains geizt, aber umso ausgefeilteres Songwriting beinhaltet.

    Das kommt ironischerweise gerade durch den Live-Charakter des von Schwergewicht Flood (Nine Inch Nails, Smashing Pumpkins) produzierten Albums. Auf der Bühne reißt sich Steen meist schon nach wenigen Songs das Hemd vom Leib, um in Kreuz-Pose als verschwitzter Jesus über die Menge getragen zu werden. Nun klingt er im sich langsam erhebenden „All The People“ und „Orchid“ zwischen Akustikgitarren und windschiefen Klaviermelodien so spirituell wie Nick Cave auf „The Boatman’s Call„. Weil sie dabei zuletzt sogar Blumfeld hörten, haben Shame aber schon lange nicht mehr ausschließlich ihr kaputtes Heimatland im Visier, sondern geben sich selbstreferentiell. Es geht um die gewachsenen Beziehungen zwischen den Jugendfreunden, die eigene geistige Gesundheit und Freundschaft an sich.

    Die scheppernde Hymne „Adderall“ taumelt so der Akzeptanz entgegen, dass man manche Menschen nicht heilen kann – und zeigt die größte Teamleistung bislang. Shame singen gemeinsam den krummen Chorus, Steen spielt Bass und Phoebe Bridgers, die im gleichen Studio aufnimmt, hat einen kaum hörbaren Gastauftritt. Trotz aller Andacht: Das herrlich überdrehte „Six-Pack“ pumpt hyperaktiv unter Wah-Wah-Effekten, in „The Fall Of Paul“ steigern sich Shame in Industrial-Noise à la Ditz, wären da nicht die Melodien, und „Different Person“ holt die Afrofunk-Basslines vom Vorgänger in einem fünfminütigen Jazz-Punk-Monster zurück. Wenn jede Version von Shame so vielseitig klingt, können sie sich jederzeit den Würmern zum Fraß vorwerfen.

    Das steckt drin: Blumfeld, Fontaines D.C., Grinderman

    weitere Platten

    Live In The Flesh

    VÖ: 12.06.2021

    Drunk Tank Pink

    VÖ: 15.01.2021

    Songs Of Praise

    VÖ: 12.01.2018