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Festival-Bericht: NOS Alive 2019

Festival-Bericht: NOS Alive 2019
Das NOS Alive hat in diesem Jahr nicht nur mit einem fantastischen Line-up von The Cure bis Gossip und der Traumlage an der portugiesischen Küste nahe Lissabon überzeugt, sondern vor allem mit der Kunst, einem Groß-Event ein gemütliches Flair zu verpassen – mit viel Liebe zum Detail, einer winzigen Newcomer-Bühne und der ersten Tribüne für schwangere Besucherinnen.
Hugo Macedo

The Cure-Frontmann Robert Smith fehlen die Worte – das wirre Haar klebt ihm an der Stirn, das schwarze Hemd am Rücken und unter dem verlaufenen Make-up strahlt ein etwas ungläubiges Grinsen, als wäre er gerade aus einem sehr schönen Traum erwacht. Er hat sich diesen Moment erschöpfter Glückseligkeit in den vergangenen zweieinhalb Stunden – am Donnerstag, dem ersten Festivaltag des NOS Alive – hart erarbeitet. Hinter ihm glitzert links am Algés Beach das Wasser des Flusses Tejo, der einige Kilometer weiter ins Meer mündet, rechts erheben sich die Häuser der im Großraum Lissabon und der Gemeinde Oeiras gelegenen Kleinstadt Algés.

NOS_Alive_The Cure
Foto: Arlindo Camacho

Der Großteil der 150.000 Besucher, die innerhalb der drei Tage das NOS Alive besuchen, stammt aus Portugal, schätzungsweise ein Viertel des Festivalpublikums jedoch verbindet den Besuch mit einem Kurzurlaub und Ausflügen ins nahegelegene Lissabon. Da keine Band vor 17 Uhr spielt und die meisten Besucher entspannt erst gegen 20 Uhr ihren Festivaltag beginnen, lässt sich beides vereinen. Einen Campingplatz sucht man direkt am Gelände vergebens, nahegelegene Camping-Resorts bieten für Festivalbesucher allerdings vergünstigte Tickets ab 19 Euro für drei Tage an.

Entlang der Clubbing-Stage oder der an einem parallelen Weg gelegenen Palco Comédia, der immer gut besuchten Comedy-Bühne, die neben portugiesischen Comedians auch einen englischen Act im Programm hat, erreicht man über einen Teppich aus Kunstrasen gegen den Staub, die Zeltbühne Palco Sagres. Hier hat am frühen Donnerstagabend Singer/Songwriterin Sharon Van Etten bei einer Außentemperatur von 34 Grad mit der buchstäblich aufgeheizten Atmosphäre zu kämpfen. Zwei Tage später finden sich dort bei angenehmeren Temperaturen um 25 Grad Idles ein, zumindest teilweise: Während man Sänger Joe Talbot die Festival-Shows der letzten Wochen deutlich ansehen kann, tummeln sich die Gitarristen Mark Bowen und Lee Kierman statt auf der Bühne lieber direkt in der Menge davor. Die ungefilterte Nähe, die Idles mit ihren Fans teilen, unterstreicht Talbot mit den Worten „If you share your problems with other people, it may safe your life.“

NOS-Alive_Idles
Foto: Joao Silva

Radiohead-Frontmann Thom Yorke wird an gleicher Stelle, später am Samstagabend, euphorisch von all jenen gefeiert, die nicht bei den Smashing Pumpkins an der Hauptbühne stehen. Einen Moment lang trägt der Wind die Akkorde von „Disarm“ zu Yorkes Beats ins Zelt und die unfreiwillige Soundmischung klingt beinahe surreal harmonisch. Verhaltene bis stirnrunzelnde Reaktionen erntet am Freitag zuvor hingegen der Auftritt von Greta Van Fleet auf der Palco NOS. Die Songs verhallen in ihrer Substanzlosigkeit und werden lediglich von einigen Hardcore-Fans in den ersten Reihen bejubelt. Die Soli sind ermüdend lang und wollen zu krampfhaft den Geist des Classic Rock beschwören. Was beim ersten Anschauen und in kleineren Clubs vor einem Jahr noch einen gewissen Charme versprühte, wirkt auf der mächtigen Hauptbühne des Festivals uninspiriert und verloren.

Mit jeder Menge Spaß bei der Sache ist einige Stunden später Beth Ditto, die den Auftritt mit Gossip sichtlich genießt und sich, wie die meisten der internationalen Künstler, für ihre fehlenden Portugiesisch-Kenntnisse entschuldigt, dann aber unkonventionell den Kameramann auf der Bühne als Instant-Übersetzer nutzt. Dass der Bereich vor der Palco NOS nur zu zwei Dritteln gefüllt scheint, ist dem Umstand der keilförmig zur Bühne verlaufenden Wege geschuldet, die hinten in der Mitte Platz für die Tanzwütigen lassen.

NOS_Alive_Gossip
Foto: Arlindo Camacho

Wer sich dem Getümmel gänzlich entziehen will, hat unter anderem die Möglichkeit, die Newcomerbühne zu besuchen, die gerade so Platz für einmal Standard-Equipment und eine kleine bis mittelgroße Band bietet – und für die ein oder andere lokale, musikalische Entdeckung. Dieser Bereich des Festivals wirkt mit angrenzenden Kickertischen, Dancebattle-Ständen und anderen Vergnügungsattraktionen, die einen gewissen 80er-Jahre-Charme versprühen, wie ein separates, gemütliches Indie-Festival inmitten des NOS-Alive. Trotz der Größe des Festivals ist man auch in anderen Bereichen um Komfort bemüht: Für schwangere Festivalbesucherinnen gibt es beispielsweise eine eigene Tribüne, auf der Decken und Obst bereitliegen, mit Blick auf die Haupbühne und jenseits des Gedränges.

Wenn Robert Smith nach dem Konzert von The Cure also den leicht entrückten Blick von der beeindruckend beleuchteten, weißen Hauptbühne über Publikum und Gelände schweifen lässt, spiegelt er damit eine gemeinschaftliche Zufriedenheit, die an allen drei Tagen des NOS-Alive spürbar in der Luft liegt.