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Die 20 besten Musikvideos 2017

Die 20 besten Musikvideos 2017
Die VISIONS-Redaktion blickt zurück auf das Musikjahr 2017. Dieses Mal: Die 20 besten Musikvideos des Jahres, kommentiert von Redakteur Dennis Drögemüller.

Björk – „The Gate“

Extravagante Kostüme und Wunderwelten sind seit längerem Björks Stärke, im Video zu „The Gate“ hebt sie sie auf ein neues Level: Von einer pastelligen Naturwelt aus, in der die isländische Musikerin wie eine Schöpfungsgöttin sitzt, taucht der Zuschauer ein in eine Paralleldimension mit pulsierenden Farb- und Formspielen im Dunkel und digitalen Waldelfen – direkt zu Beginn singt Björk davon, wie die Wunde in ihrer Brust, eines der Schlüsselsymbole ihres schmerzhaften Vorgängeralbums „Vulnicura“, nun geheilt und zu einem Portal geworden sei. Bei so viel visuellem Overkill ergibt es Sinn, dass Björk einen Einblick in die Entstehung des Clips gab. Wer die bunt-mystische Optik aus dem Intro lieber mag: Im Nachfolgevideo zum Song „Utopia“ erkundet Björk diese ausgiebig.

Mastodon – „Steambreather“

Mastodon sind bekanntlich Spezialisten für lustige und schräge Videos – und enttäuschen an dieser Front auch 2017 nicht: Ihr Clip zu „Steambreather“ lässt zwei Metal-Rebellen im lokalen Gemeindehaus in das Seminar einer Nasen-fixierten Sekte geraten, gruseliges Ende inklusive. Das ist dann sogar noch ein bisschen abgedrehter als das Video zu „Show Yourself“, in dem ein glückloser Tod wiederholt daran scheitert, die Bandmitglieder um die Ecke zu bringen.

OK Go – „Obsession“

Keine „Beste Musikvideos“-Liste ohne OK Go: Die Indierocker sind längst mehr für ihre spektakulären Videos als für ihre Musik bekannt – weil diese mit großem Aufwand und überraschenden Ideen optische Illusionen oder Effekte erzeugen. Ihr neuster Genie-Streich: Vor einer Wand aus 567 Druckern liefert die Band eine Choreografie, zu der die Geräte zum Rhythmus passend Hintergründe liefern. Und am Ende zieht einen auch dieser Clip wieder in eine clevere räumliche Täuschung hinein.

Gorillaz – „Saturnz Barz (Spirit House)“

So nutzt man die Möglichkeiten moderner Technologie: In zwei Erzählebenen sitzt man bei diesem Clip zunächst im Zug und verfolgt, wie die Comicfiguren der Gorillaz ein Abenteuer erleben – bis man schließlich selbst in die kosmische Spukhaus-Geschichte hineingezogen wird. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Dank 360-Grad- und Virtual-Reality-Technologie kann man sich beliebig in den Szenen umsehen und ist hautnah dabei. Andere nutzen VR und 360 Grad eher als Gimmick, hier stehen sie mit klassischer Zeichentrick-Animation und Computer-Design im Dienste des großen Ganzen.

Touché Amoré – „Benediction“

Unaufgeregt, aber intensiv – so lässt sich das Video zu „Benediction“ charakterisieren: Touché Amoré-Frontmann Jeremy Bolm bringt hier die Geschichte um seine 2014 verstorbene Mutter zu einem Ende, die er auf dem Album „Stage Four“ 2016 ausgebreitet hatte. Während das Video zu „Palm Dreams“ Kalifornien zeigte, wo Bolm mit seiner Mutter aufwuchs, und der Clip zu „Skyscraper“ ihre Bewunderung für New York inszenierte, kehrt Bolm im neuen Video – analog zum Begräbnisthema im Songtext – in ihre Heimatstadt zurück, erkundet die Straßen und Orte und legt schließlich Blumen auf ihr Grab. Ein würdiger, emotionaler Schlusspunkt.

