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    Defeater
    Letters Home

    VÖ: 19.07.2013 | Label: Bridge Nine/Soulfood
    Text:
    Platte des Monats
    Defeater - Letters Home

    Kein Glaube, keine Liebe, keine Hoffnung. Mit einem Briefband aus dem zweiten Weltkrieg reißen Defeater sämtliche Brücken ein und lassen nur die Verbindung zwischen klassischem und modernem Hardcore stehen.

    Man sieht es ihnen nicht gleich an, hört es nicht mal unbedingt. Aber die Band um Sänger Derek Archambault und Gitarrist Jay Maas erschafft seit fünf Jahren das ambitionierteste Gesamtkonzept des Hardcore. Mit jedem Song erzählen Defeater ein Stück ihrer Geschichte über eine am Rande des zweiten Weltkriegs gegründete und von gesellschaftlichen und menschlichen Dämonen zerstörte Familie aus New Jersey. Die bisherigen zwei Alben enthalten bereits die dramatischsten Momente dieser Tragödie, die mehr beklemmendes Kammerspiel als aufgeblasenes Familienepos ist. Von der vierköpfigen Familie wird höchstens eine Person die 70er-Jahre erleben. Eine zwischen den beiden Alben veröffentlichte EP gibt der Geschichte ihre Fluch gewordene Moral: „Home ain’t never home“. Mit „Letters Home“ schreiben Defeater nun den nächsten Akt und man fragt sich kurz, was da noch kommen kann. Dann eröffnet „Bastards“ wütender und härter als je zuvor. „How to lie when I say/ I’ll never raise a hand on the ones I love ever again/ You begged and you prayed/ For your god and his grace/ To save you from me.“ Wir schreiben den 11. März 1945 und sind im letzten von zehn Briefen aus der Feder des Vaters. War Archambault bisher die markerschütternde Stimme der rivalisierenden Söhne, interpretiert er nun Hass und Verzweiflung ihres Erzeugers, der der Ursprung für all das Elend ist. Aus der Ich-Perspektive tragen Defeater die Briefe in umgekehrter Chronologie vor, beginnen mit einem gebrochenen Kriegsveteran und legen Song für Song, Brief für Brief, seine Grabenkämpfe dar: Seine Alkoholsucht, seine drogensüchtige, sich prostituierende Frau und immer wieder warmes Blut und kalter Stahl, dem auch sein Bruder zum Opfer fällt. Der Krieg wird nicht mit einer apokalyptischen Massenschlacht, sondern mit einem gnadenlosen Einzelschicksal gezeichnet. Die Musik dazu ist unbarmherzig und brutal, aber auch verletzlich und intim. Die dringliche Wucht setzt Gitarrist Maas – ganz im DIY-Spirit der Band – ohne technische Tricks in Szene. Dass der mutige Perspektivwechsel funktioniert, ist nicht mal die größte Leistung von „Letters Home“, das auch diejenigen am Kragen packt, die nichts für klug ausgetüftelte Dramen mit sich überschneidenden Erzähllinien übrig haben. Wer Defeater schreien, unerbittlich weiterdreschen oder sich durch Posthardcore-Grooves kämpfen hört, hört kein Konzeptalbum vom Reißbrett. Sondern einen Hardcore-Brocken, der zuerst wie Blei in den Magen schlägt, bevor er zu Kopf steigt. Archambault ist die Stimme seiner Protagonisten, aber er schreit um sein Leben. Seine Band stellt ihn nicht in den Lichtkegel einer weiten Bühne wie bei La Dispute, sondern kreist dicht um ihn herum, drängt ihn in die Ecke. Wenn etwa das monotone Gitarrenfeedback in „Bled Out“ eine ausbleibende Herzfrequenz vertont, ist das musikalisch grandios umgesetzt, aber auch ohne Textebene ein an Intensität kaum auszuhaltender Abschluss. Als Gesamtwerk gesehen ist „Letters Home“ nicht zuletzt auch ein offener Brief an den Hardcore. Credo: da geht noch mehr.

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