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    Saitün
    Al' Azif

    VÖ: 28.01.2022 | Label: Mon Petit Canard
    Text:
    Saitün - Al' Azif

    Die Zutaten für Saitüns kleinen Geniestreich aus Psychedelic und Ethno-Rock kann man sich mühsam zwischen Jack White, Sawt Alshabab FM, Devo und den Pop-Charts der 2000er zusammensuchen. Oder man hört „Al‘ Azif“ und hat Spaß.

    Sämtliche Etiketten hätte man den jungen Schweizern abgenommen. Das der vier aus der Hood mit Migrationshintergrund. Die vielen türkischen Hochzeiten, auf denen man als Kind tanzen musste. Oder die Kumpels, mit denen sie nachts in Angeber-BMWs zu laut pumpenden Maqsoum-Rhythmen spazieren fahren. Nichts davon ist wahr und das Quartett aus Basel braucht auch keine Großstadt-Mythen, um ein aufregendes Esperanto für die Tanzfüße der Welt zu erfinden. Saitüns Scharade aus orientalischer Perkussion, übertaktigen Patterns und den sofort im Kleinhirn einrastenden Skalen der türkisch-arabischen Musikkultur täuschen perfekt darüber hinweg, dass hier schlichtweg jemand vom Garage Rock gelangweilt war – und mutig genug für das nächste perfekt funktionierende Mashup. Schnell drängen sich bei Philipp Diaz Freises (Gitarren-)Spiel gegen die Hörkonventionen des westlichen Ohrs Vergleiche zu King Gizzard & The Lizard Wizards „Flying Microtonal Banana“ auf. So mathematisch korrekt wie die Australier rechnen Saitün nicht, was einen guten Teil der Eingängigkeit ihrer Songs erklärt. Wo andere Psychrocker sich am liebsten in zehnminütigen Improvisationen ergehen, folgen Saitün auf ihrem Debüt immer wieder dem roten Faden – Schweizer Aufgeräumtheit, perfekt zwischen Falafel getarnt. „Al‘ Azif“ beginnt genauso selbstverständlich mit einem gedachten Wüstensturm wie all die anderen Postkarten des Nahen Ostens, mit denen die Band ihr Debüt tapeziert. Auch mit minimalistischen Noise-Werkzeugen bringen Saitün hier eine überraschende cineastische Klangwucht zustande. In „Stomach Is A Graveyard“ reichen eine knarzende Bassline und obertonreich daher gelogene Oud-Riffs aus, um mit ganz wenig sehr viel zu erreichen. Saitün zaubern alles auf „Al‘ Azif“ kackfrech aus einer effektbeladenden Stratocaster und einem Fender-Kofferverstärker. In „Show Me What You Got“ schwebt Freise mit näselndem Les Claypool-Sprechgesang über staubtrocken gemixten Drumbeats von Luca Altherr. Immer zur rechten Zeit blättert er dabei weiter in seiner Sound-Enzyklopädie des mittleren Ostens. Ein paar scharfe Riff-Rasiermesser in den Gehörgang und die nächste Single von System Of A Down wäre perfekt. Bitte nicht wundern, wenn „Al‘ Azif“ bald auch den Bauchtanz vor Alternative-Bühnen etabliert und Kritik am Heuschrecken-Kapitalismus so geschickt in den Mainstream hebelt wie seinerzeit Rage Against The Machine.