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    Petrol Girls
    Cut & Stitch

    VÖ: 24.05.2019 | Label: Hassle/Rough Trade
    Text:
    Platte des Monats
    Petrol Girls - Cut & Stitch

    „Manchmal ist verwundbar zu sein genauso radikal, wie wütend zu sein“, schreibt Ren Aldridge im Essay zu „Cut & Stitch“, dem zweiten Album der Petrol Girls. Ihr Ansatz ist tatsächlich effektiver als „Talk Of Violence“.

    Für welche Werte die Post-Hardcore-Band aus England und Österreich steht, hatte sie auf ihrem kämpferischen Debüt unüberhörbar deutlich gemacht. Zweieinhalb Jahre und eine EP später erforscht Sängerin Aldridge, wie Feminismus nicht nur als Haltung, sondern als Philosophie zu begreifen ist, die das ganze Leben prägt. An die Stelle von Statements und Parolen rücken zunehmend Geschichten und Gedanken, manche sehr direkt erzählt, andere poetisch vorgetragen. Umspielt von Post-Hardcore, der nicht der reinen Agitation dient, sondern der auch Momente der Ruhe zulässt.

    In „Intro“ reflektiert Aldridge zu einem tiefen Drone die Kraft der Musik. „Cut & Stitch“ startet mit „The Sound“, ein Schlachtruf, so vertrackt und intensiv wie die besten Refused-Hymnen. Wenn er dramatisch verstummt, folgt gleich die erste Erzählung „Tangle Of Lives“. Hier wird die Erde als missbrauchte Mutter personifiziert, ihr Körper kontrolliert vom Menschen – die Metapher ist klar. „What will it take for us to perceive ourselves beyond the singular?“, fragt Aldridge verzweifelt und geht in der Single „Big Mouth“ mit gutem Beispiel voran. Hier sampeln Petrol Girls die Zeilen „Some people think little girls should be seen and not heard/ But I say up yours!“ von Poly Styrene, Sängerin der frühen britischen Punkband X-Ray Spex. Dazu führt Aldridge in einer Spoken-Word-Passage aus, dass sie hier nur aus ihrer Perspektive als Frau singen kann, der Empowerment-Gedanke aber allen gilt, die sich von patriarchal geprägten sozialen Strukturen eingeschränkt fühlen. Dazu gehören auch Männer.

    Gitarrist Joe York und Schlagzeuger Zock, der sonst bei Astpai singt, leihen vielen Songs ihre Stimme, deutlich mehr als auf dem Vorgänger, und das ist wichtig: In „Talk In Tongues“ etwa singen die beiden vom Machismo und unterdrückten Gefühlen. York gibt oft den sanften, melodischen Gegenpart zu Aldridges Geschrei. Doch wenn sie sich verwundbar zeigt, wird sie leise. Erinnert sie sich in „Skye“ an ihre gleichnamige Hündin und kommt dann auf deren Tod zu sprechen, bricht ihre Stimme, bis Bassistin Liepa Kurait? sie im Duett unterstützt. „Rootless“ ist eine wundervolle Momentaufnahme wie aus einem Tagebuch, von Aldridge gelesen zu einem ruhigen, atmosphärischen Instrumental.

    Auf die emotionale Offenheit folgt noch einmal heftige Hardcore-Katharsis mit „Weather Warning“, ein Selbstsorge-Pep-Talk für Aldridge („This works for me, it might not for you“). Doch man hört: Wut allein treibt Petrol Girls nicht mehr an. „Cut & Stitch“ lebt von der Erkenntnis, dass gesellschaftliche Veränderung schleichend geschieht und die Wirkung des eigenen Handelns kaum messbar ist. Dass es trotzdem gilt, Leid kenntlich zu machen und offene Wunden zu versorgen. Deshalb sind die mehrdeutigen letzten Zeilen des Closers „Naive“ so schwerwiegend: „We’re not finished. We never fucking will be“.

    weitere Platten

    Baby

    VÖ: 24.06.2022

    The Future Is Dark (EP)

    VÖ: 14.09.2018

    Talk Of Violence

    VÖ: 18.11.2016

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    VÖ: 19.02.2016