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Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks

Es beginnt in der Umkleidekabine. William Jan Berry und Dean Ormsby Torrence sind zwei schrankig gebaute Teenager aus Los Angeles, die Mitte der 50er Jahre zusammen im Football-Team ihrer High School spielen. Der Legende nach nutzen sie nach dem Training die Akustik der Duschräume für erste gemeinsame Gesangsversuche und fassen dabei schließlich genug Mut, um sich für den schuleigenen Talentwettbewerb anzumelden. Sie covern aktuelle Rock’n’roll- und Doo-Wop-Hits, werden dafür eifrig beklatscht und unterschreiben kurze Zeit später ihren ersten Plattenvertrag. Zwar wechseln die beiden nach der High School aufs College und nehmen das Studieren durchaus ernst, aber nebenbei bleibt ihnen noch genug Zeit, um als Jan & Dean aufzutreten und Platten aufzunehmen, die immer mehr nach Surfpop klingen. Beim Schreiben hilft ihnen ihr guter Freund Brian Wilson. Nur ein Jahr nach der Hitsingle „Surf City“ („Yeah, and there’s two swingin‘ honeys for every guy/ And all you gotta do is just wink your eye“) entsteht so 1964 gemeinsam der Song „Sidewalk Surfin'“, für den sie „Catch A Wave“ von den Beach Boys mit einem neuen Text versehen haben. Es geht um eine hippe junge Sportart, die gerade Wellen auf dem Asphalt schlägt: „Don’t be afraid to try the newest sport around/ It’s catching on in every city and town/ You can do the tricks the surfers do/ Just try a Quasimodo or the Coffin too/ Grab your board and go sidewalk surfin‘ with me“. Harmloser hätte man Skateboarding nicht vorstellen können.

Logisch, dass die Musik zum neuen Jugendhype zunächst nur leicht abgewandelter Surf-Rock’n’Roll ist. Auch das Skateboarden selbst kommt schließlich vom Wasser. Weil die Wellen sich dort nicht immer an die Launen der Surfer anpassen und oft genug einfach ausbleiben, verlegen die Kids sich auf die Straßen. Rollbretter sind zu Beginn genau das: eckig ausgesägte Holzplanken mit Rädern aus Stahl oder Ton drunter, so laut wie ungelenkig, und der beste Trick ist schon damals, überhaupt oben zu bleiben. Was darüber hinaus möglich ist, zeigen frühe Pioniere wie Patti McGee, die Geschwindigkeitsrekorde aufstellt, ins Fernsehen eingeladen wird, um den Kickflip vorzuführen und zu zeigen, wie sie barfuß übers rollende Board spaziert wie über ein Surfbrett, und 1965 nicht nur das Cover des Skaterboarder-Magazins ziert, sondern auch das des Life-Magazins – mit einem Handstand auf dem Brett. Eine Zeitlang ist Skateboarding der Sport, auf den sich Eltern und Kinder einigen können: ein bisschen ungewöhnlich vielleicht, aber freundlich, friedlich und bekömmlich. Und die Musiker, die den Soundtrack dazu lieferten, hatten noch nicht mal lange Haare.

Ändern soll sich das erst mit einer Gruppe ungekämmter Kids aus Santa Monica und Venice. Anfang der 70er eröffnet dort der Zephyr Surf Shop und versammelt bald eine räudige Crew junger Nachwuchs-Surfer um sich, die zum Zephyr-Team werden und „Dogtown“ – einen verlassenen Freizeitpark am Wasser – zu ihrem persönlichen Surfspot erklären. Wenn dort nichts geht, geht es eben auf dem Land weiter, wo es sich inzwischen dank Urethan-Rollen angenehmer fährt; neben dem Surfer-Team entsteht ein Skateboard-Team. Eines seiner Mitglieder ist Stacy Peralta, der später eine preisgekrönte Dokumentation über diese Zeit drehen wird. „Dogtown & Z-Boys“ verbindet Interviews mit anderen Mitgliedern wie Tony Alva, Jay Adams, Peggy Oki und Steve Caballero mit Original-Footage und unterlegt das Ganze mit den Bands, auf die die Dogtown-Crew damals stand: Black Sabbath, Jimi Hendrix, Led Zeppelin, David Bowie, Aerosmith.

So wie sie dem braven Surfpop nichts abgewinnen können, machen sie sich auch lustig über den akrobatischen Skatestil der 60er. Die Dogtown-Kids wollen nicht auf ihren Boards herumturnen und dabei bunte Shorts tragen. Sie stellen sich in abgerissenen Levi’s aufs Brett und gehen dann so weit in die Knie, dass sie mit den Händen den Asphalt streifen können. Ihre Art zu skaten ist heavy, gewagt, gefährlich. Als sie 1975 bei den Del Mar Nationals antreten, prallen zwei Welten aufeinander: Die Dogtown-Kids können nichts mit dem kleinen Rechteck Boden anfangen, auf dem sie ihre Tricks vorführen sollen. Und die Veranstalter schütteln die Köpfe über das ungehobelte Superteam, das im Handumdrehen das Publikum für sich gewinnt.

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1977: Skate-Pionier Tony „Mad Dog“ Alva hängt in der Luft (Foto: Fred Ross/Toronto Star via Getty Images)

Die Z-Boys sind zu cool, um sich darauf zu viel einzubilden, schließlich ist Skateboarding zu diesem Zeitpunkt sowieso schon längst „tot“. Wenn es nach der Öffentlichkeit geht, gehört Skateboarden zu den kurzlebigen Trends, die immer mal wieder ein Revival erfahren. Wenn es nach Skatern geht, ist es ein Lebensgefühl. Nach dem ersten Boom in den 60ern verschwindet der Sport zunächst wieder aus Magazinen und Fernsehsendungen und taucht erst Mitte der 70er wieder auf, um beim Del-Mar-Wettbewerb prompt vom Zephyr-Team auseinandergenommen zu werden. Danach ist es mit den Turnübungen auf dem Brett vorbei, und alle wollen nur noch möglichst wild und nah am Boden fahren. Die Dogtown-Crew ist inzwischen schon wieder einen Schritt weiter. Als Mitte der 70er eine Dürre die allgegenwärtigen Pools von Kalifornien austrocknet, entdecken die Skater sie als neue Herausforderung.

„Dogtown & Z-Boys“ erzählt, wie Alva als erster Skater überhaupt eine Wand des Pools hochfährt, bis er komplett in der Luft hängt, und dann wieder im Pool landet. Von nun an beherrschen der Aerial und andere „Vert“-Tricks an der vertikalen Poolwand das Skateboarden. Diesen illegalen Spaß untermalen Metal und Rock aus mitgebrachten Ghettoblastern, die sich in sicherem Abstand zur Poolkante aufstellen und im Notfall schnell unter den Arm klemmen lassen, wenn es gilt, zügig zu verschwinden. Skateboarden ist endlich eine Art Verbrechen geworden. Noch ist die Liebe zwischen wilden Skateboardern und wilden Musikern aber eine einseitige. Die Menschen aus der Community, die später Songs übers Skaten für die Community schreiben werden, steigen in diesen Jahren immer noch in unsicheren Kinderschuhen aufs Brett.


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Skateboarding is not a crime

„Lass mich eins gleich klarstellen: Ich war nie gut“, sagt Lee Hollis. „Ich war nie ein Experte. Aber ich war auch noch nie der Meinung, dass das wichtig ist.“ Hollis redet über das Skateboard-Fahren, aber er könnte gleich eine ganze Reihe anderer Dinge meinen, bei denen die Idee wichtiger als die Umsetzung ist. Punkrock zum Beispiel. Lee Hollis stammt ursprünglich aus Texas, geht als Jugendlicher aber zur Armee, wo es ihn erstmals auch nach Westdeutschland verschlägt. Der soldatische Drill will allerdings nicht so recht zu dem abenteuerlustigen jungen Mann passen. Als er 1981 seine Demission erhält, ist er zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich in Austin, bei einem Auftritt der Lokalmatadore Big Boys. „Sie waren natürlich beileibe nicht die einzige Punkband auf der Welt, aber bei ihnen passte plötzlich alles perfekt zusammen“, sagt Hollis. „Die Big Boys haben Skateboarding in Zusammenhang mit Punk und Politik gebracht, und das war genau das, was der Jugendkultur fehlte: die Radikalität, die Kreativität. In der Highschool war ich immer der Freak, hier war ich dagegen sofort unter Gleichgesinnten. Ich beschloss, all denen, die mich immer angestarrt haben wie einen Weirdo, zukünftig einen Grund dafür zu geben.“

Dazu wählt Hollis einen etwas ungewöhnlichen Weg. 1983 reist er zurück nach Deutschland, lässt sich in Kaiserslautern nieder und steigt als Sänger bei den Spermbirds ein, mit denen er wenig später eine deutsche Skatepunk-Hymne einspielt: „My God Rides A Skateboard“, mit Zeilen wie dieser: „Don’t give money to the things you hate/ Here’s another board, come on let’s skate“. Der Text ist gut gealtert, denn er kombiniert einen gezielten Angriff auf die Praktiken evangelikaler Fernsehprediger mit einem persönlichen Glaubensbekenntnis. Und damit das Private mit dem durchaus Poltischen. „Es gab damals das schleichende Gefühl, von den Eltern, den Politikern und den Institutionen systematisch angelogen zu werden“, sagt Hollis. WUnd gleichzeitig gab es das Bedürfnis, die verwaisten Vorstadtstraßen, in denen man lebte, für sich zurückzugewinnen. Ich bin kein Fan von Nostalgie, ich bin eigentlich sogar dagegen. Die 80er waren trotzdem etwas Besonderes. Sie haben mein Leben verändert, und sie haben mir etwas über Skateboarding und Punkrock mitgeteilt. Das ist keine Phase gewesen. Das ist eine Haltung, eine Lebensanschauung.“

Transatlantische Connection

Hollis spricht in wenigen Sätzen praktisch schon all das an, was Skatepunk in den 80ern ausmachen wird. Da wäre zum einen die Internationalisierung, die die Subkultur von der US-Westküste aus nach Europa und anschließend bis nach Asien bringt. Da wäre die Umwidmung des öffentlichen Raumes in einen aufregenden Parcours, die sich nun nicht mehr in den Innen- sondern zunehmend auch in den Vor- und Trabantenstädten abspielt. Da wären der Nonkonformismus, die Freiheit und die Selbstverwirklichung, die in der Mischung aus Musik und Athletik noch potenziert werden und tatsächlich in einer eigenen Lebensanschauung münden. Und da wäre schließlich eine langsame Professionalisierung einer Szene, die sich über sich selbst mit eigenen Videos, Schallplatten und Fanzines in Kenntnis setzt.

Was die Internationalisierung angeht, kann sich Markus „Marky“ Thummerer noch an seine erste Begeisterungswelle erinnern. Zusammen mit ein paar Skater-Freunden gründet er 1980 in Berlin die Punkband Disaster Area, die mit ihrem Single-Debüt „Skate Tonight“ einen der ersten musikalischen Beiträge zum Thema in Deutschland liefert. „Mein erstes Board habe ich 1975 bekommen, das war aber ein Kaufhausbrett, ein vollkommenes Schrottteil“, erzählt Thummerer. „Ein Jahr später ist ein Kumpel vorbeigekommen, der hat ein vernünftiges Board gehabt. Da sind wir dann zu fünft abwechselnd drauf und konnten zur Abwechslung endlich mal Kurven fahren. Alle hatten lange blonde Haare, meine Wenigkeit auch. Wir sind Surf-Style gefahren, und da haben auch noch die Beach Boys und diese ganze Musik zu gepasst. Ab etwa 1979 dann hat sich das Skateboard-Fahren rasant entwickelt. Die Bretter wurden immer breiter und immer besser, das Fahren wurde immer härter, und es kam der Punkrock dazu.“

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Disaster Areas Mark Thummerer skatet 1984 in Göteborg (Foto: Michael Thummerer)

»Wenn man in drei Meter tiefen Betonschüsseln fährt, passt Punkrock einfach besser als die Beach Boys.«
Marky Thummerer, Disaster Area

Thummerer lebt damals im Märkischen Viertel, einer neu entstandenen Großsiedlung im Norden Berlins, deren markante Wohnsilos Rapper Sido 30 Jahre später zu seinem Hit „Mein Block“ inspirieren sollen. Wo das damals vorherrschende städtebauliche Leitbild Luft, Licht und Sonne sehen will, sehen die Bewohner vor allem einen gewissen Mangel an Aufenthaltsqualität und jede Menge Beton. Eine eher triste Landschaft, die mit den vielen freien Flächen, strategisch günstig gelegenen Massivbänken und asphaltierten Schrägen aber auch einem Stehgreif-Skatepark zum Selbermachen gleicht. Eine derartige Eroberung des urbanen Pflasters prägt auch in Deutschland den Vorstadt-Typus des Skatepunks und die Hinwendung zum eher erlebnisorientierten „Street Skating“. In typisch deutscher Manier tritt Thummerer trotzdem zunächst einem Skateboard-Verein bei, um quasi über Bande die symbiotische Beziehung zwischen Board und Dreiakkordmusik zu entdecken.

„Mit dem Skateboard-Verein waren wir 1980 in London, da waren wir noch soft unterwegs, haben Madness und The Police gehört“, erinnert er sich. „Wir haben dort aber bei jemandem gewohnt, dessen großer Bruder Punkrocker war. Da sind wir dann erst richtig mit den Sex Pistols in Berührung gekommen, was quasi der nächste logische Schritt war. Wenn man in drei Meter tiefen Betonschüsseln fährt, passt Punkrock einfach besser als Beach Boys oder sonstige Schubidu-Musik. In Amerika gab es damals auch schon einige Bands der härteren Gangart, die eigene Skate-Songs im Programm hatten. Das hat uns so angefixt, dass wir selber angefangen haben, kleine Bands zu gründen, die mehr oder weniger nur Krach gemacht haben. Zuerst haben wir uns C&A genannt und auf Deutsch gesungen. Dann hatten wir aber relativ schnell keinen Bock mehr auf diesen No-Future-Kram mit „Morgen fällt ne Bombe“ und „Polizei“ und so weiter. Wir haben „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen, wo die lauteste Band des Universums Disaster Area heißt. Da dachten wir gleich: ‚Boah, wie cool ist das denn? Warum nennen wir unsere Band nicht so?'“

Disaster Area beschließen, auf Englisch zu singen und Songs übers Skaten zu schreiben. Anfang 1984 bringen sie über Vinyl Boogie ihre erste Platte heraus, eine Split-Single mit den Schlimmen Fingern, ebenfalls selbsternannte Lokalmatadore aus dem Norden Berlins. „Skate Tonight“ strotzt mit seinem rudimentären Beat und den Fünf-Wort-Sätzen immer noch vor Charme und bringt das Adrenalin auf den Punkt, das man spürt, wenn man mit dem Board unter dem Fuß an der Kante einer Skate-Lagune steht: Jetzt. Geht’s. Los. „Ich will nicht sagen, dass Skate-Songs jetzt die größte Botschaft haben, aber es war im Grunde genau wie mit den Beach Boys und ihren Surfbrettern: Einfach Spaß auf dem Skateboard zu haben“, sagt Marky Thummerer. „Oder wie es bei Gang Green heißt: ‚Skate all day, drink all night.‘ Man muss als Punker halt nicht nur rumgammeln und saufen. Man kann auch tagsüber Skateboard fahren und hat dann abends immer noch Zeit zum Trinken.“

Abgrenzung und Zugehörigkeit

Schnelle Musik, waghalsige Stunts auf dem Skateboard, ausgiebiges Feiern nach Einbruch der Dunkelheit und die Solidarität unter Schlüsselkindern, die zu großen Teilen unbeaufsichtigt durch die Gegend stromern – das ist durchaus auch die Basis für eine transatlantische Connection, die sich über enge Kanäle speist. Auch in westdeutschen Wendehämmern hat man ein Gefühl für den kalifornischen Sommer, damals einer der Sehnsuchtsorte schlechthin. Hier kommt nicht nur der immer härter werdende Punkrock her, sondern auch die auf Film gebannten Abenteuer der legendären Bones Brigade. Der mehr oder weniger feste Zusammenschluss von Westküsten-Könnern hat für seine Fans und Nachahmer die Aura von Musketieren und bildet die Elite der Szene. Skater wie Mike Vallely, Tommy Guerrero oder Steve Caballero sind in den einschlägigen Zirkeln bekannt wie Basketballstars, ihre Tricks das jeweils aktuelle Nonplusultra.

