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    Jamie Lenman
    Muscle Memory

    VÖ: 06.12.2013 | Label: Xtra Mile/Indigo
    Text:
    Jamie Lenman - Muscle Memory

    Zwei Seelen wohnen, ach, in Jamie Lenmans Brust. Wie geht man als Musiker mit diesem faustischen Zwiespalt um? Ganz einfach: Man veröffentlicht ein Doppelalbum, dessen zwei Seiten unterschiedlicher nicht sein könnten.

    Dabei wiegt Lenman den Hörer erst mal gekonnt in Sicherheit. Denn wer sich schon mit dessen ehemaliger Band Reuben beschäftigt hat, findet direkt Anknüpfungspunkte – auch wenn dank Blastbeats, kehligem Geschrei und Double-Time-Schlagzeug der Opener „The Six Fingered Hand“ erst mal an den frühen, bratzigen Rüpel-Mathcore von Every Time I Die erinnert. Dementsprechend passt es auch ganz gut, wenn sich Lenman mit Zeilen wie „Burnt out and all for jack/ I want my twenties back/ Let down, beat up, caved in/ I want my twenties back“ auf seine eigene Vergangenheit bezieht und das zurückholen möchte, was ihm und seiner Generation nach den revolutionären 50er-, 60er- und 70er-Jahren versprochen wurde. Dazu bedient sich der Multiinstrumentalist an High-Gain-Gitarren mit leichter Schlagseite, irrwitzigen Breakdowns, die einem die Zähne aus dem Kiefer klatschen, und schmutzig-groovigen Bass-Melodien. Dieser Faden aus Dissonanz und Geschrammel zieht sich konstant durch die erste Hälfte des Albums, frei nach dem Motto: Lenman hat was mitgebracht – Hass, Hass, Hass. Sobald man aber einmal auf CD zwei angekommen ist, möchte man am liebsten nicht mehr zurück. Denn Songs wie „Fizzy Blood“ oder „Shower Of Scorn“ ersetzen den Morgenkaffee: Wenn Lenman sich durch ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte wühlt, die Rosinen herauspickt und diese galant ins 21. Jahrhundert schubst, geht die Sonne auf. Den Anfang macht das eigenwillige, reduzierte „Shotgun House“, in dem es um die im 19. Jahrhundert in den USA beliebte Hausbauweise geht. Ab da führt einen Reiseleiter Lenman, immer mit dem Banjo bewaffnet, vorbei am Bluegrass von „If You Have To Ask You’ll Never Know“, dem Big-Band-Swing-Stück „Pretty Please“ und dem Call-and-Response-Worksong „A Day In The Life“ hin zum herzzerreißenden, weil minimalistischen und tieftraurigen „Saturday Night“, in dem er sich von seinem verstorbenen Vater verabschiedet. Dazwischen: jede Menge Folk-, Country- und Singer/Songwriter-Anleihen. Der Stil-Eklektizismus ist nur auf den ersten Blick beliebig, denn irgendwie wirkt das Albumpaket doch wie aus einem Guss und funktioniert prächtig als experimentelles, mutiges Comeback. Gerade dessen zweiter Teil wandert schnurstracks und unerbittlich in die Gehörgänge und bringt Füße zum Tippen und Finger zum Schnippen. Warum genau? Lenman sagt es selbst: „If you have to ask you’ll never know“.

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