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Lieblingssongs 2022: Dennis Drögemüller

Lieblingssongs 2022: Dennis Drögemüller
Die VISIONS-Redaktion blickt zurück auf das Musikjahr 2022. Dieses Mal: Die 10 Lieblingssongs von Redakteur Dennis Drögemüller.

Fünf von zehn Top-Songs aus Deutschland, und fast alle mit dezidiert politischem Inhalt – das hatte ich auch länger nicht mehr. Aber wenn’s halt alles so gut gelungen ist: Da sind zunächst Muff Potter, die mit „Nottbeck City Limits“ eine faszinierende, mitreißende Form für ihre Anti-Fleischindustrie-Poesie gefunden haben. Langsam steigert sich das Sprechstück auf seinem Post-Punk-Soundbett, bis Ekel und Abscheu vor dem Umgang mit Mensch und Tier immer deutlicher hervortreten. Bei Die Nerven spricht schon der Songtitel „Ich sterbe jeden Tag in Deutschland“ Bände über das Unwohlsein, in dieser Gesellschaft zu leben, Turbostaat machen genau dieses Unwohlsein anhand der riesigen Bismarck-Statue in Hamburg konkret, indem sie zum packenden Punkrock-Drive Nationalismus, Militarismus und Heldenverehrung geißeln.

Fjørt-Bassist David Frings wiederum formuliert in „Kolt“ eine gnadenlose Selbstbezichtigung, stellvertretend für all jene, die ebenfalls in Wohlstand und Sorglosigkeit aufgewachsen sind und auf die Krisen unserer Zeit mit Parolen, aber Untätigkeit reagieren. „Ich tue gar nichts/ Weil es gemu?tlich ist hier bei uns/ Tue gar nichts/ Und bin gnadenlos informiert/ Fick dich/ David“ heißt es da schonungslos. Und Tocotronic? Die haben nun kein politisches Anliegen, in „Ich hasse es hier“ geht es stattdessen um eine zerbrochene Beziehung, die man auch mit „aufgepeppter“ Tiefkühlpizza nicht vergessen wird. Smart getextet, vor allem aber auch ein höllischer, gutartiger Ohrwurm.

Die internationalen Bands sind bei mir dann eher für die Unterhaltung zuständig. Wenn man denn von einem manischen, sich immer bedrohlicher aufbauenden Song wie „Noah“ von Birds In Row unterhalten wird. „You should have taken the money/ Should have taken the money, you fool!“ – dazu kann man einen Knüppel streicheln und/oder vom Ende des Kapitalismus träumen. Hört man übrigens am besten im Duo mit dem auf dem Album folgenden, brodelnden „Cathedrals“.

Der Rest ist Amüsement, egal, ob Ghost sich bei Alice Cooper und Foreigner bedienen, Viagra Boys sowas wie Höhlenrock spielen oder Meat Wave mich schon mit ihrem irren Drive und der Zeile „It’s been ten thousand days/ Since the hex“ komplett in ihren Bann ziehen.

Zum Schluss muss hier aber noch ein Lob raus für Cave In: Mir hat noch nie ein Album der Band komplett richtig gut gefallen, oft zu heterogen für mich, oft auch nicht mein Ton oder mein Stil. Aber immer mal wieder schreibt die Band einen Song wie „Reckoning“, der von solch hoher Musikalität zeugt, dass man nur Staunen kann. Das Ausatmen zum Einstieg stößt gleich die Tür zu einer ganzen Welt auf!

Playlist: Die 10 Songs des Jahres von Dennis Drögemüller