Weil die Künste der Bones Brigade per Videokamera gefilmt und dann auf VHS-Kassetten zugänglich gemacht werden, kann man plötzlich auch auf deutschen Schulhöfen darüber reden, was alles mit einer Skateboard-freundlichen Umgebung und einer Filmausrüstung möglich wäre – wenn man nicht schon wegen einheimischer Pioniere wie Claus Grabke oder Titus Dittmann aufs Skaten gekommen ist. Der DIY-Charakter der Unternehmung erstreckt sich dabei auch auf den Soundtrack, der die Skatevideos begleitet: Es ist schneller kalifornischer Punkrock, der den haarsträubenden Stunts eine zusätzliche Energie verpasst. Die Musik kommt in der Regel auch nicht von etablierten Acts, sondern von befreundeten Punks, die oft selber Skater sind – und manchmal mit ihrer Musik groß rauskommen, wie etwa Suicidal Tendencies oder Minor Threat. Für Jugendliche, die im Spannungsfeld von Abgrenzung und Zugehörigkeitsgefühl einen Platz für sich selbst suchen, ist es die perfekte Seelenheimat: eine kollegiale Sippe von Freaks, die ihren inneren Zusammenhalt mit exklusiven Codes und Riten feiert und bestätigt.

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Brian Brannon von JFA macht einen Carve Grind an der Death Box (Foto: Russpix)

»Wenn man einen anderen Punk oder Skater auf der Straße traf, konnte man davon ausgehen, dass es ihm ernst damit war.«
Brian Brannon, JFA

„Skateboarding kennt keine Klassengesellschaft“, behauptet Steve Alba. „Es ist egal, wer du bist, wie viel Geld oder welche Hautfarbe du hast. Das Tolle am Skaten ist, dass die ganze Kraft aus dir selbst kommt. Du brauchst kein Auto, du brauchst kein Motorrad. Trotzdem fühlt es sich an wie auf der Achterbahn. Nichts ist vergleichbar mit der einen Sekunde, in der man vertikal über der Poolkante steht.“ Alba, der noch in den 70ern mit seiner akrobatischen Upland-Crew in Erscheinung tritt und als Meister des Swimming-Pool-basierten Vert-Stils gilt, ist in den 80ern bereits so etwas wie eine graue Eminenz, der seine Weltanschauung in philosophisch anmutende Bonmots zu kleiden weiß.

„Beim Skateboarding nimmst du etwas Negatives und machst etwas Positives daraus“, sagt Alba, der eigenen Angaben zufolge in mehr als 5.000 Pools geskatet ist und dabei die goldene 15-Minuten-Regel aufgestellt hat. Weil für eine klandestine Pool-Party in Südkalifornien meistens ein nächtlicher Landfriedensbruch fällig wird, kalkuliert Alba folgendermaßen: „Die Nachbarn brauchen fünf Minuten, um dich zu bemerken, fünf Minuten, um die Bullen zu rufen, und fünf weitere Minuten, bis die Bullen dann da sind. Wer sich bis dahin vom Acker macht, kommt meistens ungeschoren davon. Es heißt immer, Skatebording sei kein Verbrechen. Aber ich sage: Wenn man es richtig macht, ist es doch eins.“

Das Transgressive an der Skatepunk-Kultur ist es auch, was Brian Brannon fasziniert. Der Musiker wächst in Phoenix, Arizona auf, doch mit seiner Band Jodie Foster’s Army, kurz JFA, vertritt er durchaus kalifornische Werte. „Alles, was ich wollte, war radikal zu werden“, sagt er. Der Name seiner Band spielt auf den Attentäter John Hinckley an, der 1981 versucht hatte, US-Präsident Ronald Reagan zu ermorden, um der Hollywood-Schauspielerin zu imponieren – ein passender Name für eine Punkband, die etwas auf sich hält und entsprechend gefährlich lebt. „Man macht sich kein Bild davon, wie wenig Punks und Skater man damals zu sehen bekam“, sagt Brannon. „Man wurde angespuckt, eingesperrt, verprügelt oder mit Flaschen beworfen, bloß, weil man nach Punk aussah. Die Polizei war am schlimmsten. Es gab praktisch keine Poser in der Szene, weil man schon hardcore bis auf die Knochen sein musste, um all diese Erniedrigungen wegstecken zu können. Wenn man einen anderen Punk oder Skater auf der Straße traf, konnte man davon ausgehen, dass es ihm ernst damit war und ihn sofort als Bruder im Kampf akzeptieren durfte.“

Pavarotti macht den Abwasch

Der Kampf spielt sich dabei nicht nur gegen die Autoritäten ab, sondern auch gegen die kulturelle Infrastruktur beziehungsweise deren Fehlen. „Vor dem Internet gab es nur fotokopierte Fanzine und Underground-Blätter wie Thrasher, Flipside oder Maximum Rock And Roll, wenn man in Erfahrung bringen wollte, was im Rest der Welt vor sich ging. Wir haben uns tatsächlich noch gegenseitig Briefe geschrieben, weil Ferngespräche zu teuer für uns waren. Wenn man dann wirklich einen Punk oder einen Skater aus einer anderen Stadt leibhaftig vor sich hatte, war das wie eine Heimkehr, die gefeiert werden musste. Üblicherweise mit ein paar Runden Skaten und einem Konzert.“

Politisch, sagt Brannon, sei die Szene dabei nur insofern gewesen, als dass man zu spüren bekam, „dass das System niemanden schätzt, der nicht in den Mainstream passt“, und dass dieser Mainstream mit einem gewissen Konsumterrorismus einherzugehen hatte. Davon kann in der Skatepunk-Szene ausdrücklich keine Rede sein. Brannon fasst es so zusammen: „Man will in irgendeinen Hinterhofpool in einer abgeranzten Gegend, klettert über den Zaun und entdeckt dort eine Gruppe Gleichgesinnter. Manche, die du schon ewig kennst, manche, die du schon immer mal treffen wolltest, manche, die du noch nie gesehen hast. Ihr tut euch zusammen und räumt den Müll aus dem Pool und wartet, bis alles trocken ist. Dann geht ihr an eure Grenzen und inspiriert euch gegenseitig mit euren Tricks. Dabei läuft eine Musik, die in der Lage ist, alle Ängste beiseite zu fegen, damit dir der unfassbar krankste Stunt eben doch gelingt. Und dann schaust du dich um und erkennst, dass du und deine Kumpels nur ein Haufen dreckiger Punks im runtergerockten ehemaligen Garten eines reichen Mannes seid. Und dass ihr trotzdem gerade mehr Spaß habt, als es ihm je möglich wäre.“

Die Romantik, die aus solchen Schilderungen spricht, ist natürlich – vor allem in den USA – schwer zu überbieten. Der hohlen „Morning in America“-Rhetorik von Demenz-Präsident Reagan steht eine aufregende Subkultur gegenüber, die in der Ablehnung der zwangsverordneten Apfelkuchenwerte Freiräume für sich entdeckt. Mit das Revolutionärste dabei ist die Genügsamkeit, die den kommerzialisierten Freizeitangeboten ins Gesicht schlägt. „Beim Skaten ist es so, dass man, sobald man die Basics draufhat, nur noch von seinen eigenen Ängsten zurückgehalten werden kann“, doziert Brannon. „Wenn man diese Ängste überwindet – und die richtige Technik und die richtige Geschwindigkeit hat –, kann man alles machen, was einem in den Kopf kommt. Und beim Punkrock ist es genauso.“

Mitte der 80er ist es trotzdem so weit, dass zumindest in den Spitzen eine gewisse Professionalisierung der Szene einkehrt. Tommy Guerrero beispielsweise, bis eben noch mit seiner Skatepunk-Band Free Beer aktiv, muss 1985 seine Gitarre vorübergehend an den Nagel hängen, weil er nun ein professioneller Skateboarder ist und keine Zeit mehr zum Proben hat. „Going Pro“ ist zumindest für die Besten auf den Brettern zunehmend eine Option, seit Ausstatter wie Powell Peralta mit Sponsorenverträgen locken. Mit dem Geld und den Turnierteilnahmen lässt sich auch für Mike Vallely das Hobby quasi zum Beruf machen. „Es war immer mein Traum, ein Pro-Skater zu werden, aber ich hätte nie zu träumen gewagt, von Lance Mountain und Stacey Peralta entdeckt zu werden und für ihr Team skaten zu dürfen“, sagt er. „Dieses Sponsorship zu bekommen und Teil der Bones Brigade und von Powell-Peralta zu werden, hat mir eine Menge Türen geöffnet und ich wurde quasi zum Posterboy des Street Skating.“

Auch wenn das Alter zunehmend für morschere Knochen sorgt, sind die Protagonisten von damals ihrer Szene immer noch verbunden. Und wer inzwischen weniger Skateboard fährt, steigt dafür vielleicht öfter auf die Bühne. Aus Tommy Guerrero ist ein erfolgreicher Solokünstler geworden, und Brannon ist nach einer Zeit als Musikredakteur beim Thrasher-Magazin immer noch Sänger bei JFA. Mike Vallely alias Mike V gibt seit 2014 den Shouter bei Black Flag, und Steve Alba hat einen cleveren Weg gefunden, auf seine alten Tage noch ein paar Hundert neue Pools zu erobern – diesmal auf legalem Weg. Wer im Großraum L.A. „Salba’s Pool Cleaning“ bucht, bekommt ein vorbildlich gereinigtes Schwimmbad als Gegenleistung für eine fotogen dokumentierte Skate-Party mit dem 56-Jährigen. Es ist eine vergleichsweise beschauliche Würdigung eines legendären Lebens und ein bisschen so, als würde man Pavarotti dafür, dass er bei einem singt, den Abwasch machen lassen. Aber es ist eine Würdigung, die zum auf den Moment zugeschnittenen Charakter der Subkultur passt. Brannon drückt es folgendermaßen aus: „Weißt du, wer der beste Skateboarder der Welt ist? Derjenige, der gerade am meisten Spaß daran hat.“


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Rebellion und Hüttengaudi

Die Barthaare sprießen, als der junge Regisseur nach einer Reise wieder zuhause in Los Angeles ankommt. Also greift er beim Blick in den Badezimmerspiegel reflexhaft zum Rasierer, denn er hat gleich einen wichtigen Termin zum Mittagessen. Eine angesagte HipHop-Band will mit ihm Ideen für den ersten Videoclip ihres kommenden Albums besprechen. Die Seiten und das Kinn sind bereits glatt, doch als er die Klinge gerade über der Oberlippe ansetzen will, hält er inne. Er ist ein intuitiver Mensch, der spontane Ideen liebt und sie am liebsten sofort ausprobiert. Typen wie ihn nennt der Mainstream „unkonventionell“, aber mit seinem außergewöhnlichen Stilwillen hat er das Zeug dazu, zum Leitbild für Millionen zu werden. Natürlich kann es gerade noch keiner ahnen, aber dieser Moment ist einer von jenen, die das Leben des 25-Jährigen für immer prägen werden. Und damit den Lauf der Popkultur weltweit.

Der Mann vor dem Spiegel heißt Spike Jonze und er hat eine Vision. Er lässt den seit Jahren als modisch völlig inakzeptabel geltenden Schnurrbart unter seiner Nase einfach stehen; auf dem Weg zum Meeting besorgt er sich noch ein weißes Unterhemd und eine Goldkette, gelt die Haare zurück und sieht plötzlich aus wie einer jener schmierigen Cops aus den billigen Fernsehserien der 70er. In diesem Outfit begrüßt er das Musikertrio – und die HipHopper flippen aus vor Begeisterung. Es ist exakt der Look, der ihren Clip prägen wird: Ein fiktiver Vorspann im Stil einer 20 Jahre alten US-Polizeiserie, in dem die Bandmitglieder mit schlecht sitzenden Perücken und albernen Oberlippenbärten wilde Actionszenen nachspielen. Wenige Monate später läuft das Video in Dauerschleife beim Musiksender MTV, dem maßgeblichen Trendbarometer für die globale Jugendkultur der 90er Jahre – die Beastie Boys werden 1994 mit „Sabotage“ zur coolsten Band der Stunde und der Clip zum gefeierten Kunstwerk, das in die Musikgeschichte eingeht und unzählige Male zitiert werden wird.

Auch für Regisseur Jonze wird es der endgültige Karrieresprung in die erste Liga der Popkultur. Von nun an prägt er mit seinen verspielten und überraschenden Clips die Musikvideo-Ära der 90er und frühen 00er Jahre. Auch vorher hat er schon beachtliche Arbeiten geschaffen, „Cannonball“ für die Breeders zum Beispiel oder „Buddy Holly“ für Weezer, bei dem er die Band in die Kulissen der Fernsehserie „Happy Days“ montiert hat. Doch jetzt reißen sich Stars wie R.E.M., Björk oder Puff Daddy um den nerdigen Slackertypen, der seine Karriere Ende der 80er Jahre als Autor und Fotograf für BMX- und Skateboard-Magazine begonnen und in dieser Zeit sein bis heute typisches Arbeitsprinzip entwickelt hat. „Wir haben das ‚Sabotage‘-Video wie ein Skatevideo gedreht“, fasst er viele Jahre später die Herangehensweise zusammen, nachdem sein Drehbuch für den Film „Her“ 2014 einen Golden Globe und einen Oscar gewonnen hat. „Wir sind mit einer kleinen Crew und einem Auto voller Requisiten und Perücken durch L.A. gefahren und haben spontan an den Locations gedreht.“

Denn so arbeitet Jonze zu Beginn seiner Berufslaufbahn, als er – heute legendäre – Skateboarder und ihre Tricks zu filmen beginnt. Seine 1991 erschienene Clip-Compilation „Video Days“ für die Skate-Marke Blind wird zum Vorreiter und Standardwerk der Community weltweit. Nicht nur visuell, sondern auch musikalisch. „Da fuhr Guy Mariano zu Jackson 5, Mark Gonzales zu Jazz, und Typen wie Rudy Johnson zu Dinosaur Jr.“, erinnert sich Dendemann, der zu diesem Zeitpunkt in seiner westfälischen Heimatstadt Menden nicht nur seine Liebe zum HipHop, sondern auch die Holzbretter auf Rädern für sich entdeckt und wie Tausende andere weltweit von den Bildern und der Musik der Skatevideos fasziniert ist.

