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Sziget – Turbostaat ein Jugendtraum

Sziget – Turbostaat ein Jugendtraum
Das Sziget-Programm bleibt bunt und unberechenbar. Zwischen Musik aus Ungarn, Amerika, England, Schweden und dem Rest der Welt sind mit den Söhnen Mannheims, LaBrassBanda und Turbostaat auch drei deutsche Bands dabei. Für eine davon erfüllt sich damit ein lang gehegter Wunsch.

Es klingt immer nach sympathischem Understatement, wenn eine Band vor ihrem Auftritt hofft, ‚dass überhaupt ein paar Leute kommen‘, aber jetzt gerade wirkt selbst das noch mutig hoch gegriffen. Eine Bühne weiter spielen die Deftones gerade zuende, woanders stehen The Prodigy bereit und im riesigen A38-WAN2-Zelt hat sich bisher nicht mehr als eine Handvoll Leute zwischen einer gefühlten halben Million zertretener Plastikbecher versammelt und guckt sich gegenseitig unschlüssig an. Noch fünf Minuten bis Turbostaat, das sieht zu Hause irgendwie immer anders aus.

Ein paar Stunden vorher sitzen Sänger Jan Windmeier und Gitarrist Marten Ebsen im Tourbus, der sich eben erst seinen Weg über holprige ungarische Autobahnen aufs Gelände gebahnt hat, und beugen sich über den Plan. ‚Habt ihr dieses Holzding gesehen? Das war super.‘ Marten ist schon Fan, dabei haben die beiden bisher nur eine erste kleine Runde um den Platz geschafft. Viel mehr wird auch später nicht mehr drin sein, gerade kommt die Band aus Cottbus, im Anschluss an den Auftritt geht es direkt weiter zum nächsten Festival nach Tarmstedt bei Bremen. ‚Wir gucken trotzdem durchs Programm, was wir uns so hätten angucken können‘, sagt Marten. ‚Auch wenn uns hier die meisten Bands gar nichts sagen. Aber wir sind vorhin schon am Roma-Zelt vorbeigelaufen, das war herzzerreißend, mit Flügel und Geige und allem.‘

Wie ausgerechnet Turbostaat aus Flensburg auf einem der größten Festivals überhaupt in Ungarn gelandet sind, wissen sie selbst nicht so richtig. ‚Aber ich bin in die Luft gesprungen, als ich das gehört habe‘, sagt Jan. ‚Mein Mitbewohner hat immer dermaßen geschwärmt von diesem Festival und ich wollte immer schon mal hin. Dann wurde es aber mit Turbostaat immer mehr, so dass wir im Sommer immer selbst auf Festivals gespielt haben und keine Zeit mehr hatten, als Zuschauer irgendwo hin zu fahren. Da hat es super gepasst, dass wir uns jetzt diesen Jugendtraum erfüllen können und sogar selbst Teil des Programms sind.‘ Trotz langer Busfahrt hin, langer Busfahrt zurück und der Aussicht auf kaum eine Aussicht, außer der von der Bühne ist die Band gut drauf und aufgeregt. Was sie von ihrem Auftritt erwarten? ‚Keine Ahnung, wir haben sowas noch nie gemacht.‘

Um zehn vor zehn ist es immer noch gruselig leer vor der Turbostaat-Bühne. Das hätte man auch wissen können, eine deutsche Band mit deutschen Texten, die schon in Deutschland nur die Besten verstehen, und das deutsche Festivalpublikum liegt am Freitag Abend sowieso längst gesammelt im Hippiezelt und hat alles vergessen, was es je supporten wollte. Tut uns leid, Turbostaat. Immerhin, die Band gibt sich tapfer und trotz allem alles, legt auf der Bühne los, als wäre sie Headliner und The Prodigy eine harmlose Randnotiz – und das Zelt füllt sich. Wo die erste Reihe eben noch genug Lücken hatte, um mehrere ungarische Folktruppen einzubasteln, wird es jetzt clubvoll und gut gelaunt. Menschen mit Turbostaat-T-Shirts halten Menschen mit deutschen Festivalshirts am Arm, der Sound ist super, die Bühnen-Projektion sitzt, die ersten fünf Reihen sind auf den Punkt textsicher. Und Jan freut sich. Vorhin ist ihm auf die Frage, ob er sich auf einen internationalen Auftritt wie diesen speziell vorbereite, nichts eingefallen, jetzt liest er einen Satz Ungarisch vom Zettel ab, guckt dann hoch in fragende Gesichter und lacht. ‚Ihr seid eh alles Deutsche hier, oder?‘

Das Publikum lacht zurück. Nicht nur, dass man sich hier fühlen kann wie die allerschlausten Insider des Abends (macht's gut, Leute vor den Hauptbühnen) und am Ende eine kleine Angebergeschichte für den nächsten Konzertberichtetausch hat – es ist außerdem richtig toll. Die Band ist gut gelaunt, spielt sich gegenseitig an und grinst ins Publikum, Jan tanzt mit dem Mikro über die Bühne und singt jeden einmal einzeln an. Natürlich spielen sie die Hits, den ‚Harm Rochel‘, den ‚Vormann Leiss‘, aber tatsächlich ist – wenn schon Ungarn, dann auch romantisches Klischee – jeder Song ein Hit. Der Rhythmus sitzt, die Soli machen Spaß, das Zelt steht ihnen gut. Natürlich gibt es mehr Zugaben als erwartet, natürlich geht niemand, bevor es sein muss. ‚Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer hier auf uns wartet‘, hat Jan vorhin noch gesagt. So viel sympathisches Understatement.

Interview & Fotos: Britta Helm & Matthias Möde


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