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    Kettcar
    Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)

    VÖ: 15.03.2019 | Label: Grand Hotel van Cleef/The Orchard/Indigo
    Text:
    Kettcar - Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)

    Kettcars fünftes Album „Ich vs. Wir“ hatte 2017 die politische Großwetterlage Deutschlands scharf gestellt, ihre neue EP nimmt nun den Einzelnen in den Blick.

    Die fünf neuen Songs seien keine Überbleibsel; umso mehr durfte man hoffen, dass Kettcar für ihren Indierock nochmal jenen Punk-Grimm wiederentdecken, der auf ihrem dritten Album „Sylt“ (2008) die düsteren Texte unterstrichen hatte. Die Realität aber ist mit „Natürlich für alle“ ein indiepoppiger Dancefloor-Track, den es so gut geschmiert bei den Hamburgern noch nicht gab. Objektiv betrachtet scheppert es in der Hälfte der Songs von „Der süße Duft…“ auch mal leicht, subjektiv bleibt das Gefühl, dass Kettcar und softer Pop zunehmend zusammenwachsen. Das lässt den kritischen Texten manchmal eine seltsame Biedermeier-Gefühligkeit angedeihen – auch wegen des veränderten Blickwinkels: Statt um den Rechtsruck der Gesellschaft geht es um das Individuum im Kapitalismus, das zwischen neuem Iphone, Bio-Supermarkt, Selbstoptimierung und Anti-Nazi-Konzert nach einem „richtigen Leben im Falschen“ sucht. Die Digitalisierungsverlierer-Hymne „Palo Alto“ aber klingt zu versöhnlich für den im Text angedeuteten Aufstand, „Notiz an mich selbst“ kann seine Selbstzweifel nicht in Aufbruch übersetzen – der düstere Unterton aus den Sprechpassagen beider Songs ergreift folgerichtig nie Besitz von der Musik. Am mitreißendsten versammelt noch „Scheine in den Graben“ seine vielen Gastsänger selbstironisch im Charity-Single-Stil hinter Kritik am moralischen Ablasshandel Wohltätigkeit. Insgesamt aber verlässt sich „Der süße Duft…“ zu sehr auf die richtigen Fragen, während Kettcar sich musikalisch in ihrer Nische einrichten. Diese Band wollte schon mal mehr.

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