Title Fight – „Hyperview“
Wo es bei Funeral For A Friend in der vergangenen Woche an dieser Stelle „Adieu, Screamo“ hieß, heißt es bei Title Fight nun „Adieu, Posthardcore.“ Denn anstatt nach vorne zu preschen und sich alles von der Seele zu schreien, hat sich das Quartett aus Pennsylvania auf „Hyperview“ den Klangflächen und Gitarrensphären des Shoegaze zugewandt. Zwar gibt es immer noch mitreißende, feurige Momente und ganz haben sie das Schreien nicht aufgegeben – doch mit „Hyperview“ schalten Title Fight einen Gang runter und erfinden ihren Sound nach der Hinwendung zum Grunge mit dem Vorgänger „Floral Green“ wieder ein Stück neu.
Album-Stream: Title Fight – „Hyperview“
Callisto – „Secret Youth“
Sechs Jahre haben sich Callisto für „Secret Youth“ Zeit gelassen, sich dabei selbst gefunden und nebenbei ihr bisher bestes Album aufgenommen. Nie klang der majestätische Postmetal der Finnen kohärenter und spannender als auf Tracks wie „Backbone“ oder „Pale Pretender“, die trotz ständiger Eruptionen merkwürdig in sich ruhen. Musikalisch bleibt das Septett angenehm durchsichtig und widersteht der Versuchung, seine Songs unter meterhohen Gitarrenwänden zu begraben. In durchschnittlich sechs Minuten Spielzeit pro Song verweben Callisto vielmehr ausufernde Instrumentalpassagen mit dramatischem, aber nie theatralischem Gesang zu Mid-Tempo-Hymnen von eindringlicher Schönheit.
Stream: Callisto – „Backbone“
Two Gallants – „We Are Undone“
Folk und Blues sind so alt, dass sich die Frage, ob sie je aus der Mode kommen, nicht mehr stellt. Die Kunst besteht darin, den ollen Kamellen und Strukturen noch frische Ansätze und gute Songs zu entlocken. Hier kommen Two Gallants ins Spiel, die auf „We Are Undone“ den Traditionalisten-Baukasten plündern und basteln, worauf sie Lust haben: Roots-Punk-Hymnen wie „Fools Like Us“ mit knurrigen Gitarren und ordentlich Druck auf der Trommel. Niedliche Lennon/McCartney-Perlen wie „Katy Kruelly“. Die schaurig-schöne Klavier-Elegie „Invitation To The Funeral“. Erlaubt ist, was gefällt – und weil das Duo dabei eine angenehm nostalgische Wärme verströmt, die trotzdem nicht nach muffigem altem Sessel riecht, ist das eine ganze Menge.
Stream: Two Gallants – „We Are Undone“
Deichkind – „Niveau Weshalb Warum“
Seit ihrer Wiedergeburt als anarchistisches Elektro-Kollektiv haben sich Deichkind kontinuierlich zu einem polarisierenden Gesamtkunstwerk entwickelt. Der eine findet ihre Musik herrlich bescheuert, der andere feiert sie für ihre Gesellschaftskritik. Beide Parteien kriegen auf „Niveau Weshalb Warum“ neues Futter. Über 80er-Trash und dicken Elektro-Beats nehmen Deichkind dieses Mal unter anderem Probleme der ersten Welt, Soziophobie, Werbe-Claims und den Mitteilungsdrang des digitalen Zeitalters aufs Korn. Natürlich gibt es neben diesen satirischen Einschüben jede Menge Platz für Blödeleien und dumme Sprüche. Deichkind bleiben also mit „Niveau Weshalb Warum“ der auf den vergangenen Alben entwickelten Erfolgsformel treu und bleiben damit eine Lieb-es-oder-hass-es-Angelegenheit.
Video: Deichkind – „Denken Sie groß“
Unsere aktuelle Platte der Woche, „The Great News“ von John Coffey und alle weiteren wichtigen Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.