Bis dahin sind die Video-Zusammenstellungen, die außerhalb der aktiven Szene so gut wie keinerlei Beachtung finden, oft zum größeren Teil mit einem Soundtrack aus US-Punk- und Hardcorebands unterlegt, „Video Days“ aber setzt mit seinem scheuklappenfreien Mix aus Hardcore, Jazz, Indie, Pop und Latin Music ein Ausrufezeichen für die stilistische Vielfalt von Skate-Soundtracks. Jonze‘ Entwicklung vom enthusiastischen Skate-Nerd zum gefeierten Filmemacher in Hollywood reflektiert in gewisser Weise auch den Aufstieg der Subkulturen und der alternativen Musikszene zum Mainstreamphänomen in den 90er Jahren.

Lifestyle-Ding

Auch im kleinen schwedischen Städtchen Örebro kommt der Skate-Hype Ende der 80er Jahre an. „Ich weiß noch, dass ich 1987 mein erstes Skateboard bekommen habe. 1988 wurde Skateboarden auf einmal wieder riesig“, erzählt Millencolin-Gitarrist Mathias Färm, der neben der Bandkarriere später auch semiprofessionell an Skate-Contests teilnimmt, unter anderem an den offiziellen Weltmeisterschaften in Münster. Sein Band- und Gitarristenkollege Erik Ohlsson macht die plötzlich gestiegene Popularität des Sports an den beiden US-Filmen „Thrashin'“ (1986) und „Police Academy 4“ (1987) fest: „Dort konnte man erstmals Street Skating sehen.“ Färm stimmt ihm zu: „Dann explodierte das alles. Es wurde richtig cool – ein Lifestyle-Ding.“ Die beiden Punkrocker fasziniert am Skaten das Gleiche wie viele andere Fans auch: „Es war gefährlich“, sagt Ohlsson lachend, und Färm weiß sofort, worauf er hinauswill: „Man war ein Outlaw. Wie ein Motorrad-Rocker.“

Das Skaten bringt Färm, Ohlsson und Millencolin-Sänger Nikola Sarcevic auch zum US-Punkrock kalifornischer Färbung, denn der Stil von Bands wie Bad Religion, NOFX, Descendents und Pennywise prägt die Szene zu Beginn der 90er. „Dieser Sound hat uns überwältigt. Wir wollten genau das. Es war die coolste Musik, die wir jemals gehört hatten“, schwärmt Sarcevic bereits in der VISIONS-Bandhistory. Besonders erlesen sind Soundtracks von Skate-Videos damals selten, laut Ohlsson hinterlassen sie jedoch nachhaltig Eindruck: „Eines der Videos der Skatefirma A1 Meats von 1991 war einfach komplett von den Songs des „Ribbed“-Albums von NOFX unterlegt, das aus demselben Jahr stammt. Das war das erste Mal, dass ich NOFX gehört habe.“ Der Sound bringt die jungen Schweden schließlich sogar dazu, 1992 ihre eigene Punkband zu gründen, die sich stilistisch an den kalifornischen Vorbildern orientiert. Selbst ihr Bandname ist eine – wenn auch verbal etwas verrutschte – Hommage an ihren Lieblingssport: „Melancholy“ bezeichnet einen Skatetrick, aus dem in der Örebro-Version Millencolin wird.

Schubladendenken

„Wenn man in Kalifornien aufgewachsen ist, wurde man schief angeschaut, wenn man nicht Skateboard gefahren oder gesurft ist“, sagt Lagwagon-Frontmann Joey Cape, der mit seiner 1990 in Santa Barbara gegründeten Band ebenfalls zu den Vorbildern für Millencolin gehört haben dürfte. Er beantwortet damit auch indirekt die Frage, warum der schnelle und melodische Punk- und Hardcore-Sound der lokalen Bands plötzlich auf der ganzen Welt mit dem Siegel „Skate Punk“ belegt wird. „Dieser Begriff klang für mich immer albern“, so Cape. „Viele mögen es nicht, damit bezeichnet zu werden, weil man damit in einer gewissen Schublade landet. Plötzlich bekommt man Sätze zu hören wie: ‚Von dir lasse ich mir nichts erzählen, weil du ein 90er-Punk bist.‘ Aber ich sehe auch die positiven Seiten. Durch diesen Begriff wird man auch Teil von etwas. Dass bestimmte Bands mit dieser Szene in Verbindung gebracht wurden, hat der ganzen Bewegung eine gewisse musikalische Credibility gegeben.“

An die zahlreichen VHS-Skatevideos, die zu Beginn des Jahrzehnts weltweit zirkulieren und den galoppierend-melodischen Sound der kalifornischen Vorreiterbands mit diesem Lebensgefühl verbinden, kann sich Cape noch gut erinnern: „Wir waren auf vielen davon mit unseren Songs vertreten. Aber ich glaube, zu der Zeit zwischen 1992 bis 1994 war das völlig üblich. Wir wurden ständig gefragt, und wir haben immer ja gesagt. Da gab es kein Geld für. Es war einfach das, was wir gut fanden, wir waren immer Teil davon. Aber durch diese Videos ist eine Szene entstanden.“

Fashion Victims

„Der Trend Ende der 80er kam aus den USA und kam in den 90er Jahren verstärkt auch hier in Deutschland an“, sagt Timon Ruhemann, Jugendwart des ersten Berliner Skateboard-Vereins, über die Entwicklung der hiesigen Szene. Der aus dem Rhein-Main-Gebiet stammende Musiker und DJ fährt seit 40 Jahren Skateboard und hat die Entwicklung von Anfang an verfolgt. „In den USA war Punk der hauptsächliche Soundtrack für das Skaten. Was für Europäer anfangs erstmal ungewöhnlich war. Skaten war dort vielseitiger und anarchistischer als hier. Hier gab es natürlich Bands wie Disaster Area oder Thumb von Claus Grabke, also die Hardcore-Jungs, die möglichst authentisch wie ‚drüben‘ klingen wollten. Aber eigentlich war der Boom von Rap und HipHop in den 90ern hierzulande für viele Skater musikalisch wichtiger. Ich würde es aber eher als ‚dreckigere‘ HipHop-Variante bezeichnen, also Acts wie die Beastie Boys oder Run DMC in den Fokus stellen.“

Mit der steigenden Popularität des Skatens spätestens seit Mitte des Jahrzehnts – als Bands wie Green Day und The Offspring im Zuge des Punk-Booms 1994 weltweit die Charts stürmen, der Crossover zwischen harter Rockmusik und HipHop einen neuen Musikstil etabliert und Alternative zum Lebensgefühl avanciert – hat die Szene allerdings auch mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. „Skaten war immer auch ein Vehikel für Fashion Victims“, so Ruhemann. „Was es immer auch unglaubwürdig macht, denn Mode bedeutet echten Skatern natürlich nichts. Die Klamotten müssen ohnehin leiden.“ Doch plötzlich sind Marken wie Vans, DC Shoes, Thrasher und Vision Street Wear angesagte Modeaccessoires, die als cool gelten und plötzlich losgelöst von der Skate-Kultur wahrgenommen werden. „Man konnte damit eben Klamotten verkaufen“, so Ruhemann. „Eigentlich ist Skaten etwas für Menschen ohne große finanzielle Möglichkeiten. Mit einem Board für 80 Euro ist man dabei. Der Rest hat sich ergeben. Im Vergleich beispielsweise zum Snowboarden ist das ja ein Witz.“

Tatsächlich bringt der Skate-Boom im Laufe des Jahrzehnts auch weitere verwandte Freizeitsport-Varianten hervor. 1995 werden in Deutschland 3,5 Millionen Inline-Skates verkauft und im Wintersport wird das Snowboarden so populär, dass es seit 1998 sogar olympisch ist. Dass es hier nun deutlich braver, bürgerlicher sowie materialistischer – und damit teurer – zugeht als bei den immer noch vielerorts verhassten Skatern, die sich den urbanen Raum einfach nehmen, ist offensichtlich: „Rebellion und Anderen-Leuten-auf-den-Sack-Gehen sind Kernelemente von Skateboarding“, benennt Ruhemann den charakteristischen Freigeist der Skater.

Rosinenpicker

„Alle Skater haben Punkrock gehört, zumindest eine Zeit lang“, sagt Millencolin-Gitarrist Erik Ohlsson. Schon bevor ihr Debütalbum 1994 erscheint, sind sie in der schwedischen Skater-Szene populär. Als sie in ihrer Heimat in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu Stars werden, kühlt die Liebe der alten Community allerdings etwas ab, wie die Bandkollegen schnell bemerken. „Da haben eher die kleinen Geschwister der Skater Millencolin gehört“, so Mathias Färm. „Ab 1996 hörten plötzlich alle Skater über Nacht Wu-Tang Clan.“ Auch Lagwagon-Sänger Cape erlebt den musikalischen Wandel in der Szene sehr deutlich: „Für meine Generation gehören Punkrock und Skateboarding zusammen. Aber Mitte der 90er haben viele Skater angefangen HipHop zu hören, und es war niemals wieder so, wie es mal war. Nicht, dass mich das stören würde, das ist eine ganz normale Entwicklung. Dinge ändern sich einfach.“

1998 wird Rapper und Skate-Fan Dendemann mit seinem Gastauftritt beim Fischmob-Song „Susanne zur Freiheit“ und der Eins Zwo-EP Sport erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt. So krass wie die beiden Punkrocker empfindet er den musikalischen Paradigmenwechsel der Skater-Community allerdings nicht: „Gitarrenmusik in Skatevideos war schon essentiell. Es gab nur eine kurze Phase in den 90ern, die sehr HipHop-lastig war, ähnlich wie heute.“ In Erinnerung geblieben ist dem deutschen Ausnahme-Rapper vor allem die musikalische Offenheit und Neugier der 90er-Szene: „Die Skater aus der Stadt schleppten alles zuerst an. Das ging später bis Björk, die ich ebenfalls zum ersten Mal bei meinen Skater-Freunden gehört habe. Die haben alles gehört und waren Rosinenpicker.“

Hedonistisch-Antinationalistisch

Während die Göttinger Alternative-Rocker Guano Apes 1997 mit der Single „Lords Of The Boards“ den Titelsong zur Snowboard-Weltmeisterschaft in Österreich schreiben und damit der Fun- und Hüttengaudi-Fraktion Futter geben, machen die Berliner Punks Terrorgruppe deutlich, dass das Skaten durchaus auch als politisches Statement verstanden werden kann. Ihre Hymne „Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland“ wird zu einem ihrer größten Hits. „Der hat damals nicht nur in der Skater-Szene abgeräumt, eine ganze Menge politisch/antifaschistisch engagierter Projekte und Leute nutzten den Titel – für Demos, Feste, Kongresse… Das Motto kann man ja sowohl lustvoll hedonistisch als auch engagiert antinationalistisch begreifen. Besser beides gleichzeitig. So ist es auch gemeint“, erzählt Gitarrist Johnny Bottrop. „Skateboarding und Punk haben natürlich viel mehr gemeinsam als bloß Styles und Artwork. In beiden Genres geht es um die kreative Überwindung – oder ‚Aneignung‘ – von Asphalt und Beton, egal ob sterile Vorstadt oder klinisch totes Herz der City, Überwindung und Rückeroberung von Straßen, Bauruinen, Parkplätzen, Shopping-Malls und deutschen Fußgängerzonen mit hässlichen Brunnen- und Beton-Arrangements.“ Bottrop hat die Parallelentwicklungen zwischen Punk und Skateboarding bereits seit den 80ern verfolgt und ist sich ebenfalls sicher: „Zum ‚Soundtrack of Skateboarding‘ gehört heutzutage alles Mögliche, ganz bestimmt nicht nur Punk.“

Dennoch können besonders eine Reihe etablierter Punkbands schon kurze Zeit später von einem weiteren Skate-Revival profitieren, das die Popularität des Sports im neuen Jahrtausend auf ein neues Level heben wird. 1999 erscheint der erste Teil der Videospiel-Reihe „Tony Hawk’s Skateboarding“, das den namengebenden Profi-Skater als Paten gewinnen und eine neue Generation von Millionen Kids und Gamern für das Thema begeistern kann. Die begleitenden Soundtracks werden zu Hit-Maschinen und erschließen den darauf präsentierten Bands plötzlich völlig neue Hörerschichten: „Der Song ‚May 16‘ wurde dadurch ein Hit für uns“, erinnert sich Joey Cape. „Obwohl wir nie Radio-Promo und Musikvideos nur aus Spaß gemacht haben. Wir waren nie diese Art von Band, deswegen war es so witzig, dass dieser Song unser bekanntester wurde. Vielleicht bis heute.“

Auch für Millencolin wird „No Cigar“ auf dem Soundtrack zum zweiten Teil der Reihe einer ihrer populärsten Songs. „Mit diesem Game erreichte das Skaten einen neuen Höhepunkt“, sagt Erik Ohlsson. Das Spiel, das die Popularität des Skateboarding im neuen Jahrtausend in nie geahnte Höhen schrauben wird, verhilft auch musikalisch eher untypischen Bands zur Bekanntheit in der Szene: „Jeder fünfte Besucher eines unserer Konzerte kommt zu mir und erzählt, dass er durch ‚Evil Eye‘ auf dem ‚Tony Hawk‘-Soundtrack auf uns gestoßen ist“, sagt Scott Hill, Sänger der Stoner-Rocker Fu Manchu, lachend. „Ich bin mir sicher, dass viele durch den Soundtrack auf uns aufmerksam geworden sind, die uns sonst niemals entdeckt hätten.“


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Revival und Retromanie

Der Fotograf und Filmemacher Larry Clark war bereits in den 90ern Kartograph einer verwahrlosten US-amerikanischen Jugend, die ihre Zeit an Drogen, Sex, Musik und Skateboards verschenkte. Aber kein Moment fängt das zerstörerische Potential dieser Konstellation so gut ein wie die ersten Minuten des 2002 erschienenen „Ken Park“: Die namensgebende Figur fährt zur Musik der Bouncing Souls durch eine suburbane Landschaft, in einen Skatepark und richtet schließlich eine Schusswaffe gegen sich. Punk und Skatekultur erfahren hier nicht nur eine nihilistische Zuspitzung, ihre mediale Verknüpfung ist mittlerweile so gelernt und zum Gegenstand hedonistischer Fantasien geworden, dass Clark gar keine Erzählung mehr braucht, um mit Bild und Ton das Porträt einer Generation zu zeichnen, deren „Teenage Rebellion“ mit Gitarre und Board zu einem Vermarktungskonzept geworden ist. Auf der Entertainment-Seite erfährt der Skatepunk-Hype seine Zuspitzung derweil durch die Tony-Hawk-Videospiele und „Jackass“ sowie seine unzähligen Spin-offs, die Bands eine riesige Plattform bieten in einer Zeit „vor Breitband-Internet“, wie Zac Carper von Fidlar bezeugt. „Der einzige Weg, Musik zu entdecken, verlief über den Fernseher. Ganze Karrieren gab es überhaupt nur wegen der Tony-Hawk-Spiele.“

„Ich erinnere mich daran, als Dad den Prototyp seines ersten Spiels nach Hause brachte“, erzählt Riley Hawk, selbst Pro-Skater und Frontmann der Bands Petyr und Warish. „Es hatte nur ein Level und alle möglichen Bugs. Der Soundtrack spielte eine große Rolle in meiner musikalischen Sozialisation, weil ich so früh mit ihm in Berührung kam.“ Die Soundtracks sind ein Faktor, der Skatepunk noch populärer macht, Nachlassverwalter wie Blink-182 und vor allem die Kanadier Sum 41 ein weiterer, von der Industrie bewusst eingesetzter. Mark Hoppus berichtet später, dass seitens der Plattenfirma der Wunsch bestand, durch jedes Musikvideo seiner Band ein Skateboard rollen zu lassen, auch als dies längst zum Klischee geworden war – also spätestens nach Avril Lavignes „Sk8terboi“. Parallel dazu wird auch die Skateboard-Industrie immer größer: „Am Anfang gab es dagegen in der Szene definitiv eine Aversion“, sagt Mario Rubalcaba, ehemaliger Profi und umtriebiger Schlagzeuger. Aufgewachsen in den 80ern, gehört er zu einer Generation, die Rockmusik und Skateboarding um die Jahrtausendwende prägt, Leute wie Carper also sozialisiert, zugleich aber einen anderen Blick auf die Szene und ihre industrielle Transformation hat, als Firmen wie Adidas oder Nike an Einfluss gewinnen und kleinere Konkurrenten vertreiben. „Das hat die Subkultur aufgeweicht“, sagt Rubalcaba heute – mit positiven wie negativen Auswirkungen.

