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    Algiers (US)
    Shook

    VÖ: 24.02.2023 | Label: Matador/Beggars/Indigo
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 360
    Platte des Monats
    Algiers (US) - Shook

    ATLiens: Algiers bleiben eine der spannendsten Bands ihrer Zeit. Auf ihrem vierten Album „Shook“ betrachten sie Schwarze Musik wie durch ein Kaleidoskop. Zugleich ist die Platte das Porträt einer Stadt, die politisch und musikalisch zu den einflussreichsten der USA zählt: Atlanta, Georgia.

    Outkast, Killer Mike, T.I. – Atlanta entwickelte sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zu einem der Epizentren des US-HipHop. Trap trat von hier aus seinen weltweiten Siegeszug an. Die größte Stadt in Georgia ist aber auch eine, in der sich der alltägliche Rassismus gegen Afroamerikaner in besonderer Weise manifestiert. In der Geburtsstadt von Martin Luther King tobten deshalb in der Folge des Todes von George Floyd, einem Opfer von Polizeigewalt gegen Afroamerikaner, besonders heftige Proteste.

    Diesen Kontext steckt „Shook“ bereits in den ersten Sekunden des Albums ab, wenn Algiers eine unheimliche Computerstimme vom Bahnhof des Flughafens der Stadt einsetzen. In der Single „I Can’t Stand It“ sampelt Sänger Franklin Fisher hingegen „What You Don’t Want Me To Be“ von Soulsänger Lee Moses, der ebenfalls aus Atlanta stammt. Solche Verweise sind es, die aus „Shook“ eine umfangreiche und tiefgehende Reise durch die Stile und Genres machen. So hört sich der geloopte Beat von „Cleanse Your Guilt Here“ etwa an wie ein Fund aus dem Archiv von J Dilla an, während das punkige „A Good Man“ über die Energie der MC5 verfügt.

    Die Vielschichtigkeit spiegelt auch die Gästeliste des Albums wider. Rage Against The Machines Zack de la Rocha ist der bekannteste Namen darauf, daneben wirken aber auch Future Islands-Frontmann Samuel Herring oder Jae Matthews von Boy Harsher mit sowie zahlreiche weitere. Sie alle bringen ihre Geschichten und Sounds mit ein, weshalb „Shook“ den Eindruck macht, es mit einem besonders liebevoll zusammengestellten, aber auch eklektischen Mixtape zu tun zu haben. Das gilt auch für die Songtexte. Ließ sich auf dem Cover des Vorgängers „There’s No Year“ (2020) noch die Kurzgeschichte nachlesen, die Sänger Fisher im Zuge der Albumproduktion schrieb, so stellen Algiers diesmal alle Texte von „Shook“ ins Netz – und machen dabei auch öffentlich, auf welche Quellen sie sich beziehen.

    Beides verstärkt das Bild, es bei „Shook“ mit einem Kaleidoskop zu tun zu haben, das ausgehende von einem bestimmten Ort die Probleme unserer Welt in den Fokus nimmt. Da eben auch das Soziale politisch ist, passt dazu auch die Geschichte, die Fisher im erwähnten „I Can’t Stand It“ erzählt – der Betrachtung einer Beziehung, die den Sänger beinahe in den Selbstmord getrieben hätte, ihn aber auch mit der Musik von Lee Moses in Berührung brachte.

    Rund um die Produktion von „Shook“ stand die Zukunft von Algiers auf dem Spiel. Statt aber aufzugeben, hat sich das multinationale Quartett für eine Platte zusammengerauft, die sie endgültig zu einer der interessantesten und wichtigsten Bands derzeit macht. Algiers wurzeln in der Rockmusik, sind aber für alles aufgeschlossen und springen durch die Stile wie ein besonders nervöser Finger auf der Shuffle-Taste. Funk, Soul, Noise, HipHop, Avantgarde – Algiers nehmen alles, was sie in die Finger bekommen können und formen daraus etwas, das eindeutig nach ihnen klingt. Ein Kunststück, das nur wirklich großen Bands gelingt.

    Das steckt drin:

    Outkast „Atliens“ (1996, Arista)

    Das zweite Album von Outkast spielt eine entscheidende Rolle, Atlanta auf die HipHop-Landkarte zu setzen. Im Titel unterstreicht das Duo fett, dass sie in ihrem Genre zunächst vor allem als Fremdkörper wahrgenommen wurden, aber auch ihre Außenseiterposition als Afroamerikaner in den besonders rassistisch geprägten Südstaaten der USA. Beides lässt sich auch auf Algiers übertragen.

    Gil Scott-Heron „Pieces Of A Man“ (1971, Flying Dutchman)

    Ähnlich verweisreich und poetisch wie die Texte von Franklin Fisher waren auch die Lyrics von Gil Scott-Heron. Sein „The Revolution Will Not Be Televised“ bekommt auf „Shook“ eine Art Fortsetzung mit dem medienkritischen „Out Of Style Tragedy“, zudem arbeitete auch Scott-Heron an den Schnittstellen von Soul, Funk und – auch wenn man es erst später so nannte – Rap.

    MC5 Kick Out The Jams“ (1969, Elektra)

    Algiers mögen politisch nicht so explizit sein wie die Motor City 5, das Erbe der US-Bürgerrechtsbewegung treibt aber auch Algiers um. In Songs wie „The Good Man“, „Something Wrong“ oder dem Zack-de-la-Rocha-Feature „Irreversible Damage“ entladen Algiers eine ähnlich aufrührerische Energie, wie sie fast ein halbes Jahrhundert früher die MC5 versprüht hat.

    Algiers – „Shook“ (Albumstream)

    weitere Platten

    There Is No Year

    VÖ: 17.01.2020

    1st November 1954

    VÖ: 23.08.2018

    The Underside Of Power

    VÖ: 23.06.2017

    Algiers

    VÖ: 29.05.2015