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Kommentar: Refused Sell-out vorzuwerfen ist unfair und pubertär

Kommentar: Refused Sell-out vorzuwerfen ist unfair und pubertär
Kaum eine Reunion wird so kritisch betrachtet wie die der kapitalismuskritischen Hardcore-Innovateure Refused, immer wieder muss die Band sich Kritik wegen ihres neuen Albums oder Auftritten bei Festivals mit Sponsoren stellen. Dabei sind diese Vorwürfe unfair und pubertär, kommentiert VISONS-Redakteur Dennis Drögemüller.

Man muss Dennis Lyxzén für seine Engelsgeduld bewundern. Seit einigen Jahren beantwortet der Refused-Frontmann die immer gleichen Fragen danach, wie sich die finanziell angeblich lukrative Reunion seiner Hardcore-Band mit deren kapitalismuskritischer Haltung verträgt. Und gefragt wird er ständig, schließlich gelten Refused Kritikern seit ihrer Live-Reunion 2012 als Prototypen jener Punk-Verräter, die im gesetzten Alter auf Kunst und Überzeugung scheißen und sich nochmal die Taschen vollmachen.

Dabei ist diese Kritik nicht nur zutiefst unfair – sie ist auch kindisch und realitätsfremd. Unfair, weil immer Refused im Zentrum stehen, wo es so viel mehr Beispiele gäbe: Auch andere Weltretter-Bands wie Rise Against verdienen mit ihren großen Hallenshows gutes Geld, nur dass Tim McIlrath über Mobbing-Opfer und sexuelle Diskriminierung singt, während Lyxzén vor 17 Jahren verbal ein Hühnchen mit dem Kapitalismus gerupft hat. Auch Anti-Flag gehen auf jedes von Konzernen gesponsorte Großfestival, um ihre kapitalismuskritischen, Majorlabel-verlegten Hymnen unter das Punkrock-Volk zu bringen. Und auch andere Reunions lohnen sich für die Beteiligten, nur das etwa Faith No More sich – unter ähnlichen Vorzeichen und bei vergleichbar motivierter Live-Performance wie Refused – heute selten Sell-out-Vorwürfe anhören müssen.

Natürlich kann man die Frage stellen, ob Musiker, die den Kapitalismus so explizit kritisiert haben wie Refused, über Festivalgagen oder Albumverträge von ihm profitieren sollten. Nur muss diese Kritik maßvoll bleiben; einem Lyxzén, der neben Refused mit Bands wie AC4 oder INVSN auch vor 50 Leuten immer alles gegeben hat, die Leidenschaft an seiner Musik abzusprechen, ist absurd. Und: Wer von Refused verlangt, kompromisslos und damit zwangsläufig im kleinen Szenekreis ihre Überzeugung zu leben, bedient nur seine pubertäre Sehnsucht nach einem richtigen Leben im falschen, nach einer klar in Schwarz und Weiß getrennten Welt.

Wer das Grau dazwischen anerkennt, kann feststellen: Wenn Refused nach neuem Album und Tour wieder ein Jahr lang nicht über Miete und Essen nachdenken müssen, trifft es wahrlich nicht die Falschen – die Band gehört nicht zu den Ausbeutern, sondern den Selbstausbeutern, und erntet heute nur, was sie 1998 für ihr Meisterwerk „The Shape Of Punk To Come“ längst verdient gehabt hätte.

Dass sie darauf als 25-Jährige ein System gescholten haben, dass ihnen heute als 40-Jährigen vielleicht noch ein Stück von der Rente sichert, ist ironisch, aber noch kein Verrat. Sondern der Weg einer gereiften Band, die immer das Unmögliche formuliert hat, um das Mögliche zu erreichen – selbst wenn das an ihrem Denkmal kratzt. Denn eine Welt, in der Refused ihre kritischen Botschaften auf von Auto- und Getränkeherstellern gesponsorten Festivalbühnen einem möglichst großen Publikum vorstellen, ist immer noch eine bessere, als eine, in der diese Botschaften gar nicht zu hören sind.

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