Neue Vielfalt

Dass der Markt mit zumindest dem Image nach skatenden Punks übersättigt ist, weckt nämlich die Nachfrage nach Musikern, die rechts und links des Hypes musizieren. Was in Skateparks und -videos läuft, hat sich ohnehin längst ausdifferenziert, und in den 00ern wird dies auch in der Produktion sichtbar. „Es gab zu dieser Zeit Skater, die ihr HipHop-Ding durchgezogen haben, es gab auch eine Verbindung zum Indierock“, sagt Rubalcaba. „Leute wie Tommy Guerrero oder Ray Barbee haben sowieso ihr eigenes Ding gemacht.“ Das gilt auch für Rubalcaba, der Rock im weitesten Sinne zwar treu bleibt, im Lauf der Jahre aber bei gut einem Dutzend Bands spielt, vom melodiösen Post-Hardcore der Hot Snakes über den schwermütigen Indierock von The Black Heart Procession und mit der Hardcore-Supergroup Off! bis zum spacigen Jam-Rock von Earthless.

Skaten muss dabei nicht optisch oder textlich präsent sein, teils prägt es auch einfach die Strukturen dahinter, wie auch Fynn Grabke von den Hardrockern The Picturebooks bestätigt: „Skateboard-Fahren ist nichts, was man immer an die große Glocke hängen muss. Wir sind nicht Avril Lavigne oder irgendeine Red Bull saufende und verspiegelte, neonfarbene Ray-Ban-Verschnitt-Brillen tragende Band. Wir tun nicht so, als ob wir Skater sind. Wir sind Skater.“ Statt auf Skaten als Style zu setzen, versuchen sie, mit Menschen aus der Szene zu arbeiten und die Offenheit ihrer Jungend zu spiegeln: „Ich habe die Musik in Skatevideos aufgesaugt. The Smiths, The Stooges, The Velvet Underground, Black Flag, Minor Threat, The Cure, aber auch Sachen wie Biggie Smalls, Ol’ Dirty Bastard und so. Die Playlist war irgendwann so querbeet, was Genres angeht, dass man nicht mehr über sowas nachgedacht hat. Das ist das, was ich mit Skaten und Musik assoziiere: dass man nicht auf das Genre achtet, sondern auf gute Musik.“

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Foto: Claus Grabke

»Wir tun nicht so, als ob wir Skater sind. Wir sind Skater.«
Fynn Grabke, The Picturebooks

Neben eher klassischem Rock, wie ihn auch Earthless oder Petyr repräsentieren, hat sich seit der Jahrtausendwende vor allem die Verbindung zwischen Rap und Skateboarding gefestigt, was beidseitiger Annäherung bedurfte. „Letztens habe ich einen Podcast mit einem Rapper aus Compton gehört, der erzählte, dass Skateboarding peinlich war in seiner Jugend. Heute skaten alle, auch Kids aus der Hood, die Barrieren sind gebrochen“, erzählt Carper und spricht damit auch das positive, gesellschaftliche Potential des Skatens als gemeinsamer Plattform an. Für ihn selbst war Rap lange Zeit die wichtigste Skateboarding-Musik: „Als Kind waren es vor allem Punk und Indie, Sonic Youth, Dinosaur Jr., doch das änderte sich. Ich erinnere mich noch daran, als ich zum ersten Mal jemanden zu HipHop skaten sah und dachte: ‚Wow, das ist anders!'“ Umgekehrt bekennen sich immer mehr Rapper zum Skaten, darunter Aesop Rock, Rap-Weirdo Lil Wayne oder Tyler, The Creator, dessen kurzlebige Crew mit DIY-Attitüde, LoFi-Sound und physischer Präsenz besonders deutlich auf die Kultur des Skatens verweist. Weitere Beweise: Die von der Crew produzierte, an „Jackass“ angelehnte Show „Loiter Squad“ sowie die Verpflichtung der Skate-Punk-Revival-Band Trash Talk auf dem hauseigenen Label.

Fuck it, dawg

In der Tat rumort es im Untergrund um das Jahr 2010, also in gebotenem Abstand zur Skatepunk-Ausschlachtung im Mainstream. Neben Trash Talk, Cerebral Ballzy oder den aus dem UK nachziehenden Gnarwolves und Trash Boat sind es vor allem Fidlar, die nicht nur musikalisch, sondern auch optisch und textlich den einschlägigen Lifestyle zelebrieren. Die Keimzelle bildet die WG von Carper und Gitarrist Elvis Kuehn: „Wir waren eine Crew aus sechs Kids, lebten alle in einem Apartment und sagten immer ‚Fidlar‘, wenn wir einen Trick machten und nicht wussten, ob wir ihn schaffen – kurz für: Fuck it, dawg, life’s a risk.“ Aus dem Spruch wird ein Mantra, aus dem Umfeld der Crew werden ein paar professionelle Skater und eben eine Band, deren Stil sich ergibt, als Kuehn den Rap-Fan Carper mit den Circle Jerks und Black Flag anfixt. Der melodiöse, schnelle Hardcore harmoniert mit den Texten: „Wir schreiben darüber, was uns gerade passiert. Und während des ersten Albums war das alles, was wir taten: Partys, Drogen, Skaten.“

Doch ist das Revival von kurzer Dauer. Zwar merkt man assoziierten Bands wie Twin Peaks heute noch einen Hauch von Skateboard-DIY-Ästhetik an, insgesamt etabliert sich jedoch kaum eine Band langfristig mit diesem Image. Trash Talk und Cerebral Ballzy sind heute mehr oder minder inaktiv, Fidlar reflektieren in ihrer Kunst nach Carpers überwundener Drogensucht einen anderen Lebensstil. Die Musik dazu hat biografisch interessanterweise einen Schritt zurückgemacht: „Als wir ‚Almost Free‘ aufnahmen, wussten wir, dass wir jetzt Drum-Maschines kaufen können. Zuvor gab es diese Option nicht. Wir haben angefangen, damit rumzuspielen und es fühlte sich an, als würden wir unsere Liebe für HipHop wiederentdecken.“ Carper gehört, ähnlich wie Fynn Grabke und Riley Hawk, zu einer Generation, die vielleicht über Tony Hawk und Sum 41 zu Musik und Skateboarding kam, von dort aus jedoch ein ganzes Universum erkundet und sich heute „nicht mehr auf etwas festnageln lässt“, wie Rubalcaba bilanziert.

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Effekt-Decks: Fidlar leben fürs Skateboarden und fürs Punkrocken (Foto: Zac Carper)

»Heute skaten alle, auch Kids aus der Hood, die Barrieren sind gebrochen.«
Zac Carper, Fidlar

„Ehrlich gesagt verbinde ich meine Musik in keiner Art mit Skateboarding“, bestätigt Hawk diese These indirekt. Mit der Diversität, die Skateboarding auch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr auf einen Sound abonniert, ist vielleicht auch die Möglichkeit eines emblematischen Acts gestorben, denn es stimmt ja, was Rubalcaba sagt: „Es gibt keine Bad Religions oder Pennywises mehr.“ Scherzhaft schickt er hinterher, dass dieser Umstand vermutlich am Streaming läge, ganz falsch liegt er damit aber sicher nicht. Dass die Archive offenliegen und zugleich alles schneller, unmittelbarer passieren kann, hat Musik und die Repräsentation von Skateboarding gleichermaßen verändert. „Soundcloud-Rap ist jetzt gerade Punk. Was ist mehr Punk als ein Kid, das ein Album auf seinem Laptop macht?“, fragt Carper und kreidet der Rockszene fehlendes Bewusstsein dafür an, im Gegensatz zur eigenen Euphorie: „Ich habe Lil Pump auf Soundcloud gefunden, als er 6.000 Klicks auf seinen Songs hatte und dachte: Der wird riesig, das ist HipHop-Punk. Und eins ist sicher: Wenn du zu einem Skatepark gehst, hören dort alle diese Musik.“

So zeitgemäß Phänomene wie Lil Pump sind, sie beziehen sich in ihrer Bildsprache und teils auch Musik auf den Pop-Punk der Jahrtausendwende – und passen damit gut zu einer Nostalgie, die sich in Skatevideos, die alte Tricks und Songs recyceln, ebenso findet wie im Classic-Skate-Rock-Revival oder „Mid90s“, dem Regiedebüt des 1983 geborenen Schauspielers Jonah Hill. Im Kern ist es eine klassische Coming-of-Age-Story um einen Haufen Skater, wie sie schon dutzende Male erzählt wurde, nur herrscht statt des schneidenden Blicks, mit dem Clark zu Beginn des Jahrtausends den Nihilismus auf die Spitze trieb, hier die versöhnliche Nostalgie eines Menschen, der sich zärtlich an seine Jugend erinnert. „Meine Frau und ich haben den Film im Kino gesehen, und er war wirklich gut gemacht. Ich komme aus dieser Zeit und erinnere mich sehr lebhaft an diese Phase im Skateboarding“, lobt Rubalcaba die genaue Neuinszenierung, während er im Backstage des Hansa 39 in München sitzt. Auch dort erweist sich Skateboarding als zeitlose, unverwüstliche Größe: „Neben dem Venue gibt es einen Skatepark, am Ende des Parkplatzes. Ich habe ein paar Minuten zugesehen, ein paar Kids waren in diesem HipHop-Stil gekleidet, eines sah aus wie in „Mid90s“. Das war ein bisschen surreal für mich. Es ist aber großartig, dass es für diese Aktivität so verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten gibt. Bei anderen Sportarten gibt es eine Uniform, deswegen wird Skateboarden für mich nie einfach ein Sport sein, sondern immer ein künstlerischer Ausdruck.“


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

»Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«

Titus, wie sah dein Leben vor dem Skaten aus?
Titus Dittmann: Ich habe nach dem Abitur Sport und Geografie auf Lehramt studiert, daneben habe ich mich aber immer für Extremsportarten interessiert. Ich war einer der ersten Drachenflieger und einer der ersten Windsurfer hier in Deutschland. Wenn irgendwo Pioniertum lockte, war ich dabei. Für das Skateboard konnte ich mich dagegen nicht so begeistern, ich war schon relativ erwachsen damals. 1977 hat die Tagesschau ja noch verkündet, dass die Bundesregierung darüber berät, Skateboarden in Deutschland flächendeckend zu verbieten. Klingt heute lustig, haben die damals aber ernst gemeint.

Im selben Jahr hast du in Münster zum ersten Mal junge Skateboarder getroffen?
Ich stand da wie angewurzelt, weil ich etwas sah, was ich aus dem Studium nicht kannte. In dem Alter, dachte ich, haben Pubertierende auf nichts Bock, auf Lernen schon gar nicht – und auf einmal konnten da welche vom Lernen gar nicht genug kriegen, standen immer einmal mehr auf als sie fielen. Ohne Lehrer oder sonstige Erwachsene. Selbstbestimmtes Lernen habe ich da gesehen, Begeisterung, Leistungs- und Leidensfähigkeit. Als Extremsportler wollte ich das natürlich auch ausprobieren und habe gleich mal einen Handstand auf dem Ding gemacht.

Daraufhin hast du die weltweit erste wissenschaftliche Arbeit übers Skateboarden geschrieben.
Damit habe ich natürlich nicht die Welt neu erfunden, es war ja nur ein Staatsexamen. Aber ich habe untersucht, ob sich Skateboarden als Schulsport eignet oder nicht, und ich kam zu hervorragenden Ergebnissen. Damit ging’s los, und weil meine Schüler-AG vernünftige Skateboards brauchte, habe ich mich aufgemacht und welche besorgt. Erst in Europa, später in den USA.

Wie würdest du die damalige Skate-Szene beschreiben?
Da bildete sich etwas ganz Eigenständiges, das nichts mit vorübergehenden Trends zu tun hatte. Als Skateboarder ist man Teil einer ästhetischen Gesinnungsgenossenschaft, wie ich es nenne. Skateboarden ist Selbstbestimmung pur. Auch Sportarten kann man in selbstbestimmt und fremdbestimmt unterscheiden, und Skateboarder entscheiden selbst, wann und mit wem sie fahren wollen. Alles, was man selbstorganisiert macht, macht man intensiver, schneller und gründlicher. Kinder und Jugendliche verändern sich, wenn sie sich aufs Skateboard stellen.

Hast du dich bei deinem Handstand verändert?
Der Handstand markierte den Beginn meiner Veränderung. Das hatte auch mit meinem Alter zu tun: Dadurch, dass ich 15 Jahre älter war als der älteste Skateboarder, sind mir natürlich alle Papa-Aufgaben zugefallen. Titus, mach mal, Titus, hol mal, hieß es immer. Titus, wir brauchen ein Magazin. Titus, wir brauchen eine Halfpipe. Also hing ich 1984 den Lehrerberuf an den Nagel und kümmerte mich ganz um die Szene.

