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    Tocotronic
    Pure Vernunft darf niemals siegen

    VÖ: 17.01.2005 | Label: L'Age D'Or/Rough Trade
    Text: Oliver Uschmann / Patrick Großmann
    Tocotronic - Pure Vernunft darf niemals siegen

    Vier-Ohren Test

    Wie Schemen schälen sich die vier Musiker auf dem Cover aus einem dichten Wald hervor. Der Wald gehört dabei zu den Leitmotiven dieses Albums: Ort der Natur und des Ursprungs im Kontrast zur Zivilisation der Moderne, gegen die sich diese Platte wendet, ohne sie groß zu benennen. Was benannt wird, ist das Gegenteil der „Vernunft“, des Lebens in Sachzwängen und unhinterfragter Rationalität: der Wald eben und seine Tiere, der Exzess, der Tanz, das Delirium, die Selbstaufgabe, die Nacht, der Mond, der Treibsand, der Kontrollverlust. Das Ziel der Sehnsucht liegt entweder „In höchsten Höhen“ oder „In tiefsten Tiefen“, der Blick wandert metaphysisch nach oben oder sinnlich nach unten. Sinnsuche oder Rausch. Nur „Aber hier leben, nein danke“, heißt es im Auftakt. Zu einem im bandeigenen Pathos vorgetragenen Indierock, der weder mit der letzten Platte noch mit dem juvenilen Geschrubbe der Frühphase zu tun hat, ruft Dirk von Lowtzow „die Illusion zum Menschenrecht“ aus und erinnert damit an Diskurse, die von der literarischen Romantik bis zu Nietzsches Bejahung des Scheins und des „dionysischen“ Rausches reichen, was bei dieser Band nicht mal Zufall sein mag. Ein Wald aus Schrift, der abseits üblicher Ironie und politischer Peinlichkeiten auf essenziell „neoromantische“ Weise Ablehnung formuliert und ebenso zur Entschlüsselung anregt wie intuitiv fesselt.
    11/12 Oliver Uschmann

    Hand aufs Herz: Ich war noch nie das, was man einen gestandenen Toco-Fan nennen würde. Eher könnte man von „Hassliebe“ sprechen: Auf der einen Seite peinlich berührt, überrumpelten mich mal Dirk von Lowtzows Bauzaun-Slogans direkt aus dem Germanistik-Seminar, manchmal gar ein kompletter Song (zuletzt „Hi Freaks“). Der Flirt mit dem großen Pop-Entwurf, er stand den Hamburgern verblüffend gut. Aus ist’s damit. Wer immer Tocotronic eingeredet haben mag, ihr Heil – analog zu den Beatsteaks, die damit fraglos glänzend fuhren – in Kreuzberger Hinterhof-Kellern und ohne Rettungsleine auf die Harddisc gerotzten, entschlackten Jams zu suchen: Er hat der Band einen Bärendienst erwiesen. Hüben arschtighte Rocksäue, drüben vier vor sich hin schrammelnde Ex-Studis, die die eigenen Füße begutachten – das geht, Dialektik hin oder her, bitter in die Hose. Weil es nicht für fünf Zloty groovt. Klingt wie nicht gekonnt. Langwei-ei-ei-eilt. Auch das plakative New Order-Ripoff „Alles in allem“, „Lalalala“-Schunkelchöre und Verbal-Verrenkungen à la „Keine Angst für niemand“ oder „Cheers For Fears“ gehören bestraft. Da vermögen selbst die teils wieder intelligenten Texte oder das durchaus charmante Smiths-Zitat „Aber hier leben, nein danke“ nicht mehr viel zu retten. Pure Vernunft? Ein paar mehr tragfähige Ideen sowie ein zur Band passendes Konzept hätten völlig gelangt.
    4/12 Patrick Großmann

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