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Kommentar: "Eine Frauenquote auf Festivals ist nur konsequent"

Kommentar: „Eine Frauenquote auf Festivals ist nur konsequent“
Ist eine Quote für weibliche Künstler bei Festivals sinnvoll? Ja, schreibt VISIONS-Redakteur Dennis Drögemüller. Denn die ist nicht nur gerecht – sie beschleunigt einen längst überfälligen Wandel, von dem am Ende die ganze Musikszene profitiert.

45 Festivals haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2022 zu 50 Prozent Frauen bei sich auftreten zu lassen – und das ist nur konsequent. Schließlich stellen Frauen grob die Hälfte der Bevölkerung und damit 50 Prozent des musikalischen Talents. Es geht also nicht darum, ihnen per Quote unrechtmäßig etwas zuzuschanzen, sondern ihnen im Gegenteil den Anteil an der Musikwelt zu gewähren, der ihnen statistisch längst zugestanden hätte.

Dass er ihnen bislang verwehrt geblieben ist, liegt unter anderem an der männlichen Dominanz in der Branche. Meist sind es auch hier noch Männer, die beeinflussen, wer eine Chance erhält. Und selbst die fortschrittlichsten Manager, Booker oder Journalisten bevorzugen unbewusst oft das, was ihnen nahe ist (weshalb etwa auch schwarze Menschen unterrepräsentiert sind). Qualität setzt sich zwar immer wieder gegen die Widrigkeiten des Systems durch. Aus diesen erfreulichen Ausnahmen darf man aber nicht den vielen übergangenen Künstlerinnen chauvinistisch einen Strick drehen.

Gleichzeitig ist das wohl häufigste Argument gegen eine Quote, es gebe schlicht nicht genügend gute weiblich geprägte Acts – eine Schutzbehauptung. Schließlich gelingt es längst nicht nur dem Roskilde Festival in letzter Zeit immer besser, Frauen in ausreichender Zahl und bis hoch zu den Headlinern ins Line-up zu heben. Zwar mag es Newcomer-Events wie dem Reeperbahn Festival leichter fallen, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erzielen, als manchem Festival im Metal, Stoner Rock oder Reggae. Mit Acts wie Hole, Björk, Arch Enemy, Against Me!, Florence + The Machine, PJ Harvey, Acid King, Portishead, Lady G, Blood Red Shoes, War On Women und vielen, vielen mehr ist aber schon jetzt überall weit mehr weibliche Zugkraft und Potenz vorhanden, als viele Line-ups einem weismachen wollen. Wer das nicht sieht oder sehen will, steckt in seinen Gewohnheiten fest – oder stellt ohne Not finanzielles Kalkül vor künstlerische Vielfalt.

Wer wiederum argumentiert, Musikerinnen müssten organisch von unten in die Szene wachsen und könnten nicht von oben „verordnet“ werden, hat nur zur Hälfte Recht: Je mehr Frauen heute als Identifikationsfiguren auf der Bühne stehen, desto mehr inspirieren sie die weiblichen Generationen von morgen dazu, selbst zu Gitarre, Mikro oder Drumsticks zu greifen. Auch die talentiertesten Männer können Frauen ihre Möglichkeiten nicht so plastisch vorleben.

Das Entscheidende: Niemand verliert etwas. Die Nachfrage wird populäre Acts wie die Foo Fighters, Metallica, Muse oder die Beatsteaks auch weiterhin in den Line-ups halten. Und wenn manches große Festival demnächst freiwillig mehr Frauen unter seinen mehr als 100 Bands platziert, wird niemand gezwungen sein, diese auch nur zur Kenntnis zu nehmen; mehr als Toleranz ist nicht nötig. Ein selbstauferlegtes Quotenziel weniger Veranstalter ist also kein verlustreicher Umsturz, sondern nur ein kleiner, gut auszuhaltender Schritt. Auf dem Weg in eine Musikszene, in der am Ende wirklich nur die Musik zählt, und nicht das Geschlecht.