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Das Titus Show Team auf Tour, um 1980 (Foto: Privatarchiv Titus Dittmann)

Die immer noch Probleme hatte.
Anfangs konnte man nirgendwo länger als eine Viertelstunde skaten, dann kam schon die Polizei. Unsere Holzhalfpipe machte natürlich auch viel Krach. Wir hatten wirklich ein Problem mit der Frage, wo wir unserem Sport nachgehen konnten. Die Antwort war, uns Show-Team zu nennen. Dieselbe Halfpipe, die vorher für Schwierigkeiten gesorgt hatte, stand dann zum Beispiel auf dem Gelände eines Autohauses, das einen neuen Wagen bewerben wollte. Und wir waren eine der Hauptattraktionen, obwohl wir zunächst nicht anderes draufhatten, als in der Pipe hin und her zu fahren. Trotzdem: Die Polizei blieb weg und wir hatten Cola, Würstchen und Fritten. Irgendwo spielte noch eine Band und es gab ein paar Hundert Zuschauer bei unseren Versuchen, Tricks zu lernen.

Manche deiner alten Wegbegleiter sagen, du warst kein richtiger Skater. Betrachtet man aber alte Fotos, sieht man dich oft auf dem Skateboard.
Zu dieser Manager-Rolle kam ich ja erst durch aktives Skaten. Dass ich mehr als Organisator gesehen wurde, lag auch am Altersunterschied. Kein anderer war in der Lage, organisatorisch tätig zu werden. Natürlich haben mir viele geholfen, beim Monster-Skateboard-Magazin etwa, denn im Team läuft alles besser. Aber so kam ich dann auch nicht mehr dazu, viel zu skaten. Am Anfang war ich noch bei unserem Show-Team dabei, aber weil damit auch nach und nach Geld verdient werden sollte, war es für mich logisch, dass ich die fahren ließ, die mehr draufhatten und selbst nur den Moderator spielte.

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Foto: Privatarchiv Titus Dittmann

»Anfangs konnte man nirgendwo länger als eine Viertelstunde skaten, dann kam schon die Polizei.«
Titus Dittmann

Wie kam es zu den ersten, von dir organisierten Skate-Wettbewerben?
Ganz einfach: Alle hatten Bock drauf. Wir haben Punkte- und K.O.-Systeme ausprobiert, aber das war eigentlich egal, weil der Wettkampf an sich nicht im Vordergrund stand. Beim Skaten geht es um das euphorische Gefühl, sich selbst besiegt zu haben, entsprechend werteten wir Kreativität, Wagemut und Charisma höher als Können. Inzwischen ist das ganz anders. Skateboarden wird olympisch! Ich befürchte, dass die pädagogische und soziologische Kraft des Skateboardens verwässert wird, wenn nur noch „schneller, höher, weiter“ gilt.

Und wie wurde die Weltmeisterschaft daraus?
Irgendwann wurde es teuer, weil ich Preisgelder auszahlen musste. Wenn man will, dass Zuschauer kommen, braucht man Sponsoren. Die bekommt man, wenn das ganze Weltmeisterschaft heißt, also wurde aus dem „Münster Monster Mastership“ eine WM.

Du hast dir die WM selbst genehmigt?
Ich wollte, dass unsere Sache größer wird und brauchte Öffentlichkeit. Über den Titel „Europameisterschaft“ – ich konnte das immer schön „offiziell“ nennen, weil es keine Mitbewerber gab – kamen wir zu „World Cup“ und ab 1989 dann zu „Weltmeisterschaft“. Die Leute kamen ja auch aus aller Welt. Damit dann die Presse nicht ständig weiter nach einem Weltverband fragte, habe ich mit einem Amerikaner schließlich „World Cup Skateboarding“ gegründet. Spätestens damit war es offiziell.

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Organisator trifft Legende: Dittmann mit Tony Hawk bei der Skateboard-WM in Münster 1989 (Foto: Privatarchiv Titus Dittmann)

Welche Rolle spielte Musik bei alldem?
Der Szene war musikalische Untermalung ziemlich wichtig, ich als „alter Sack“ hatte davon aber nicht wirklich Ahnung. Die Bands für unsere Monster-Rocknächte haben meistens meine Jungs vom Team ausgesucht, so kam die Musik aus der Szene. Wir haben Shows veranstaltet mit Motörhead, Thumb, Mando Diao, den Donots, Kid Rock oder den H-Blockx. Deren Kopf Henning Wehland bedankt sich noch heute bei mir dafür, dass ich seine Karriere gepusht habe. Im Gegenzug hat er mir viele Erinnerungen beschert: Wie die H-Blockx einmal unter größtem Gestank in der Viehversteigerungshalle der Halle Münsterland Headliner waren. Wie ich die Band für eine Show in der Innenstadt auf die Ladeflächen eines Siebentonners gestellt habe, mit einer Halfpipe davor als Bühnengraben. Skateboarden hat viel mit Musik tun, und da hineingezogen worden zu sein, finde ich natürlich immer noch schweinegut.

Wie siehst du die Skateboard-Kultur heute?
Inzwischen bin ich auch über meinen Lehrauftrag an der Uni Münster gezwungen, mir Gedanken zum Skateboarden zu machen. Was kann das Skateboard außer rollen, was stellt es mit Menschen an, wie formt es Kinder zu Persönlichkeiten? Deswegen lautet der Slogan bei meiner Stiftung Skate Aid auch: „Wir machen Kinder stark“. Denn wer skateboardet, traut sich mehr zu, insofern sehe ich Skate-Kultur immer noch so wie früher. Aber das Wertesystem hat sich schon verändert. Ich glaube, zwischen selbstbestimmtem und fremdbestimmtem Lernen fehlt die Balance, denn selbstbestimmtes Lernen findet kaum noch statt, und so werden manche Kinder nicht mehr zu Individualpersonen.


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Der Soundtrack der Pixel-Pipe

Für die meisten Menschen ist der 27. Juni 1999 ein Tag wie jeder andere. Ein sommerlicher Sonntag, an dem man vielleicht ausschläft, ein Eis essen geht oder sich die Sonne auf den Bauch scheinen lässt. Fans von Fun-Sportarten wie Skateboarding werden sich diesen Sonntag später allerdings mit einem dicken roten Kringel in ihrem Kalender markieren. Denn an diesem verlängerten Wochenende finden in den USA zum fünften Mal die X Games statt, die die besten Skater:innen, BMX-Fahrer:innen und Motocross-Jockeys der Welt an einem Ort versammeln. Einer von ihnen: Profiskater Tony Hawk, der mit seinen 31 Jahren rein oberflächlich nicht mehr viel mit der Punk-Attitüde des Sports zu tun hat. Trotzdem sorgt er im Halfpipe-Wettbewerb mit seinen Regelbrüchen für offene Münder.

Nach zehn Fehlversuchen steht er beim elften, der schon längst nicht mehr in die Wertung einfließen wird, den ersten 900 der Skateboard-Geschichte – also eine zweieinhalbfache Drehung um die eigene Achse. Das Publikum ist außer sich, seine Kolleginnen feiern mit ihm. Und obwohl Hawk im darauffolgenden Videointerview diesen Moment als den wichtigsten in seinem Leben bezeichnet, hat er noch ein weiteres Ass im Ärmel: das Videospiel „Tony Hawk’s Pro Skater“ – oder „Tony Hawk’s Skateboarding“ in Europa –, das nur einen Monat später erscheinen und wie eine Bombe einschlagen wird. Vom Einfluss, den „sein“ Spiel haben wird, kann Hawk allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen. Denn schon zwölf Jahre zuvor gab es die ersten Skateboard-Games für die Spielhalle, PCs und Konsolen; ein kulturelles Phänomen wurde allerdings keines davon.

Die erste Möglichkeit, sich selbst auf ein virtuelles Board zu stellen, wird 1987 veröffentlicht. „720°“ ist nach dem gleichnamigen Trick benannt, erscheint unter anderem auf dem C64 und dem NES und ist für seine Verhältnisse relativ komplex. Spieler:innen können Slalomkurse absolvieren, in Halfpipe-Wettbewerben antreten und durch Hinderniskurse manövrieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch „Skate Or Die!“, das 1988 für alle populären Systeme erscheint. Das Besondere ist aber weder die Grafik, noch das Gameplay, sondern die musikalische Magie, die Komponist Rob Hubbard aus dem Soundchip des C64 kitzelt. Denn der Titelsong zu „Skate Or Die!“ reizt das, was der „Brotkasten“ normalerweise musikalisch draufhat, maximal aus. Das Arrangement der Samples durch Hubbard klingt fast nach einem „echten“ Vierspur-Track, inklusive verzerrter Gitarre und treibendem Schlagzeug. Das Dreieck aus Videospiel, Musik und Skateboarding ist also schon in den 80ern quicklebendig. Aber passend zur auf- und abebbenden Beliebtheit des Sports im Allgemeinen passiert im darauffolgenden Jahrzehnt wenig, was wirklich der Rede wert wäre – bis eben 1999 das erste Spiel der „Tony Hawk“-Reihe erscheint.

Superman

In einem Interview mit dem US-amerikanischen Videospielmagazin Polygon erinnert sich Joel Jewett, Gründer des Entwicklungsstudios Neversoft, an das Jahr 1998, in dem der Grundstein für die Spielereihe gelegt wird. „Es gab damals einen enormen Skateboarding-Trend, und dann klopfte der Publisher Activision bei uns an und fragte, ob wir ein Spiel dazu machen wollen“, sagt Jewett. „Und wir nur: ‚Verdammt noch mal, ja!‘ Vor allem, weil sich die Idee einfach nach einem wilden und verrückten Sportspiel anhörte. Mit Activisions Hilfe legten wir also direkt los.“

Jewetts erste Amtshandlungen: eine Halfpipe in seinem Garten zu bauen, der Belegschaft Skateboards zu kaufen und mit seinen Arbeitskollegen Tricks zu üben, um ein Gefühl für den Sport zu bekommen. „Wir haben einfach immer mehr Leute angeheuert, die skaten konnten, und rollten dann zusammen los“, erzählt Jewett. Relativ schnell wird der Belegschaft von Neversoft klar, dass sie die Slalomfahrten aus vorherigen Skate-Spielen streichen und ihren Fokus auf die Ausübung echter Tricks in alltäglichen Umgebungen setzen wollen. Passend zum realistischen Ansatz legt das Team auch Wert auf den richtigen Soundtrack. „Tony Hawk’s Pro Skater“ soll das tatsächliche Gefühl des Skateboardens simulieren, quasi ein spielbares Skatevideo werden. „Damals hatten Videospiele meistens orchestrale Musik“, erinnert sich Jewett. „Und wir dachten uns: ‚Fuck, bei dieser Art von Spiel können wir einfach echte Rockmusik einbauen.‘ Also haben wir einige Titel lizenziert und ins Spiel gepackt.“

Der Kontakt zu den Bands wird dabei, ganz getreu dem DIY-Ethos des Skateboarding, über zwei Ecken hergestellt. Die Ex-Frau des Chefgrafikers Silvio Poretta klopft beispielsweise bei Suicidal Tendencies an, die dem Spiel den Track „Cyco Vision“ spendieren. Klingt erst mal etwas chaotisch? Laut Hawk war es das auch. „Die Soundtracks entsprachen ziemlich genau der Musik, die mir gefiel und mit der ich beim Skaten aufgewachsen bin“, erklärt er in einem Interview. „Bei den ersten Spielen konnte ich jede Menge Input liefern, denn es gab keine großen Erwartungen und wir konnten mehr herumexperimentieren. Ich wollte einen Soundtrack haben, der den Skater-Lifestyle verkörperte. Und ich wollte Skater dazu bringen, sich eine Konsole zu kaufen. Ich dachte, die Kids würden die Authentizität der Spiele zu schätzen wissen. Und dann wurde plötzlich eine ganze Generation von Spielern dazu inspiriert, selbst auf ein Board zu steigen.“

Was man fairerweise dazu erwähnen sollte: Rückblickend ist der erste Teil der „Tony Hawk“-Reihe weder eine spielerische noch eine grafische Offenbarung, obwohl der Titel mehrere hunderttausend Einheiten absetzen und sich in zahlreichen Jahresbestenlisten von Videospielmagazinen platzieren kann. Der Soundtrack allerdings ist auch heute noch für viele, die ihre Jugend in den 90er Jahren durchlebt haben, synonym mit einer echten Revolution im Videospielbereich und mit einem spezifischen Lebensgefühl verbunden. Mehr noch: Für die beteiligten Bands erweist sich der ungewöhnliche Vertriebskanal als echter Goldesel. Besonders profitiert davon haben Goldfinger, die ohne „Tony Hawk’s Pro Skater“ und den darin enthaltenen Song „Superman“ weitaus weniger bekannt wären als sie es heute noch sind.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass uns jemand gefragt hat, ob wir einen Song beisteuern wollen“, erklärt Goldfinger-Frontmann John Feldmann. „Ich wollte damals einfach auf keinen Fall wieder Schuhe verkaufen müssen, deswegen haben wir jede Promo-Gelegenheit wahrgenommen. ‚Superman‘ war nur ein Song, den wir noch irgendwo rumliegen hatten, und jetzt ist es unser größter Hit. Er hat es nie als Single ins Radio geschafft, was definitiv beweist, was für einen großen Einfluss diese Spielereihe hatte. Es gab vorher nichts Vergleichbares. Eine Punkband, die über ein Videospiel bekannt wird? Undenkbar. Keine der Bands auf Fat Wreck, Epitaph oder SST hatten wirklich die Chance, im Radio gespielt zu werden. Sie mussten Shows spielen und Platten verkaufen. Da war das Spiel das beste Promo-Tool, das es jemals gegeben hat.“ Goldfinger spüren diese Entwicklung direkt: Als sie auf ihrer zweiten Europatour überhaupt für die Bloodhound Gang in Manchester eröffnen, weiß laut Feldmann kein Mensch, wer da auf der Bühne steht – bis die Band „Superman“ anstimmt und die Leute völlig ausrasten. „Das hat bewiesen, wie enorm erfolgreich ‚Tony Hawk’s Pro Skater‘ auch international geworden war“, sagt Feldmann.

