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    The Blood Brothers
    Burn Piano Island, Burn

    VÖ: 17.03.2003 | Label: ARTISTdirect/Zomba
    Text: Ingo Neumayer
    Platte des Monats
    The Blood Brothers - Burn Piano Island, Burn

    Noise aus Blutenbusch: Die Blood Brothers mausern sich zum Brandstifter No. 1 im eingefahrenen Post-Hardcore-Betrieb und sprengen kurzerhand die Genre-Richterskala.

    Es gibt zwei Wege, ein Feld plattzumachen: entweder mit einer großen, alles erfassenden Walze, oder man lässt einen Schwarm hungriger Heuschrecken los. Das Ergebnis, unblühende Landschaften, ist dasselbe, die Wege könnten allerdings unterschiedlicher nicht sein. Wenn dieser Vergleich für zulässig erklärt und auf musikalische Belange übertragen werden darf, dann setzen sich Hatebreed den gelben Bauhelm auf und hinters Steuer, während die Blood Brothers als Krabbelgruppe mit Tausenden von Fühlern, Mäulern und Zangen auftreten. Und auch wenn die Band diese Vergleiche nicht hören will: Die letzten Platten, die einen mit harten Gitarren, unbändiger Energie, musikalischem Wagemut und verdrehten Rhythmen so kraftvoll ins emotionale Spiegelkabinett gezerrt und derart sprachlose Begeisterung hervorgerufen haben, stammten von Refused und At The Drive-In. Mit letzteren teilen sich die Blood Brothers übrigens Produzent Ross Robinson, der nach „Relationship Of Command“ und Glassjaws „Worship And Tribute“ hiermit seine New-Metal-Sargnagel-Trilogie vollendet und die von ihm gerufenen Geister endgültig besiegt hat. So weit wie auf „Burn Piano Island, Burn“ ging allerdings noch keine der besagten Bands; das Quintett aus Seattle spritzt sich sein Koffein-Speed-Gemisch nämlich nicht schnöde in die Blutbahn wie alle anderen, sondern pumpt es mit einer Kanüle direkt und literweise ins Kleinhirn. Die Welt ist zu klein für die Blood Brothers, und so will die Band alles einreißen, was im Weg steht: herkömmliche musikalische Strukturen und verlogene Ideale, Sicherheitsdenken und doppelte Böden, soziale Passivität und moralische Verlogenheit. Es ist erstaunlich, wie man mit Gitarre, Bass und Schlagzeug ein solch irrwitziges Trommelfeuer aus kruden Riffs und hektischen Breaks, fesselnden Grooves und nervös zuckenden Beats, brachialen Krachattacken und versöhnlich stimmenden Wohlklängen zustande bekommt. Denn die Blood Brothers teilen nicht nur aus, sondern besinnen sich im Gegensatz zu früher auch verstärkt auf die Kraft des puren Rock, auf eine klare Melodie und ein luftiges Arrangement. Hier helfen ungewöhnliche Instrumentierungen und Ideen als Schattensprunghelfer; siehe etwa die traurig gurgelnde Orgel beim stellenweise fast schon versöhnlich-atmosphärischen Abschluss „The Shame“. Oder „Every Breath Is A Bomb“, wo ein verstimmtes Piano einsetzt und später die Gitarre beinahe schon Ska-mäßig daneben taktet, während Jordan Blilie mit einem herausgebrüllten „revolution!!!“ mehr sagt und ausdrückt als andere Bands auf drei Alben, auch wenn der Zusammenhang ein gänzlich anderer ist. Überhaupt, die Stimmen. Mit Jordan Blilie und Johnny Whitney haben die Blood Brothers zwei Sänger in ihren Reihen, die permanent brennen, glühen und qualmen wie der Altreifenstapel vor den Toren Springfields und dahin gehen, wo es wehtut, wo Nerven porös werden und der Grat zwischen positiver Energie und stumpfer Raserei schmaler wird. Sicher, das alles ist bisweilen extrem anstrengend, vom wie auch immer gearteten Alternative-Konsens meilenweit entfernt und ragt mehr als einmal über das Schmerzgrenzen-Normalmaß hinaus: „Burn Piano Island, Burn“ ist definitiv ein Album, das hohe Konzentration und eingehende Beschäftigung erfordert. Wer sich allerdings Zeit nimmt und darauf einlässt, erlebt hautnah mit, wie sich eine Band ein Denkmal baut, das sowohl auf die Zukunft verweist (vor dem nächsten Album der Band fürchtet sich der Rezensent jetzt schon ein bisschen…), als auch der Gegenwart den Spiegel vorhält: Ihr macht harte Musik, die aus eurem tiefsten Inneren kommt? Ihr schreibt Songs, weil alles raus muss, weil ihr sonst platzen würdet? Und vor allem: Ihr müsst ständig darüber reden, welche Dämonen euch reiten? Wer solche Statements in Interviews nötig hat, hat schon verloren gegen eine Band, die dem nächsten stupiden New-Metal-Dumbo, der einem was von Intensität erzählen will, mit diesem Album schallend ins Gesicht lacht.

    weitere Platten

    Young Machetes

    VÖ: 17.11.2006

    Crimes

    VÖ: 17.01.2005

    This Adultery Is Ripe

    VÖ: 28.08.2000