A Perfect Circle – „The Doomed“

Schon die Veröffentlichung des ersten neuen A Perfect Circle-Songs „The Doomed“ war eine Überraschung gewesen. Mit dem Video setzt sich die fort: Normalerweise waren die Bandmitglieder in den Videos nicht zu sehen, hier sind sie es gleich so richtig. In Schwarz-Weiß und mit hohem Kontrast blickt man in die steinern Gesichter der Musiker, nur minimale Bewegungen sind zu sehen, die wiederum geschehen wie in Zeitlupe. Viel weniger kann man kaum zeigen – und viel mehr kann man so reduziert kaum an Wirkung erzielen, wenn am Ende die Band wie eine Wand geschlossen gegen das Übel im Songtext steht.

Iron Reagan – „Fuck The Neighbors“

„Entschuldigung, könnten sie vielleicht die Musik leiser machen? Ich muss morgen früh raus.“ – „Fuck off!“ Iron Reagan exerzieren in „Fuck The Neighbors“ bis ins Extrem durch, wie wenig sich die Fans und Musiker im Rockerschuppen nebenan um den Nachtschlaf der Nachbarn scheren. Stattdessen kapern die hemmungslosen Knetfiguren gleich noch das Haus des braven Büromenschen und ziehen eine Schneise der Zerstörung und Gewalt hindurch. Ein wildes Claymation-Gemetzel zu Hardcore-Soundtrack.

Run The Jewels – „Don’t Get Captured“

Claymation, die Zweite: Killer Mike und El-P fahren als Knetfiguren durch eine Geisterbahn, während sie ihre Texte über Armut, Gentrifizierung, Korruption und rassistische (Polizei-)Gewalt rappen – und genau die erzählten Szenen mit einem Haufen von Skeletten links und rechts von ihnen ablaufen. Die Knetanimationen sind dabei so detailliert, präzise und bedrohlich wie der Song und sein Inhalt – es gruselt einen, weil man die hässliche Realität auch hinter den ulkigen Figuren sofort erkennt.

Long Distance Calling – „Out There“

Der Berg ruft: Long Distance Calling wählen für ihr neues Album „Boundless“ wie für das Video zu dessen erster Vorabsingle „Out There“ den gleichen Weg – den der Reduktion. Nur noch der aufbrandende und wieder abebbende Post-Rock und -Metal der Band, kein Gesang mehr, und der Clip unterstreicht das: Die vier Münsteraner Musiker wandern durch die Südalpen einem Gipfel entgegen, mehr als ein bisschen Color Grading bei den Farbakzenten brauchen die Video-Spezialisten Iconographic (Fjørt, Kmpfsprt, Love A) nicht, um dem Sound eindrucksvolle und stimmige Naturpanoramen zur Seite zu stellen.

Foo Fighters – „Run“

Die Foo Fighters proben den Aufstand im Altersheim: In eindrucksvoller Maske performen die grob 80-jährigen Versionen von Dave Grohl, Taylor Hawkins und Co. ihre Single „Run“ in der Kapelle eines Seniorenstifts und verwandeln ihre verschlafenen Altersgenossen dabei in wahre Rockmonster – Stagediving und Moshen inklusive, bis auch eine Gruppe Teenager die Apokalypse der Alten zu spüren bekommt. Ein Video wie ein extragroßer Schluck Doppelherz.

The War On Drugs – „Nothing To Find“

„Nothing To Find“ ist kein gewöhnlicher Roadtrip. Während The War On Drugs den Dire-Straits-inspirierten Soundtrack für das Sich-Verlieren auf den weiten Straßen der USA – wenn man so will die Tag-Version vom nächtlichen „Road Trippin'“ der Red Hot Chili Peppers – liefern, geht ein Teenager-Mädchen mit ihrem Baummenschen-Freund auf die Reise, klaut Proviant in einer Tankstelle, beide pausieren in Dinern und an Rastplätzen, spielen Billard und tanzen in den Sonnenuntergang. Am Schluss nimmt das kalifornisierte Märchen mit seinen leisen Anklängen an Guillermo del Toros Film-Meisterwerk „Pans Labyrinth“ eine traurige Wendung. Wer sich darauf einlässt, den wird es verzaubern.

