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    Turbostaat
    Stadt der Angst

    VÖ: 05.04.2013 | Label: Clouds Hill/Rough Trade
    Text:
    Turbostaat - Stadt der Angst

    Im Angesicht von grauer Gentrifizierung und nicht zu greifender Bedrohung lernen Turbostaat das Liegenbleiben. Nicht der Hände um der Hälse wegen, sondern weil sie zwölf Jahre nach ihrem ersten Album bescheiden genug sind, um sich Indie zu trauen.

    Dass die Nordpunks ihre konventionell eingängigsten Hits aus der alleruntersten Perspektive schreiben, wissen wir seit „Urlaub auf Fuhferden“, aber gegen das, was jetzt kommt, war die Sommerhymne 2010 sozusagen unhörbarer Mathprog. Der erste Song, den Stadt der Angst vorausgeschickt hat, heißt „Sohnemann Heinz“, und er ist unter anderem bravster Indierock, wie ihn besonders gute Nachwuchsbands in Anlehnung an Londoner, Schweden oder Amerikaner vor zehn Jahren gespielt hätten. Nur dass Turbostaat ihn mit einem unerwarteten Päuschen versetzen, das eigentlich Dirk von Lowtzow hätte beträllern müssen, einem locker stampfenden Teil mit hohlem Chor und Melodie-Bass gegen Ende und einem Text, bei dem man erst hinterher merkt, dass das irgendwie gar nicht so positiv klingt: „Und dann im Februar auf dem Weg nach Kandahar/ Liegst du zitternd auf dem Boden, während andere ins Kino gehen.“ Insgesamt also: sehr Turbostaat.
    Umso mehr, da Jan Windmeier der neuen Softheit einen so kräftigen Gesang aufsetzt, als hätte er seit letztem Mal fünf Kilo Bart und neun Knuckle-Tattoos zugelegt und den letzten Finger an einen urbanen Pinscher verloren. Einen Mikrofonständer hat er sowieso nie richtig gebraucht, jetzt braucht er nicht einmal mehr ein Mikrofon und kann es sich erst recht leisten, Melodien zu singen, die sich so nicht schreien ließen. „Tut es doch weh“ ist noch das zackigste Stück des Albums, aber eher auf die Art, die Kraftklub mit anderem Sprechgesang veralbern würden und die auch jetzt in der Turbostaat-Version plötzlich in die Disco passt, Stichwort: abhotten. Willenshalt klingt astrein nach Death Cab For Cutie zur „Plans“-Zeit (wenn nur Ben Gibbard seinen Frust mal wie ein normaler Mensch verarbeitet hätte, statt immer gleich so passiv zu werden), und „Fresendelf“ ist eine schleppende Ballade, die geringere Bands mit Streichern oder Klavieren zugekleistert hätten. Turbostaat brauchen das nicht, Windmeier singt stattdessen in Fehlfarben-Anti-Depression: „Ein Mensch liegt hier, hier oben auf dem Scheitel/ Bewegt sich nicht, doch scheint nicht tot zu sein.“ Natürlich wird er auch laut und schnell und fies; „Psychoreal“ ist die verspätete Vorlage für alles von Frau Potz, nämlich hektisch und punkspießig und empört und inklusive dem Wort „Eierlikörgefangenschaft“. Und ganz am Schluss bricht Sohnemann zwei dann ernsthaft hallend in den Sturm auf, im Liegen, weil es geht.

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