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    Courtney Barnett
    Tell Me How You Really Feel

    VÖ: 18.05.2018 | Label: Marathon Artists/Milk!/Rough Trade
    Text:
    Courtney Barnett - Tell Me How You Really Feel

    Ein Grower in doppelter Hinsicht: Barnetts offiziell zweites Album schwillt an, teilt aus, ebbt ab, stimmt versöhnlich. Mit jedem Mal mehr.

    Muss das schön sein in der Indie-Szene von Melbourne. Dank DIY-Ethos kein Druck von außen, ein fester Zusammenhalt und nun auch noch die gebührende Aufmerksamkeit. An ihrer Spitze steht Courtney Barnett, deren properes Debüt „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ vor drei Jahren aus dem Stand gleich so viele Lorbeeren einheimste, dass ihr Label Milk seinen Umsatz vervielfachen konnte. In dem familiär geführten Unternehmen mit Barnetts Lebenspartnerin Jen Cloher, einer australischen DIY-Pionierin, überschneiden sich Bandbesetzungen und sind Hinterhof-Shows in kleinen Clubs wichtiger als groß angelegte Konzertreisen. Die gab es wegen des Erfolgs von „Sometimes I Sit…“ natürlich trotzdem, und dort zeigte sich auch, dass Barnett zwar manchmal vorne steht, sich aber nicht im Geringsten zur Galionsfigur eignet („Put me on a pedestal and I’ll only disappoint you“). Lieber steigt sie zum Ausguck hoch, um sich das verdrehte Spiel im Musikgeschäft auch mal aus der Entfernung anzusehen. Oder sie zieht sich in ihre Kajüte zurück und reflektiert. Interimssongs drehten sich bei ihr fortan erstmal ums Essen, während sie Cloher bei deren aktuellem Album half und eine Semi-Duettplatte mit ihrem Kumpel Kurt Vile aufnahm, die wie ein entspanntes Barbecue klang, nicht nach dem heißen Scheiß von morgen. Nach der Prokrastination, der „Tell Me How You Really Feel“ sein Cover verdankt, folgten endlich die Song gewordenen Spiegelbilder der vergangenen Jahre. Über dringend notwendige Auszeiten („Need A Little Time“) und #Metoo („I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch“), oder als Abrechnung mit Trollen in „Nameless, Faceless“, worin Kim Deal persönlich sich erkenntlich zeigt für Barnetts Gastbeitrag auf „All Nerve“, dem Comeback-Album der Breeders. Nie sind die Texte zynisch wie etwa bei Indie-Papst Stephen Malkmus, vielmehr nah an Viles Alltagsbeobachtungen. Ganz Aufmerksame entdecken Zitate von so starken Persönlichkeiten wie Margaret Atwood oder Carrie Fisher, und wenn Barnett fast die Hälfte des Albums ihre Selbstzweifel thematisiert, erkennt man darin keine Überempfindlichkeit, sondern ein waches Gehirn bei der Arbeit. Beruhigend auch zu hören, wie hochwertig das Songwriting geblieben ist. Das ist manchmal nicht sofort zu erkennen, im Verlauf der zehn Songs enthüllt „Tell Me How You Really Feel“ aber, dass es durchaus einem Spannungsbogen folgt: Bedacht schlurft Barnett bergauf, an der Spitze macht sie Krach, am Ende ist sie gelöster denn je.

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