Pissed Jeans – „The Bar Is Low“

Es macht großen Spaß, den Mitgliedern von Pissed Jeans im Video zu „The Bar Is Low“ beim Versagen im Fitnessstudio zuzusehen: Kaum Gewicht auf den Maschinen, schlechte Koordination und immer wieder die konsternierten bis verunsicherten Blicke – erstaunlich, dass es diese dünnen Arme und dicken Bäuche sind, die den groovig marschierenden Hardcore des Songs produzieren. Dann tauchen ein paar Profi-Pumper auf – und es kommt zu einem unerwarteten Showdown der Gruppen. Anabolika für die Lachmuskeln.

At The Drive-In – „Hostage Stamps“

George Orwells „1984“ reloaded: Im „Hostage Stamps“-Video beobachtet der Zuschauer einen Gefangenen, der in einer dunklen, schmutzigen Zelle festsitzt und von gesichtslosen Militärs und ihren Roboter-Helfern dabei überwacht wird; zwischendurch sind draußen Plakatwände zu sehen, deren politische Slogans an solche aus Diktaturen und Polizeistaaten erinnern. Inszeniert ist das ganze als Stop-Motion-Animation, die auch wegen der ähnlichen Figuren an Tools „Sober“-Clip erinnert. Der Clou: Im später veröffentlichten Video zu „Call Broken Arrow“ erzählen At The Drive-In die Vorgeschichte – und konfrontieren den Zuschauer gleich mehrfach damit, wie leicht wir jemanden für schuldig oder unschuldig halten.

Converge – „A Single Tear“

Für Epileptiker ist dieses Video definitiv nicht geeignet: Converge schneiden auf den Rhythmus ihres hymnischen Hardcore-Frontalangriffs „A Single Tear“ ein abgehacktes Bilder-Stakkato, das manchmal auch in einzelnen Szenen einige Zehntelsekunden vor oder zurück springt. Die Geschichte des Clips folgt grob einem Paar, dass sich in der Masse von Menschen erkennt, ein Kind bekommt – hier immer wieder illustriert durch ein schlüpfendes Küken – und gleichzeitig mit der großen Verlustangst kämpft, die mit der Verantwortung für geliebte Menschen einhergehen kann. Diese Angst spürt man in den vier Minuten Bildgewalt des Videos konstant.

Dead Cross – „Seizure And Desist“

Am Anfang herrschen nur elektronisches Feedback und Rauschen, dann erscheint im Video zu „Seizure And Desist“ auf einem gezeichneten, animierten Fernsehschirm eine abgewandelte US-Flagge – bevor der grindende Hardcore von Dead Cross keifend und sägend zu einer wüsten Bildcollage auf die Synapsen schlägt: Donald Trump schmilzt das Gesicht weg, Sänger Mike Patton ist als Monster mit Reißzähnen zu sehen, Menschen werden wie vor Hunderten von Jahren bei lebendigem Leibe durchgesägt, Polizisten in Kampfmontur assoziativ mit Kakerlaken kombiniert – ein Ritt, der durch den düsteren, an mittelalterliche Zeichnungen und Holzschnitte angelehnten Zeichenstil und die konstanten Stakkato-Schnitte noch brutaler und aggressiver wirkt.

