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    Marcus Wiebusch
    Konfetti

    VÖ: 18.04.2014 | Label: Grand Hotel van Cleef/Indigo
    Text:
    Marcus Wiebusch - Konfetti

    Es kann einem durchgehen, wegen all der Beats, pompösen Bläser und dem angenehm zynischen Titel, aber: Marcus Wiebusch gibt sich auf seinem Solo-Debüt kämpferisch wie lange nicht mehr.

    Das tut gut, nachdem Kettcars viertes Album „Zwischen den Runden“ sich als Nachfolger des gesellschaftskritischen „Sylt“ plötzlich ins Private zurückzog. Für „Konfetti“ nimmt Wiebusch zwar auch die vollen Bläser-Arrangements von ersterem, vor allem aber den Zorn von letzterem mit: Das Tori Amos-Klavier im Intro von „Off“ täuscht, keine Minute später treiben die Trompeten den Song in euphorischem Deutschpop vorwärts. Dazu erteilt Wiebusch dem Wellness-Wahn als perversem Zwilling des Turbo-Kapitalismus‘ eine Absage, der zugunsten von „sich 30 Minuten belügen“ vergessen hat, dass „Zeit etwas war, das man sich einfach nahm“ – hier will sich einer nicht mehr der stumpfen Idiotie des Lebens ergeben, sondern wieder auf Alternativen hinweisen. Alles an „Konfetti“ atmet Aufbruch und Wandel, mal nostalgisch gewendet wie in „Wir waren eine Gang“, mal als unbestimmtes Gefühl wie in „Springen“, im von Handclaps eingeleiteten „Was wir tun werden“ auch mal als Absichtserklärung. Dazu befördert Wiebusch den Kettcar-Sound in den Pop-Mainstream – mit Synthesizern und HipHop-Beats; letztere reserviert er gezielt für die drei Stücke, in denen er seine Abscheu für gesellschaftliche Missstände am heftigsten ausspuckt: In dem siebenminütigen Opus „Der Tag wird kommen“ erzählt das Lyrische Ich sprechsingend von einem alten Fußballfreund, der Profi wird – aber seine Homosexualität verstecken muss, um nicht „von den Dümmsten der Dummen beurteilt zu werden“. Dabei fiebert Wiebusch nicht naiv dem Tag entgegen, „an dem wir die Liebe, die Freiheit und das Leben feiern“, sondern gibt auch dem alten Freund und damit dem bedrückenden Status Quo eine Stimme: „Ja, es wird besser und der Tag ist in Sicht/ Einer wird es schaffen, aber ich bin es nicht.“ In „Jede Zeit hat ihre Pest“ teilt er dann mit gerechtem Furor gegen identitätslose, opportunistische Selbstdarsteller aus, in „Haters Gonna Hate“ verpasst er Internet-Trollen und -Shitstormern verbal einen Schlag. Dagegen wirkt die kraftvolle Nerd-Hymne Nur einmal rächen beinahe mild, die in den gemobbten Außenseitern von heute korrekt die Gewinner von morgen ausmacht. Dass die Platte mit „Der Fernsehturm liebt den Mond“ auch einen irgendwie egalen Song enthält, verzeiht man leicht: An die Stelle jenes Marcus Wiebusch, bei dem man schon ein Abdriften in Gefühlsschlager fürchten musste, tritt mit „Konfetti“ wieder der unbeugsame Gesellschaftskritiker. Solange keine …But Alive-Reunion drin ist, nehmen wir mit dem gern vorlieb.