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    The Decemberists
    The Crane Wife

    VÖ: 02.02.2007 | Label: Capitol / EMI
    Text: Daniel Gerhardt
    The Decemberists - The Crane Wife

    Mit neu entdecktem Progrock-Fimmel, gesteigertem Gitarrenkick und Geschichten, die Sat.1 als Zweiteiler bringen würde: Portlands Decemberists bleiben Meister aller Popsongklassen.

    Gut, neulich haben sie einen „Guitarmageddon“-Contest gegen Stephen Colbert, das schlechte Gewissen der politischen US-Comedy, verloren. Chris Funk, der bei den Decemberists als ausführender Axeman mitmacht, ein bisschen wie Hausmeister Krause aussieht und wirklich so heißt wie hier behauptet, war angetreten. Colbert täuschte eine Verletzung vor, Peter Frampton sprang für ihn ein und holte am Ende mit Hilfe von Henry Kissinger und Corporate America den Sieg. Wilde Geschichte. Abgesehen von exzessivem Flitzefinger-Tapping und wüstem Tremolo-Getrickse gilt aber unverändert: Es gibt nichts, was die Decemberists nicht können. „The Crane Wife“ ist ihr viertes Album und Meisterwerk, neu ist dabei, dass mit zwei zwölfminütigen Prog-Medleys, steilen Crescendi und unvorstellbaren Deep-Purple-Action-Orgeln hantiert wird. Angst muss deshalb niemand kriegen. Um diese Filetstücke herum tollt und tummelt sich weiterhin die lieblichste, melodie- und saumseligste Popmusik, die sich fünf Leseratten mit Pullunder am Leib und Kassenbrille im Gesicht ausdenken können. Die Gitarren brodeln lauter als bisher, jetzt ist auch mal eine schwer manövrierbare Dampfwalze wie „When The War Came“ drin. Solange aber Colin Meloy vor den Decemberists steht, werden sie immer eine Band der Traumtänzereien, der sanften Melancholie, kleinen Seitenpiekser und wahrgewordenen Songwunder bleiben. In gewohnter Galaform will der nerdige Liedermacher Valencia niederbrennen, im funky verstolperten „The Perfect Crime 2“ denkt er sich noch schlimmere Gemeinheiten aus. Gemeinsam mit Gaststar Laura Veirs spießt spätestens „Yankee Bayonet (I Will Be Home Then)“ die übrig gebliebenen Schwerfälligkeiten auf. Und am Ende müssen sogar Bomben fallen, wenn Meloy und all seine Freunde mit dem Kanon von „Sons And Daughters“ das letzte große Fass aufmachen. Kurz: Es ist wieder ein vortrefflicher Seemannsgarn, den sich der Typ zusammenspinnt. Erstmals ohne expliziten Piratenpolka, ohne den Laientheatercharme der Vorgänger. Dafür mit Akkordeon, Glockenspiel, Streichern und dem unbestechlichen Feingefühl seiner Band, die ihn eben noch an die Leine nimmt und Sekunden später schon wieder glorreich in Szene setzt. Sie funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk mit Spielkinderweiterung. Sie funktioniert, weil es nichts gibt, was sie nicht kann. Pardon: nichts Wichtiges.

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