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Kommentar: "In der Corona-Krise kann die Musikszene Solidarität beweisen"

Kommentar: „In der Corona-Krise kann die Musikszene Solidarität beweisen“
Nach unzähligen Konzertabsagen wegen der Coronavirus-Pandemie steuert auch die Musikszene in eine Krise. Fans sollten Musiker und Musikarbeiter nun solidarisch unterstützen, „damit die vielfältige und kreative Szene bestehen bleibt, die uns jene Konzertmomente beschert, von denen wir noch Jahre später erzählen“, so VISIONS-Redakteur Dennis Drögemüller.
Getty Images

Das Coronavirus wird auch für die Musikwelt zu einer gewaltigen Bewährungsprobe. In der zweiten Märzwoche hofften viele Musiker, Fans und Branchenarbeiter noch, dass kleinere Einschränkungen reichen würden: keine Konzerte mit mehr als 1.000 Personen, ein paar sicherheitshalber abgesagte Shows, Festivals und Konferenzen wie das SXSW, dann könnte der Live-Betrieb vielleicht auf kleinerer Flamme einfach weiterlaufen. Eine Woche später haben sich sämtliche Hoffnungen zerschlagen: Mittlerweile ist fast jedes für die kommenden Wochen angesetzte Konzert in den deutschsprachigen Ländern (und nicht nur da) abgesagt oder verschoben, im ganzen Land schließen Bars, Clubs und Konzerthallen – das Virus bringt den Kulturbetrieb fast vollständig zum Erliegen.

Das ist bitter, aber notwendig, und es bietet der Musikszene sogar eine große Chance: In einer kapitalistischen Ellenbogen-Gesellschaft können wir nun Solidarität beweisen. Nicht nur mit anfälligen Menschen, deren Gesundheit wir riskieren würden, wenn wir jetzt trotzig aufs nächste heimliche Keller-Konzert und dann am nächsten Tag zu Oma zum Kaffee gehen, statt eine Weile auf Auftritte zu verzichten. Sondern auch mit all jenen, für die reihenweise ausgefallene Shows nicht nur entgangenen Spaß bedeuten, sondern eine sehr reale Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz: Musiker, Mercher, Roadies, Ton- und Lichttechniker, (Tour-)Manager, Booker – alle, die regelmäßig unseren Konzertbetrieb auf die Beine stellen und oft keine andere Einnahmequelle haben, könnten über Monate hinweg fast ohne Einkommen dastehen. Ebenso all jene, die indirekt von Veranstaltungen abhängig sind: Fotografen und Promotern fehlen die Aufträge, Clubs können Miete und Personalkosten nicht mehr begleichen, Medien brechen Anzeigen weg. Und da Touren heute oft eng an eine Albumveröffentlichung gekoppelt sind und schon die ersten Platten verschoben wurden, trifft die Krise selbst Presswerke oder Plattenfirmen, und eben nicht nur die großen Majors mit massig Kapital.

Bis klar ist, wie lange das Virus die Musikszene noch im Würgegriff hat und mit welcher Unterstützung Musiker und Musikarbeiter seitens der Politik wirklich rechnen können, sollten Fans so viel helfen, wie es ihre Möglichkeiten zulassen. Also etwa: Merchandise und Musik von ihren Lieblingskünstlern kaufen, deren Songs und Videos streamen, Tickets unabhängig von Nachholterminen nicht zurückgeben und notfalls als Spende an den Künstler und sein Team begreifen*. Oder direkt Geld spenden (erste Künstler posten bereits entsprechende Links, während sie von zu Hause Konzerte streamen), Releases schon jetzt vorbestellen, Petitionen zur Unterstützung der Musikszene unterzeichnen. Alles letztlich im eigenen Interesse – damit die vielfältige und kreative Szene bestehen bleibt, die uns jene Konzertmomente beschert, von denen wir noch Jahre später erzählen.

Im Moshpit gilt die Regel: Wenn jemand stürzt, zieht man ihn wieder hoch. Helfen wir unserer Szene im Coronavirus-Pit wieder auf die Füße.

* Ob und wie viel Geld beim Künstler und den weiteren betroffenen Berufsgruppen ankommt, wenn man Tickets nicht zurückgibt, ist schwer pauschal zu beantworten – es hängt von vielen Faktoren ab: Wurde das Ticket direkt beim Künstler gekauft, bei Venue oder Label, bei einem großen Ticketkonzern? Ist das Konzert abgesagt oder nur verschoben? Was genau steht in den Verträgen (bekommen die Künstler etwa – wie oft üblich – eine garantierte Summe?)? Tendenz: Bei Künstlern, die ihre Tickets selbst verkaufen oder mit kleineren, unabhängigen Partnern arbeiten, ist die Chance größer, dass das Geld wirklich bei ihnen und ihrem Netzwerk landet; sind große Konzerne beteiligt, ist das nicht ganz so wahrscheinlich. In vielen Fällen dürften vor allem der jeweilige Veranstalter sowie Vorverkaufsstellen entlastet werden, wenn man sein Ticket nicht zurückgibt. Wer auf Nummer sicher gehen will, behält Tickets nur, wenn Künstler, Label etc. das selbst als hilfreich benannt haben und holt sich ansonsten sein Geld wieder, um es über Merch und Musik wieder in den Künstler zu investieren – allerdings mit der Konsequenz, dass dann etwa Booker, Tourmanager, Tontechniker etc. eher leer ausgehen, wenn der Künstler sie nicht unterstützt.