Der Hawk-Hype schwappt allerdings nicht nur nach Europa über. Auch in Australien entdecken Jugendliche und Junggebliebene eine neue Subkultur durch digitale Skate-Sessions. So wie die Mitglieder der „Tony Hawk“-Soundtrack-Coverband Birdman, die mit dem Sport an sich vorher teilweise nichts zu tun haben. „Ich gestehe: Ich hatte eines dieser Razor-Boards, weil ich einfach nicht skaten konnte“, erzählt Gitarrist Josh Newman. „Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass die Dinger zu der Zeit einfach sehr angesagt waren. Ich habe meine Skateboard-Träume einfach im Spiel ausgelebt. Ich muss damals 14 Jahre alt gewesen sein und konnte einfach nicht aufhören zu spielen. Die ersten vier Spiele haben meinen musikalischen Horizont enorm erweitert, vorher hatte ich mit HipHop nichts am Hut und kannte auch Bands wie die Dead Kennedys nicht. Sowas lief eben damals nicht im Radio oder im Fernsehen. Tony Hawk hat die Playlist unserer Jugend kuratiert, und es war großartig.“

Birdman or (The Unexpected Virtue of a Tony Hawk Pro Skater Band)
byu/beard_guy inTHPS

Bassist Simeon Bartholomew ergänzt: „Oh scheiße, ich muss zugeben, ich kann weder skaten noch Fahrrad fahren. Ich hatte mit zwölf eine schwere Knieverletzung, von der ich mich erst mit 27 erholt habe. Die Veröffentlichung des Spiels kam mir da wie gelegen, ich hörte zu der Zeit enorm viel The Offspring, und so konnte ich von meiner Couch aus skaten.“ 15 Jahre später führt ein Twitter-Witz um das Filmposter von „Birdman“, auf dem Schauspieler Michael Keaton von einem befreundeten Grafikdesigner durch Tony Hawk ersetzt wird, zu einer ersten Festivalshow als Coverband. Nach zahlreichen Konzerten gipfelt die unwahrscheinliche Karriere der Band im Juni 2019 letztlich in einem riesigen Benefizkonzert in San Diego anlässlich des 20-jährigen Geburtstags des ersten Spiels, bei dem die Australier die Punk-Legenden Bad Religion supporten dürfen, irgendwann steht sogar Hawk höchstpersönlich auf der Bühne. „Ich denke, ein Grund dafür, dass wir immer noch Shows spielen können, ist die Tatsache, dass wir das Ganze nicht ironisch verklären“, sagt Newman zum Erfolg der Band. „Wir hätten nie gedacht, dass wir mehr als nur eine Show spielen werden. Und dass uns Tony Hawk jetzt auf Twitter Nachrichten schreibt, kann keiner von uns noch so wirklich fassen.“

Guerrilla Radio

Ende 1999 ist Hawk selbst und den Entwicklern von Neversoft klar, dass sie schleunigst nachlegen müssen. Im Gegensatz zu heutigen Produktionszyklen von mehreren Jahren erscheinen Videospiele aus bekannten Reihen in den 90ern und frühen 2000ern noch mit Abständen von ein oder zwei Jahren. Logisch also, dass die Macher das Eisen schmieden wollen, so lange es heiß ist. Wie heiß es tatsächlich sein soll, wird schnell klar. Im September 2000 erscheint „Tony Hawk’s Pro Skater 2“, der wahre Meilenstein der Reihe. Denn wo der erste „Tony Hawk“-Titel noch viel mit einem experimentierfreudigen Debütalbum zu tun hat, ist der zweite Teil pures Gold, ein Medium, das seine Stimme gefunden hat. Erstmals finden sich auch HipHop-Acts wie Naughty By Nature auf dem Soundtrack, um auch die musikalische Horizonterweiterung in der Skate-Szene weg vom Punk hin zu anderen urbanen Musikkulturen und vor allem zum Street-Skating widerzuspiegeln.

Da ist es beinahe schon nebensächlich, dass die Entwickler auch ordentlich an Grafik, Steuerung und Gameplay schrauben und jetzt beispielsweise auch Manuals und damit noch irrsinnigere Trick-Kombos möglich machen. Was hängen bleibt, ist die Musik. Fu Manchu teilen sich den CD-Speicherplatz mit dem Nu Metal von Papa Roach und dem heiligen Triumvirat aus Bad Religion, Millencolin und Lagwagon. Mehr Skate Punk in einem Spiel geht nicht. Wer um die Jahrtausendwende eine Spielkonsole besitzt und heute „May 16“ oder „No Cigar“ hört, denkt mit Sicherheit zuerst an das legendäre Schullevel oder den ominösen „Skate Heaven“. Waren die oben genannten Songs genauso wie der Bad-Religion-Track „You“ in der Szene schon bekannt, erreichten die Bands durch den Game-Soundtrack ein neues Bekanntheitslevel. Die Punk-Legenden um Greg Graffin etwa lassen es sich laut Hawk nicht nehmen, ihren Videospiel-Hit auf beinahe jeder Show in die Setlist zu packen, obwohl sie genug Auswahl aus ihrem Backkatalog hätten – oder eben gleich in Hawks Namen bei einer großen Benefizshow aufzutreten.

In etwas kleinerem Rahmen huldigen die Niederländer John Coffey dem bahnbrechenden Titel, den diverse Magazine in die Top 5 der besten Videospiele aller Zeiten wählen. Im Mai 2016 spielen die Hardcore-Punks zwei Shows in Deventer und Eindhoven und üben dafür ausschließlich Songs des Soundtracks von „Tony Hawk’s Pro Skater 2“ ein. Gitarrist Alfred van Luttikhuizen spielt mittlerweile bei der skatepunkaffinen Band Tusky, die zum Release ihrer EP „Love Love Love“ im Mai 2019 ein eigens designtes Skatedeck verlosen. Seine Faszination für das Spiel erklärt er so: „Wir waren elf, als wir unsere erste Playstation bekamen. Nach ein paar Jahren haben wir sie gehackt und uns Spiele gekauft, die eigentlich nicht darauf liefen“, sagt er. „Das erste war tatsächlich ‚Tony Hawk’s Pro Skater 2‘ – und wir hingen ein ganzes Jahr davor. Es war magisch! Das Spiel war meine Einführung in die Welt von Punkrock und Skate Punk. Metallica, Grunge und Rage Against The Machine kannte ich schon. Für mich haben diese Bands immer das Spiel repräsentiert, nicht andersherum. Mit dem Skaten habe ich es schon früher versucht, als ich fünf war. Ich war nie gut, aber mein Bruder und ich haben unsere gefälschten Chucks angezogen und an der lokalen Halfpipe in Utrecht abgehangen. Später habe ich mir ein billiges Board gekauft, meine Schuhe geschrottet und dann keinen Bock mehr gehabt. Aber Mann, diese Shows waren das Coolste, was ich jemals gemacht habe. Es war einfach ein großartiger Vibe, beinahe religiös.“

Not The Same

Vielleicht werden die ersten beiden „Tony Hawk“-Spiele nur zur richtigen Zeit veröffentlicht, vielleicht tragen sie auch zu dem immensen Skate-Boom bei, der die USA in den folgenden Jahren überrollt. 2001 steigen mehr Jugendliche auf Skateboards als Baseballschläger in die Hand zu nehmen. Skater wie Hawk, Chad Muska und Bam Margera gewinnen auch in anderen Feldern wie Musik und Film an Strahlkraft und der Sport wird mehr und mehr durchkommerzialisiert. Eigentlich also ein idealer Nährboden für das laut Metacritic mit 97 von 100 Punkten am besten bewertete Playstation-2-Spiel aller Zeiten: „Tony Hawk’s Pro Skater 3“.

Obwohl das Spiel mehrere Millionen Einheiten verkauft, wird spätestens jetzt klar, dass die Kombination aus exzellentem Soundtrack – dieses Mal unter anderem mit AFI, Bodyjar, Redman und der Rollins Band – und flottem, arcadelastigem Gameplay sich langsam aber sicher abzunutzen beginnt. Die spielerischen Neuerungen sind minimal, der Online-Multiplayer krankt an schlechten Netzwerkverbindungen, der Einfluss auf die Subkultur ist kaum messbar. Das ist nicht verwunderlich, denn die „Tony Hawk“-Formel ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Oktober 2001 längst im Mainstream angekommen, ebenso wie der dazugehörige Sport und seine Akteure. Kurz: Die Magie der ersten zwei Spiele fehlt – trotz des Erfolgs. Spätestens als der Ursprungsentwickler Neversoft 2007 die Lizenz abgeben muss, rollt die Serie unaufhaltsam in Richtung Mittelmaß.

Die spielerische Katastrophe „Tony Hawk’s Pro Skater 5“, die 2015 erscheint, brennt sich als letztes ärmliches Aufbäumen einer der größten Videospielreihen aller Zeiten in das Gedächtnis von Spieler:innen ein; die Konkurrenzserie „Skate“ hat dem Altmeister zu diesem Zeitpunkt längst den Rang abgelaufen. Dennoch: So ganz kann die Popkultur nicht von Tony Hawk lassen. Anfang des Jahres feiert die Doku „Pretending I’m A Superman“ bei einem Festival ihre Kinopremiere, die mit neuen Interviews und Archivszenen den Aufstieg und Fall der Spielereihe beleuchtet. Auch virtuell bemühen sich Hobby-Entwickler und Modder darum, den Geist der frühen „Tony Hawk“-Spiele am Leben zu halten. Über THPSX etwa, der weltweit größten Community für „Tony Hawk“-Spiele, organisieren sich Fans, tüfteln an Projekten und tauschen Musikempfehlungen aus. Die Modifikation „THUG Pro“ für „Tony Hawk’s Underground 2“ lässt Spieler:innen mit über 100 Skatern durch 50 Level rollen und beinhaltet jeden Trick aus dem gesamten Franchise – und das komplett kostenlos.

Nachdem die ersten Spiele lange nicht mehr regulär im Handel zu bekommen waren, selbst gebrauchte Versionen erst mal zum Laufen gebracht werden mussten und die „Tony Hawk“-Reihe zuletzt vor allem als nostalgische Erinnerung in den Köpfen der Ü30-Generation weiterlebte, kehrt die Videospiel-Legende 2020 nun noch einmal zurück: Teil 1 und 2 kommen am 4. September als Remaster erneut zu Ehren – mit zeitgemäßer Grafik und Zusatzinhalten, aber auch mit den alten Skatern, den alten Levels und dem alten Soundtrack. Die Reaktionen der Fans auf die Ankündigung fallen begeistert aus, und Tony Hawk selbst hatte schon im vergangenen Jahr nur warme Worte für das Spiel übrig, das ihn so bekannt gemacht hat: „Mein Leben würde wohl ähnlich aussehen, aber ich hätte nie die Möglichkeiten in meinen Dreißigern und Vierzigern gehabt“, sagt Hawk. „Die Spiele haben verhindert, dass ich schlecht bezahlte Jobs annehmen musste, nur um meine Familie zu ernähren und mir erlaubt, weiter zu skaten – nach meinen eigenen Regeln.“


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Löcher im Schuh

Claus, wie würdest du Skateboarding und die zugehörige Kultur charakterisieren?
Claus Grabke: Skateboarden zu definieren, ist schwer. Ein Skater kann etwa auch einer sein, dem es noch nicht einmal gelingt, einen Drop-in in der Halfpipe zu machen. Er kann Skateboarden trotzdem kapieren und tief drin sein. Ein echter Skater kann aber Weltmeister in seiner Sportart sein. Beide teilen etwas miteinander und schätzen Skateboarden als etwas Besonderes. In seiner besten Form ist Skateboarding sehr ehrlich, „real“ würde man heute sagen. Es ist eine Sportart, die sich ständig verändert, und das in einer Welt, in der andere Sportarten ein ganz stringentes Regelwerk brauchen.

Wie bist du selbst zum Skateboarden gekommen?
Ich bin in Gütersloh gut und behütet aufgewachsen. In der Schule war ich aber unsicher, was meine Rolle angeht. Ich passte da nicht richtig rein. Mit elf bot mir jemand mein erstes Bier an – und ich habe es abgelehnt. Dabei ist es bis heute geblieben. Geraucht habe ich auch nicht. Dadurch war ich ziemlich außen vor. Deshalb habe ich viel mit meinem Cousin Jochen unternommen und irgendwann haben wir dann aus einem Topfdeckel und einem Rollschuh etwas gebastelt, das man mit viel Fantasie als Skateboard bezeichnen konnte. Mit dem Ding und anderen Konstruktionen fuhren wir seit zwei oder drei Monaten rum, als zum ersten Mal im ZDF Sportstudio das Banzai-Team auftrat – und wir bemerkten, dass es so etwas längst gab.

Wie habt ihr darauf reagiert?
Wir waren völlig perplex, denn lange Zeit waren mein Cousin und ich in Gütersloh die einzigen, die Skateboard gefahren sind. Die erste Gruppe von Gleichgesinnten, die wir getroffen haben, waren Kinder von hier stationierten englischen Soldaten. Mein Vater erzählte uns irgendwann, dass er in der Stadt ein paar Jugendliche mit Rollbrettern gesehen hätte. Also bin ich da hin und tatsächlich waren da so 20 englische Kids, mit denen wir dann gefahren sind.

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Mit lokalen Contests, hier in Marl, geht es los für Claus Grabke (Foto: Ulrich Kattenstroth)

Was hat dich am Skateboarding so fasziniert, dass es später zu deinem Beruf wurde?
Als Beruf würde ich das nicht bezeichnen. Das hat sich einfach so entwickelt. Ich habe mich sehr gut darin wiederfinden können, zumal es am Anfang auch keinerlei Kleidungskodex gab – man hat angezogen, was fürs Skaten geeignet war. Irgendwann bekam ich das erste Skateboard-Magazin in die Finger. Die Typen, die ich darin sah, hatten lange Haare und trugen lustige Shorts. Das hat einen mit der Zeit geformt und sozialisiert. Musik spielte anfangs eine untergeordnete Rolle. Es gab zwar ein paar Skateboard-Filme mit Musik, aber die waren hier nicht zu sehen. Meine musikalische Initialzündung hatte ich dann während eines Englandaufenthalts 1977. Es gab damals so eine Art Austausch zwischen deutschen und englischen Skateboard-Vereinen, dadurch bin ich knapp anderthalb Wochen in London gewesen.

Dort warst du dann auch skaten?
Klar, ich bin dort das erste Mal in einem Pool gefahren. Bis dahin habe ich nur Freestyle und Slalom gemacht. Der Typ, bei dem wir übernachteten, war außerdem schon Punkrocker, während ich damals auf Deep Purple stand. Es ergab sich dann relativ schnell, dass sich Skateboarding und Punk parallel entwickelten – nicht nur bei mir, sondern bei allen.

Gibt es für dich kulturelle Parallele, die dafür sorgten, dass Punkrock und Skateboarden so gut zueinander passten?
Skateboarden war immer dann am interessantesten – und das gilt auch für die Musik, die aus diesem Bereich kommt –, wenn es die Mehrheit nicht interessiert hat. Nachdem der erste Trend Ende der 70er abgeebbt war, gab es in jeder Stadt nur noch eine Mini-Szene. Man kannte jeden, der dazugehörte, man konnte sie schon von weitem an ihren Schuhen erkennen. Aus dieser Situation heraus hat sich dann etwas gebildet, das Skateboarden so verdammt cool gemacht hat. Zunächst war Skateboarden nur ein Trendsport – so wie Hula-Hoop-Reifen oder Jojos. Aber dadurch, dass es aus dem allgemeinen Interesse wieder verschwunden ist, konnte etwas entstehen, das auch Berührungspunkte mit Musik hatte. Zu der Zeit wurden die ersten Bands von Skatern gegründet. Es wurden Konzerte veranstaltet, bei denen vorher zusammen geskatet wurde, und vieles mehr.

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Als Pro-Skater freundet sich Grabke mit US-Legenden wie Tony Alva an (Foto: Dana Grabke)

Was davon findet sich heute noch im Skateboarding wieder?
Der Look der Skater zum Beispiel. Am Anfang sahen Skater bewusst nicht so aus wie alle anderen. Dann die permanente Metamorphose, der Skaten bis heute unterworfen ist. Und nicht zuletzt lernt man als Skater mehr als jeder andere, dass man nach dem Hinfallen direkt wieder aufsteht. Zu 90 Prozent besteht Skaten ja darin, hinzufallen.