The National – „Day I Die“

Das Thema „Vergänglichkeit“ aus dem Songtext illustriert das Video von „Day I Die“ clever: Rund 5.000 Schwarz-Weiß-Fotos von The National-Proben bilden die Grundlage für einen Zeitraffer-Clip, der zusätzlich durch tricktechnische Manipulationen wie Farbeffekte, Unschärfen, Überblendungen und in einen Zeichenstil hinein- und wieder herauswabbernde Bildteile ein Gefühl für die dahingehende Zeit gibt. Ein introvertierter und gerade deshalb so effektiver Ansatz.

Beatsteaks – „I Do“

Tatort Schrebergarten-Kolonie: Inmitten schönster Kleingärtner-Spießigkeit bringen die Beatsteaks ein paar Berliner Laubenpieper vor ihrem Vereinsheim zum tanzen – bis es kaum noch einen der Anwesenden auf den weißen Plastikstühlen hält. Das Tolle an „I Do“ sind dabei die vielen kleinen Details, mit denen das Video die Sommersehnsüchte privater deutscher Kleinbürgerlichkeit einfängt: Bassist Torsten Scholz hat die Tennissocken fast bis zu den Knien gezogen, die dancenden Vereinsmeier sind von der Kapitänsmütze bis zur halbseitig pink gefärbten Mutti im Labber-Shirt perfekt getroffen – und das Bild wirkt wie eine private Urlaubs-VHS, auf der am Anfang nur unsauber die Mauerfall-Aufnahmen überspielt wurden. Ein subtil-begeisterndes Plädoyer für den Spaß an Sommer, Sonne und gesellschaftlicher Vielfalt im Schatten der Gartenzwerge.

Toxic Shock – „Great Great Gift“

Plötzlich brennen Toxic Shock-Sänger Wally am Fleisch-Fließband die Sicherungen durch – und er macht sich auf einen Streifzug durch den New Yorker Stadtteil Brooklyn und die Lower East Side in Manhattan, um Flyer zu verteilen und die belebende Kraft des Thrash- und Hardcore-Sounds bei einem Konzert wachzurütteln. Das ist ziemlich lustig, weil Wally und seine Bandkollegen in Form von Pappmaché-Puppen durch die Straßen ziehen. Und ziemlich cool, weil sie dabei Szene-Helden wie Walter Schreifels (Gorilla Biscuits, Quicksand), John Joseph (Cro-Mags) und Paul Bearer (Sheer Terror) treffen. Ungehobelte, schwer sympathische zweieinhalb Minuten.

Nine Inch Nails – „Less Than“

Oberflächlich betrachtet zeigt der Nine Inch Nails-Clip zu „Less Than“ nur eine Spielerin, die förmlich hypnotisiert scheint von einem Retro-Arcade-Spiel namens „Polybius“, in dem auch die Nine-Inch-Nails-Textzeilen vorbeifliegen. Für Nerds hält das Video aber einige großartige Gaming-Referenzen bereit: „Polybius“ ist der Name eines Spiels, das einer urbanen Legende zufolge 1981 in einigen Spielhallen zu extremer Sucht, Schlaflosigkeit, Alpträumen und Amnesie geführt haben soll – als Teil einer CIA-Testreihe zur Bewusstseinskontrolle, wie es sie einige Jahre zuvor tatsächlich gegeben hatte. 2016 erschien dann ein Spiel für Playstation VR unter dem Namen – dessen Animationen nun wiederum im Video der Nine Inch Nails zu sehen sind. Game on, Trent Reznor.

Spoon – „Do I Have To Talk You Into It“

Und gleich nochmal Video-Regisseur Brook Linder: Der hat nicht nur „Less Than“ von den Nine Inch Nails zu verantworten, sondern auch den Photoshop-(Alp-)Traum, der Spoon-Frontmann Britt Daniel hier widerfährt: Das Gesicht des Musikers wird langgezogen und geschmolzen, seiner Haut entledigt, die Augen werden ausgetauscht, Accessoires retuschiert, das Bild dutzende Male immer kleiner ineinander kopiert, und schließlich wird Daniel gar zum Wolf verwandelt. Nicht nur für Fans von Photoshop-Philipp empfehlenswert.