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    The Low Anthem
    Smart Flesh

    VÖ: 22.02.2011 | Label: Cooperative
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 216
    Schönheit
    The Low Anthem - Smart Flesh

    Aus einer alten Nudelsaucen-Fabrik wird ein Raum für magische Musik. So hat der Verfall der Industrienation Amerika dann doch etwas Gutes.

    Wobei in diesem Fall nicht unbedingt der Raum die Musik prägt, sondern vielmehr die Musik den Raum. In der Show von David Letterman spielten die für ihre zweites Album „Oh My God, Charlie Darwin“ vollkommen zurecht in den Folk- und Country-Himmel gelobten The Low Anthem Anfang Januar einen ihrer neuen Songs, den „Ghost Woman Blues“. Und was soll man sagen: Vier Minuten lang existierte die berechtigte Hoffnung, dass sich Demokraten und die Tea Party in den Armen liegen können, Sarah Palin für Barack Obama die gesamte Box von „Ausgerechnet Alaska“ brennt und alle Amerikaner ihre privaten Feuerwaffen einschmelzen. So viel Harmonie in den Stimmen! So viel Trost in der Melodie! Das Album „Smart Flesh“ beginnt mit diesem Song, und man möchte ihn immer und immer wieder hören und am liebsten gar nicht aufwachen.

    Aber nützt ja nichts, und ist auch nicht schlimm, denn The Low Anthem lassen mit „Apothecary Love“ einen wunderbaren Country-Schleicher folgen, bevor sie dann ganz groß auf die Pauke hauen. Waren auf der Charlie-Darwin-Platte die rumpeligen Tom-Waits-Gedächnis-Rocker die Ausreißer (und manchmal bei aller Freude dann doch auch Fremdkörper), unterbricht die Band den Schönklang an diese Stelle mit einem gigantischen Folk-Stampfer. „Boeing 737“ rennt los, als wären Arcade Fire eine stromlose Schülerkapelle: Trompeten, Becken, Four-to-the-floor, Schrammelgitarren und Sänger/Gitarrist Ben Knox Miller aufgekratzt wie ein Fünfjähriger am Weihnachtsabend. Jede Wette, dass Mixer Mike Mogis (Bright Eyes) Blut und Wasser geschwitzt hat, um diese ganz große und ziemlich kurze Hymne nicht nach übersteuertem Blech klingen zu lassen. Ist ihm gelungen – sein Phil-Spector-Moment!

    Einfacher für den Mischer und schwieriger für die Band dürfte die komplexe Trilogie am Herzen der Platte gewesen sein: Zunächst singt Bassist Jeff Prystowsky mit seiner ungleich dunkleren und sehr warmen Stimme das tröstliche „Matter Of Time“, dann gibt es mit „Wire“ einen wunderbaren, von Klarinettistin Jocie Adams komponierten Ausflug in die Neo-Klassik, bevor Prystowsky mit „Burn“ das Kunststück gelingt, in gut fünf Minuten gleichermaßen eine Hommage an Calexico und Leonard Cohen zu liefern, ohne einen von beiden zu bevorzugen. Traditionsbewusst ist diese Band also. Dazu ungemein clever, beseelt vom eigenen Können und selbstbewusst bis ins Mark. So muss Folk-Musik klingen: Sie muss den Staub wegwischen, der sich jahrelang gesammelt hat, als Folk-Musiker glaubten, nur noch für Touristen spielen zu dürfen. The Low Anthem spielen für alle mit Herz. Und damit auch für Letterman.

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