Eine schmerzhafte Art, etwas zu lernen.
Nicht unbedingt, aber du scheiterst in jedem Fall beim ersten Versuch, einen Trick zu stehen, den du dir ausgedacht hast oder nachmachen willst. Skater sind deshalb recht rigoros in ihren Entscheidungen. Ich merke im Gespräch schnell, ob jemand Skateboard-History hat, es prägt das Denken und Handeln der Leute. Es ist ja auch nicht genug, einen Trick einfach zu stehen. Man muss ihn so lernen, wie er sein soll: Er muss gut aussehen und deine Persönlichkeit widerspiegeln.

Aus was für Leuten setzte sich die Skateboard-Szene damals zusammen?
Vor allem Leute aus Kleinstädten haben Skateboarding und Musik verbunden. Dennis Lyxzén von Refused ist einer von ihnen. Solche Leute erkennt man auf der Straße wieder, weil sie an der gleichen Stelle wie du ein Loch im Schuh haben.

Und man kommt ins Gespräch.
Genau. Daraus hat sich eine sehr interessante, eigenständige Kultur entwickelt. Schau dir Metallica an, die hatten eigene Boards. Oder Henry Rollins, der hat für die Achsen von Independent Werbung gemacht und fuhr auch selbst. Ian MacKaye von Minor Threat ist ein großer Befürworter des Skatens. Das sind alles Leute, die nicht aus den großen Metropolen kommen. Die aus den Metropolen sind einfach nur die guten Skateboarder geworden…

…, weil die Skater aus den kleineren Städten kein eigenes kulturelles Angebot hatten und sich ihre Musik selbst machen mussten?
Als Skater in einer deutschen Kleinstadt war man derart weit weg von allem, was man in den Skateboard-Magazinen gesehen hat, dass man selbst etwas machen musste. Weil die Motivation zu skaten so ungebremst war, schoss man auf lustige Art übers Ziel hinaus. In Gütersloh gab es eben nicht 365 Sommertage, an denen man im besten Skatepark der Welt fahren konnte, deshalb musste ich mir aus Holzresten selbst Rampen zimmern, die ich dann im Winter in die Tiefgarage gezerrt habe. Jeden Tag wurde ich da mehrfach rausgeschmissen und hab die Rampe trotzdem wieder aufgebaut. Diesen wahnsinnigen Drang, nicht nur etwas, sondern mehr zu machen, das teilen auf der Welt ganz viele Skater mit einem.

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Noch in den 80ern gründet Claus Grabke Eight Dayz (Foto: Claus Grabke)

Auch den Drang, es selbst zu machen?
Auch das. Mein Gedanke war: Wenn Steve Caballero eine Band hat, will ich auch eine Band haben. Und es war mir völlig egal, ob meine Band gut ist. Und das ging anderen in ähnlichen Städten auch so. Daraus wurde eine Bewegung, die irgendwann in den großen Städten ankam. Plötzlich gab es eben auch in LA, wo ich Mitte der 80er viel war, diese ganzen Bands. Ich habe dort einen Typen kennengelernt, der O heißt und Konzerte veranstaltet. Mit dem war ich zweieinhalb Monate lang unterwegs und habe fast jeden Abend ein Konzert gesehen. Gemeinsam waren wir auf den ersten beiden Suicidal Tendencies-Konzerten – das waren eigentlich Massenschlägereien. Wir haben Black Flag und 1.000 andere Bands gesehen und in jeder davon war mindestens ein Skateboarder.

War Caballero auch aus einer kleineren Stadt?
Caballero kommt aus San José, der hässlichen Stiefschwester von San Francisco, wo wenig los ist. Das, was da los war, ging alles über ihn und die Leute aus seiner Band The Faction. Caballero hat deshalb bei sich im Garten eine eigene Rampe gebaut, Leute um sich geschart und ein Heft rausgebracht, Punkzine hieß das. Seitdem hat er in zig Bands gespielt, mal am Bass, mal an der Gitarre. Bis heute steht der nicht still, und das ist etwas, was auf viele der Leute zutrifft, über die wir hier reden: Die kommen definitiv nicht aus Südkalifornien.

Wann ist dann daraus das entstanden, was man Skate Rock nannte?
Den Begriff hat das Thrasher Magazine geprägt. MoFo, einer ihrer wichtigsten Redakteure, hatte ja selbst eine Band, die Drunk Injuns. Irgendwann lag dem Thrasher ein Tape bei, und man selbst konnte eins seiner eigenen Band hinschicken. So kam es, dass meine Band Eight Dayz 1987 mit zwei Songs auf dem „Skate Rock 5“-Tape vertreten war – neben Bands wie S.N.F.U. oder JFA, in denen lauter Skateboarder waren. Diese Tapes waren ein Signal, das überall verstanden wurde.

Wozu hat dieses Signal geführt?
Dass die Bands, die dadurch gegründet wurden, auch ein bestimmtes Weltbild miteinander teilten. Skater waren damals sehr linksliberal, freiheitsliebend und verfügten über einen starken Drang, sich selbst zu entfalten. All das konnten sie im Punkrock auch ausleben. Dazu gehörte auch, vor allem durch den Einfluss von Minor Threat, dass viele Skateboarder damals straight edge waren.

Ist die Bezeichnung Skate Rock etwas, das du teilst, oder siehst du den Begriff eher kritisch?
Wenn mich jemand fragt, ob ich Skate Rock machen würde, habe ich immer das Gefühl, er denkt, ich würde Punkrock wie Millencolin oder Blink-182 machen. Das ist offenbar die Musik, die von den meisten Leute mit dem Begriff Skate Rock verbunden wird. Ich habe nichts gegen Millencolin, aber die Musik, die sie machen, ist das letzte, was ich mir in meinem Leben freiwillig anhören würde. Pennywise, Millencolin und so – das war nie meine Musik. Punkrock ist für mich früher englischer Punk und später die amerikanischen Sachen wie Fugazi, Minor Threat & Co. Vielleicht noch Black Flag. Skate Rock als Begriff ist für mich auf die Zeit zwischen 1980 und 1990 begrenzt, als Thrasher diese Kassetten veröffentlicht hat.

Wie war Skate Rock zu dieser Zeit musikalisch definiert?
Der Begriff meinte nichts Anderes, als zu machen, worauf man Bock hatte. Deswegen waren auch Eight Dayz mit ihrem eher wavigen, indierockig-angehauchten Sound plötzlich auf einer der Thrasher-Kassetten. Daneben gab es aber auch Songs mit Geschrei oder Hundegebell, weil irgendein Typ aus Texas das eingeschickt hatte und es den Thrasher-Leuten gefiel. Aber es war definitiv nicht Melodic Punkrock. Das kam erst später.

Ist dieser Melodic Punkrock denn eine unmittelbare Entwicklung aus Skate Rock?
Ich glaube, die besten Vertreter des Skate Rock würden sich bis heute dagegen wehren, dass sie Skate Rock machen. Nichts wäre mir zum Beispiel peinlicher gewesen als ein Bandfoto, auf dem ich Skateboard fahre. Das einzige Bandfoto, bei dem das funktioniert hat, ist das von Minor Threat, wo sie auf der Treppe sitzen. Später wurde damit viel Unfug getrieben, es tauchten Skater in Bon-Jovi-Videos auf und irgendwelche MTV-Moderatoren sagten zu einem: „Du bist ja auch so ein Skater“ – „Was soll das denn sein – ein Skater?“ – „Ja, weißt du, einer, der voll gut drauf ist und ganz gerne mal kifft und Ska-Rock von Sublime hört“, und damit lieferte der MTV-Typ eine Charakterisierung, die mich überhaupt nicht beschrieb.

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Trendsport zu Gast im Mainstream: Grabke (2.v.l.) bei einem ZDF-Aufritt mit seinem Skate-Showteam (Foto: Archiv)

Gibt es denn trotzdem Berührungspunkte zwischen Millencolin und der Art von Skate Rock, die du gerade beschrieben hast?
Zunächst sind Millencolin eben Skateboarder, die skaten ja alle wirklich selbst. Zum anderen ist es der Do-It-Yourself-Gedanke. Millencolin machen alles selbst, auch ihre Grafiken. Ob mir das gefällt, ist egal, Hauptsache sie machen es selbst. Und das Label, auf dem Millencolin waren – Burning Heart Records – ist auch ein Laden, der von Skateboardern geführt wurde.

Wann hat bei dir die Entwicklung weg vom Skater hin zum Musiker eingesetzt? Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, etwa eine Verletzung?
Lange Zeit ging beides parallel. Am Anfang hatte ich das Problem, dass ich diesen Punkrock-Sound zwar gerne gehört habe, aber nicht in mir hatte. Ich war mehr The Smiths-Fan. Deshalb wäre es für mich nicht ehrlich gewesen, in einer tollen Punkrock-Band zu spielen, nur um sagen zu können, dass ich in einer Punkrock-Band spiele.

Hat es deshalb so lange gedauert, einen passenden Gitarristen zu finden?
Zumindest einen, mit dem ich musikalisch auf einer Wellenlänge war. Im kleinen, improvisierten Kellerstudio meines Bruders haben wir dann schnell zwei Songs aufgenommen und an Thrasher geschickt. Einer davon war „What’s So Strange About Me?“ und wurde anschließend Titelsong im „Wheels Of Fire“-Video von Santa Cruz. Darin sind noch acht weitere Songs von uns zu hören, für die uns Santa Cruz die Studiozeit bezahlt hat. Die Aufnahmen der Songs haben wir noch mit einem Drum-Computer gemacht und fanden das auch stilistisch gut. Die beiden Songs auf dem Thrasher-Tape brachten uns dann einen Deal mit Nuclear Blast ein, weil deren Chef Markus Staiger das Tape im USA-Urlaub gehört hatte. Für das Label haben wir dann unser erstes Eight-Dayz-Album aufgenommen.

Während der Aufnahmen hat euch aber euer Gitarrist wieder verlassen.
Mir war zu der Zeit das Skaten wichtiger, ihm waren es dagegen zu wenig Proben, weil ich so viel unterwegs war. Für mich war Musik zu der Zeit etwas, das man lässig nebenbei machen konnte. Ergebnisse gab es ja trotzdem. Insgesamt haben wir mit Eight Dayz drei Alben gemacht, aber erst beim dritten Album, das sich überhaupt nicht mehr verkauft hat, war mir die Musik schließlich wichtiger als das Skateboarden. Ich glaube, so ähnlich ging es vielen. Bei Ian MacKaye bin ich mir jedenfalls sehr sicher, dass für ihn das Skateboarden lange Zeit wichtiger als die Band war. Erst durch die vielen Touren wurden Minor Threat für ihn nach und nach wichtiger. Es ist auch schwierig, beides gleichzeitig auf einem hohen Level zu machen.

Gibt es denn bei den Fertigkeiten Überschneidungen, die man fürs Skaten und fürs Musikmachen braucht?
In den Anfangstagen hätte ich das für mich mit „Nein“ beantwortet. Während ich auf dem Brett jeden Trick bis zum Erbrechen geübt habe, musste es im Proberaum für mich immer schnell gehen. Musik war damals nichts, das ich mit dem gleichen Ethos wie das Skaten betrieben hätte. Beim Musikmachen ging’s einfach nur um ein weiteres Ausdrucksmittel.

Hast du einen Lieblings-Skatesong?
Einzelne Songs zu nennen, fällt mir schwer. Wenn ich mich für ein Album entscheiden müsste, dann wäre es „The Shape Of Punk To Come“ von Refused. Dennis Lyxzén ist durch und durch Skater. Steve Caballeros Band The Faction gefiel mir auch immer sehr gut, die hatten geile Hooks. Für mich sind auch Minor Threat eine wahnsinnig gute Skateboard-Band. Und natürlich Suicidal Tendencies, deren Sänger Mike Muir ist ja der Bruder von Jim „Red Dog“ Muir, der wiederum der Erfinder von Dogtown Skates ist.

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Mit Brett und Bandana: Claus Grabke heute (Foto: Sik Bloemsma)

Würdest du sagen, dass du später mit Thumb auch Skate Rock gemacht hast?
Musikalisch sicher nicht, aber unsere Attitüde war auf jeden Fall die von Skateboardern. Bei Thumb haben ja nur Skater mitgemacht. Als wir damals unseren ersten Vertrag unterschreiben sollten, hatten wir die Wahl zwischen Roadrunner und der EMI. Dass wir bei EMI unterschrieben haben, hatte vor allem damit zu tun, was man bei Roadrunner in Sachen Marketing mit uns vorhatte. Wir wollten auf keinen Fall als Claus Grabkes Band verkauft werden und auch nicht als Band von Skatern. Deren erste Idee war aber, uns zusammen mit Dog Eat Dog auf Tour zu schicken und dabei eine Halfpipe auf die Bühne zu stellen, auf der die eine Band skaten sollte, während die andere gerade auftrat. Damit war die Sache für uns erledigt. Ich glaube, jeder andere Musiker hätte gesagt: Das machen wir.

Gibt es noch andere Dinge, bei denen ihr euch mehr wie Skater als wie Musiker verhalten habt?
Bei den Bandfotos haben wir immer sehr strikte Regeln gehabt. Auf Posing hatten wir gar keinen Bock. Beim Skaten muss alles real sein, deshalb wirft sich auf den Fotos auch keiner in Pose. Man macht ein Foto mitten im Trick und fertig. Wenn jemand versucht hat, uns posen zu lassen, haben wir sehr klar gesagt, dass wir das nicht machen. Man merkt eben deutlich, welche Bands rein durch Musik sozialisiert sind und welche nicht. Refused etwa haben einfach ihr Ding gemacht, das war so konsequent, wie es nur Skateboarder handhaben. Bei einem Konzert in der Berliner Wuhlheide etwa sollten neben Henry Rollins, Ignite, Shelter und Thumb auch Refused spielen, die gerade „The Shape Of Punk To Come“ aufgenommen, aber noch nicht veröffentlicht hatten. Jedenfalls kamen sie viel zu spät an, weshalb ihr Auftritt gestrichen wurde. Ich bot ihnen dann an, die Hälfte unseres Slots zu übernehmen, aber Dennis meinte nur: „Die wollen nicht, dass wir hier spielen. Fuck ‚em, we’re going home.“ Viel besser kann man die Skateboarder-Attitüde nicht auf den Punkt bringen: Dann halt nicht, du Arschloch.


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Punk, bevor es Punk gab

„Mike Muir hat gar kein Skateboard“, hat ein Feuilleton-Autor vor ein paar Jahren getitelt. Was war da denn los?
Mike Muir: Haha, da ist wohl was bei der Übersetzung verlorengegangen. Ich habe Hunderte Skateboards, eine riesige Sammlung, schließlich gehört meinem Bruder die Marke Dogtown Skateboards, auf der auch unsere Suicidal-Skateboards erscheinen. Was ich allerdings gesagt habe, ist, dass ich nicht mehr so richtig skate.

Und was machst du mit deinen ganzen Skateboards?
Die meisten davon sind in Kisten auf dem Dachboden verstaut. Ich hebe von jedem Release wenigstens eins auf, da sind über die Jahre viele zusammengekommen. Außerdem haben mir immer wieder Pros ihre Decks geschenkt, ich habe unterschriebene Boards, sowas fährt man natürlich sowieso nicht. Und als mir dann der Platz ausgegangen ist, sie alle aufzuhängen, musste irgendwann der Dachboden herhalten.

Hast du dein erstes Skateboard noch?
Nein, mein erstes Board war von meinem Bruder zusammengebastelt und ist längst kaputt. Damals konnte man noch nicht einfach so Decks kaufen, sondern er hat sie selbst gebaut, und sie haben nicht besonders lange gehalten. Eine Zeitlang war es cool, sich die zerbrochenen Boards an die Wand zu hängen, als eine Art Kriegstrophäe, daher kommt vielleicht dieser Trend von Skateboards als Deko. Aber mein erstes Board hat keine große Bedeutung mehr für mich, es ist kaputtgegangen, ich habe es weggeworfen und bin aufs nächste gestiegen, fertig.

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Mike Muir (r.) mit seinem Bruder Jim – Skate-Pionier und Dogtown-Skateboards-Gründer (Foto: Todd Huber)

Das war noch vor der Zeit der Fishtail-Boards mit den grellen Grafiken drauf?
Man musste sein Deck damals noch selbst aus einem Stück Holz ausschneiden, und wenn man ein Bild haben wollte, brauchte man jemanden, der gut malen konnte, und ein paar Filzer. Ich habe immer die abgelegten Boards meines Bruders bekommen, wenn er sich ein neues gebaut hat. Ich weiß noch, wie aufgeregt er war, als er das erste Paar Urethan-Rollen bekommen hat, das gab es vorher nicht. „Du wirst nicht glauben, was passiert ist!“, hat er gesagt, und ich saß da als kleiner Junge und hatte keine Ahnung, was los war. Aber es war natürlich eine riesige Verbesserung verglichen mit den fürchterlichen Ton-Rollen, die steinhart waren und gerattert haben wie sonstwas. Plötzlich konnte man ganz smooth fahren.

Wie sah denn Skateboarden damals für euch überhaupt aus?
Wie die meisten Menschen bestimmt wissen, haben die Dogtown-Leute das Skaten grundsätzlich verändert. Vorher gab es 360s und enge Shorts und Regenbogen-Kram, und dann kamen sie als Rebellen daher und haben alles umgekrempelt. Sie waren Punk, bevor es Punk gab. Die ersten Menschen, die in Pools geskatet sind, nicht mehr nur auf der Straße. Die Skateboards haben sich verändert, die Grafiken, alles. Dogtown haben das Skateboarden revolutioniert. Ich bin fünf Jahre jünger als mein Bruder, was im Alter von 15 beziehungsweise zehn viel ausmacht, und ich bin ihm einfach immer hinterhergelaufen und fand alles toll, was er und seine Leute gemacht haben.

Wie fanden eure Eltern das?
Die mochten das natürlich gar nicht, weder das Skateboarden noch später den Punkrock. Beides hatte diesen rebellischen Ruf, für sie war das so, als wären wir plötzlich in einer Motorrad-Gang. Und es stimmte ja auch, dass viele Menschen in der Szene Probleme mit dem Gesetz oder mit Drogen oder Alkohol hatten, also war es kein Wunder, dass meine Eltern es nicht so gerne sahen, wenn ich mit meinem Bruder und seinen Freunden abhängen wollte. Auch wenn ich das natürlich überhaupt nicht verstehen konnte.

Wie war die Atmosphäre innerhalb der Dogtown-Crew?
Ich erinnere mich an eins der ersten Male, als sie einen leeren Pool gefunden und angefangen haben, dort zu skaten. Es gab keine Konkurrenz, alle hatten einfach Spaß. Damals hatte kaum jemand Schoner, und alle haben sich ständig hingepackt und sind dann blutend und humpelnd wieder aufgestanden – mit dem breitesten Grinsen überhaupt. Ich sage immer: Es gab keine Kameras. Sie haben es für niemanden außer sich selbst gemacht. Sobald es um eine Reaktion von außen geht, verändert sich was, da kann man gar nichts gegen tun. Heute siehst du Leute, die einen unfassbaren Trick stehen und sich dann zur Kamera drehen und sagen: „Lass uns das noch mal aus einem anderen Winkel filmen“, weil es nicht mehr nur um die Sache an sich geht, sondern darum, sie für die Kamera oder Instagram oder was auch immer zu interpretieren. Aber damals hat zum Glück noch niemand auf sie geschaut. Es war das Leben in seiner reinsten Form.

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1987: Mike Muir auf dem Cover der Szene-Bibel Thrasher

Was war damals der Soundtrack zum Skateboarden – bevor es Suicidal Tendencies gab?
Die Musik war immer so heavy wie möglich. Das war noch vor Zeiten des Punkrock. Damals hatte jeder einen Ghettoblaster, aus dem laut Black Sabbath kam, und die Leute waren stolz auf diese Dinger. Wobei man sich diese Ghettoblaster nicht so überdimensioniert und schick wie im HipHop vorstellen darf. Das waren schrottige, abgefuckte Teile mit Klebeband drum, ziemlich punkig eigentlich, haha.

Und wie habt ihr euch dann aufgeteilt, dein Bruder das Skateboarden und du die Musik?
Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass die Rolle als kleiner Bruder nicht immer so leicht ist, wenn alle deinen großen Bruder kennen. Sobald ich aufs Brett gestiegen bin, waren alle Blicke erwartungsvoll auf mich gerichtet, und das war mir zu viel Druck. Ich wollte zum Spaß skaten, und ich war kein unfassbares Naturtalent. Es gab Leute, die jünger waren als ich und viel besser, und mir war klar, dass ich nicht zur nächsten Dogtown-Generation gehören würde. Aber es ist wie bei jedem Sport: Man muss nicht der Beste sein, um Spaß daran zu haben. Im Gegenteil macht es manchmal mehr Spaß, wenn der Wettbewerb außen vor bleibt.

Hast du bei Anderen beobachtet, dass Skateboarden zu sehr zum Job wurde?
Skaten ist über die Jahrzehnte immer wieder zum Trend geworden und dann wieder verschwunden, mal findet die Öffentlichkeit das Thema Dogtown total spannend, und mal nicht. Aber für uns ist Skateboarden nie ein Job gewesen, sondern ein Lifestyle. Skateboards waren früher nicht nur ein Sportgerät für uns, sondern ein Transportmittel. Wo andere Kids Fahrräder hatten, hatten wir Skateboards. Mein Bruder hat ja überhaupt nur damit angefangen, weil er Surfer war und es nicht immer genug Wellen gab, aber irgendwann hatten wir einfach alle immer ein Skateboard dabei. Wenn eine Situation komisch wurde, hast du dich auf dein Brett gestellt und warst weg – oder konntest es zur Not als Waffe benutzen. Es gehörte einfach dazu. Ich glaube, jeder braucht so etwas im Leben, das ihn ganz unabhängig von Trends und Phasen begleitet und ihm durch schwere Zeiten hilft, sei es das Skaten oder die Musik oder die Kunst oder etwas Anderes. Ich selbst kann leider überhaupt nicht malen, aber ich weiß Kunst zu schätzen. Und so ähnlich ist es mit dem Skateboarding.

So klingen auch Skateboard-Hymnen wie „Skateboard“ oder „Possessed To Skate“, die du mit Suicidal Tendencies geschrieben hast. Spricht darin der Bewunderer aus dir?
Ich würde sagen, dass wir alle Teil desselben Lifestyles waren und sind. Skateboarden war wie gesagt immer ein ganz selbstverständlicher Teil meines Lebens, Skateboards waren einfach immer da, wir sind zur Schule geskatet und zum Strand und überall hin. Deshalb war es nur natürlich, darüber zu schreiben. Dass viele Topskater dann bei Wettbewerben zu unseren Songs geskatet sind, war eine schöne Bestätigung für uns. So hatte ich nicht nur über meinen Bruder eine Verbindung zum Skaten, sondern habe auch durch die Musik über die Jahre immer wieder Skater kennenlernen dürfen, die ich persönlich bewundere.

Ab wann hast du gemerkt, dass diese Skate-Szene und der Skate Punk auch Leute außerhalb von Venice interessiert?
Zuerst war es sehr lokal. Wir haben in unserer Küche geprobt. Es ging nicht darum, eine berühmte Punkrock-Band zu gründen und um die Welt zu touren, das hätten wir uns gar nicht vorstellen können. Und das hat uns sehr gutgetan. Ich kenne Kids von Freunden von mir, die eine Band gründen und direkt Metallica sein wollen, ohne zu verstehen, dass das so leicht nicht geht. Man fängt nicht oben an. Wir hatten das Glück, erst mal nur für uns selbst Musik zu machen, weil es einfach kein Publikum gab – außer unseren Schulfreunden, die es natürlich mochten, weil sie selbst Punkrocker waren.

Wie war es dann für dich, 1987 als erster Musiker auf dem Cover vom Thrasher-Magazin zu landen?
Thrasher war ein Begriff in der Szene, und es war auf jeden Fall eine Ehre, als Nicht-Skater auf dem Titel zu sein. Ich habe das Bild bis heute aufbewahrt. Was aber auch wichtig ist: Thrasher hat jedes Jahr eine In-&-Out-Liste, und seit den 80ern sind Suicidal bis heute immer auf der In-Seite, das ist schon ziemlich cool.

Ein anderer großer Moment war, als dein Bruder vor ein paar Jahren in die Skateboarding Hall of Fame aufgenommen wurde, und du die Laudatio auf ihn gehalten hast. Dabei fing erst er an zu weinen, dann du. Kannst du beschreiben, was dir da durch den Kopf ging?
Oh mein Gott, so viel. Mein Bruder hat damals angefangen, bei uns zu Hause Skateboards zu bauen, mein Vater hat ihm im Garten dabei geholfen, sie zu verpacken, und so ist damals Dogtown entstanden. Es hängt so viel Familiengeschichte daran. Zu sehen, wie mein Bruder dann schließlich in die Skateboarding Hall of Fame aufgenommen wurde, war einer der schönsten Tage meines Lebens. Klar, meine Kinder zu bekommen war auch schön, aber das war wirklich etwas Besonderes. Er ist so ein tolles Beispiel dafür, was man erreichen kann, wenn man macht, woran man glaubt. Es war ein großer Moment. Ich bin so stolz auf ihn.

Wann standest du selbst das letzte Mal auf einem Skateboard?
Vor zwei Tagen. Wir haben ein paar Dinge im Haus umgeräumt, und am Ende haben wir die Boards rausgeholt und eine kleine Session eingelegt. Ich habe eine kleine Rampe und drehe ab und zu ein paar Runden. Aber wenn ich offiziell gefragt werde, sage ich, dass ich in Skateboard-Rente bin, haha.


Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

Roll with it

My God Rides A Skateboard
Spermbirds

80er-Hall-Drums und funky Slapbass? Die Kaiserslauterner Hardcore-Punks täuschen erst 50 Sekunden an und knüppeln in ihrer 85er Skate-Hymne dann gegen scheinheilige Gier an. Und wie schön manisch US-Sänger Lee Hollis die Titelzeile herausschreit!


Skate To Hell
Gang Green

Wenige Songs bringen das Draufgängertum und die anarchische Power der Skateboard-Szene so schön auf den Punkt wie diese Motörhead-infizierte Hardcore-Attacke von 1986: „Ride the boards/ Fuck the pigs/ We bring the beers/ Who could ask for more?“


Urethane (Demo)
Fu Manchu

Fu Manchus 97er Album „The Action Is Go“ ziert nicht nur ein Foto von Skate-Legende Tony Alva: Dieser enthaltene Cowbell-Stoner-Rocker huldigt dem gleichnamigen Stoff, aus dem Skater-Träume sind – in der Demo-Version sogar noch etwas unmittelbarer.


Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland (live)
Terrorgruppe

Vier Rollen gegen Nationalismus: Die Terrorgruppe aus Berlin erklärt in unmissverständlichem Punkrock, worauf es im Skaterleben ankommt. Die Studioaufnahme ist von 1997, hier hört ihr die dickere Version vom 2017er Livealbum „Superblechdose“.


Skateboard Anarchy
JFA

Jodie Foster’s Army, kurz JFA, sind mit Songs wie „Beach Blanket Bongout“ (1981) oder „Skateboard“ (1982) schon früh weit vorne in Sachen Hardcore-Skate-Hymne, haben aber auch im Alter nichts verlernt – die Gangshouts sitzen in diesem Track von 2002.


Skate City
Disaster Area

Dem runtergehungerten Hardcore-Sound ihrer 84er Nummer „Skate Tonight“ haben Disaster Area seitdem ein paar Schichten hinzugefügt, in der Sache bleiben sie sich treu: Der angeschmuddelte Dur-Punk von „Skate City“ (2005) feiert den unbeugsamen Skater-Spirit.


Eine der Next-Generation-Skate-Hymnen schlechthin: Teenage Bottlerocket preisen 2009 mit infektiös melodischem Punkrock die Euphorie des Rollsports, im Text droppen sie auch alte Skate(punk)-Helden wie JFA und die Bones Brigade. Lasst euch mitreißen!


Wake Bake Skate
Fidlar

Zeitweise sind Fidlar-Songs wie ein Audiotagebuch des selbstzerstörerischen Lebenswandels der Bandmitglieder: aufwachen, zuballern, rauf aufs Board. Zieht man das Gefahrenpotenzial der 2011er Nummer ab, bleibt eine geil übersteuerte Skate-Punk-Party.


Mid 20's Skateboarder
Pkew Pkew Pkew

Es geht auch selbstironisch: Die Kanadier Pkew Pkew Pkew besingen 2016 die Phase im Leben, wenn man nicht mehr mit den Gummiknochen der Jugend auf dem Brett steht und für Anfänger-Stümperei langsam zu alt ist. Eine Skate-Liebeserklärung um die Ecke.



Dossier: Skateboarding und Rock
Skate and destroy

Inhalt

  1. Skate Rock: Die 60er und 70er – Bürgersteig-Surfer und Asphaltpunks
  2. Skate Rock: Die 80er – Skateboarding is not a crime
  3. Skate Rock: Die 90er – Rebellion und Hüttengaudi
  4. Skate Rock: Die 00er und 10er – Revival und Retromanie
  5. Titus Dittmann im Interview – »Skateboarden ist Selbstbestimmung pur«
  6. Skate Rock: Tony Hawk's Pro Skater – Der Soundtrack der Pixel-Pipe
  7. Skate Rock: Claus Grabke im Interview – Löcher im Schuh
  8. Skate Rock: Mike Muir im Interview – Punk, bevor es Punk gab
  9. Unsere Playlist mit Skate-Rock-Hymnen – Roll with it
  10. Dennis Lyxzén im Interview – Miniramp mit Millencolin
  11. Skate-Videos – Awesome, I fuckin' shot that!
  12. Skate Rock: Glen E. Friedman im Interview – »Fuck Entertainment!«
  13. Skate Rock: J Mascis und Dave Sweetapple im Interview – Bis die Knie schmerzen
  14. Skate Rock Events – How I spent my summer vacation
  15. Skate Rock: Morizen Foche im Interview – »Ich nannte es ›Skate Rock‹, ohne mir viel zu denken«

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